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Neu-Ulm: Die überraschenden Patrone von St. Johann Baptist

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Die überraschenden Patrone von St. Johann Baptist

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    Ein altes Foto der Johanneskirche. Das später versetzte und 1947 völlig abgetragene Ehrenmal für die Gefallenen des Deutsch-Französischen Kriegs von 1870/71 ist noch zu sehen.
    Ein altes Foto der Johanneskirche. Das später versetzte und 1947 völlig abgetragene Ehrenmal für die Gefallenen des Deutsch-Französischen Kriegs von 1870/71 ist noch zu sehen. Foto: G. Ranft

    Drei überlebensgroße Heiligenfiguren teilen sich den Platz unter den Spitzbögen des Nordostportals der Johanneskirche. Über ihnen ist auf einem eigenen Sockel die Kreuzigungsszene nachgebildet. Am Kreuz der tote Jesus, ihm zu den Seiten seine trauernde Mutter und sein Lieblingsjünger Johannes. Vermutlich hat alle Portalfiguren der 1873 in Neustadt im Schwarzwald geborene Bildhauer Paul Seiler geschaffen.

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    Dass Johannes Baptist das mittlere Podest über dem Haupteingang besetzt, ist leicht verständlich. Das schon 1862 erstmals geweihte, zwischen 1922 und 1927 vom schwäbischen Kirchenbaumeister Dominikus Böhm erweiterte Gotteshaus ist dem Täufer Jesu Christi geweiht – nicht dem Apostel Johannes, der auf Golgatha um Jesus trauert. Johannes der Täufer, mit Jesus gleichaltrig, predigte am Ufer des Jordan unweit Jerusalem. Dort taufte er Menschen und kündigte das Kommen des Heilands an. Auch Jesus lässt sich von ihm taufen. Dabei verkündet, wie der Evangelist Markus überliefert, eine Stimme vom Himmel: „Du bist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Der von Johannes angekündigte Messias ist eingetroffen. Für manche unerklärlich, dass der Täufer, der das Kommen Jesu vorhergesagt und wohl auch erhofft hatte, sich ihm nicht als Jünger anschließt. Er zieht mit eigenen Anhängern weiterhin predigend durchs Land. Als er den Landesherrn Herodes Antipas, Sohn des Kindermörders von Bethlehem, kritisiert, wird er festgenommen, schließlich enthauptet.

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    Was den katholischen Kirchenbauverein in Neu-Ulm seinerzeit bewog, der umgebauten und 1927 erneut geweihten Kirche als weiteren Patron den heiligen Otto beizugeben, lässt sich nur vermuten. Otto, Bischof von Bamberg, war ums Jahr 1061 in Schwaben geboren, wohl auch um einige Ecken mit den Herzögen von Schwaben verwandt. Seine Verdienste ums Heilige Römische Reich Deutscher Nation aber hat er andernorts erworben. Er war Kanzler unter Heinrich IV., jenem Kaiser, der 1077 den Gang nach Canossa tat. Er wurde Bischof von Bamberg und vermittelte im Investiturstreit zwischen Kaiser und Papst. Daraus entwickelte sich das Wormser Konkordat, das die Einsetzung der Bischöfe in ihre geistlichen und weltlichen Rechte regelte. Auf Wunsch polnischer Herzöge unternahm Otto zwei Missionsreisen nach Pommern. Bischof Otto starb 1139 und wurde auf dem Michelsberg in Bamberg bestattet. Was den Heiligen mit Neu-Ulm verbindet, erschließt sich nicht ohne Weiteres. Mit der linken Hand auf den Bischofsstab gestützt, hält er in der Rechten – wie der Kirchenführer von 2012 behauptet – „sein Attribut, ein Kirchenmodell“. Doch das ist ein Irrtum. Otto trägt hier nicht irgendein Modell, sondern das der Neu-Ulmer Johanneskirche. Der frühere Neu-Ulmer Stadtpfarrer Jakob Eberle hatte vor Zeiten schon mal der Neu-Ulmer Zeitung gegenüber eine Theorie bemüht: Von 1912 bis 1924, zur Zeit des Kirchenumbaus also, war Otto Jochum Pfarrer an St. Johann Baptist. Durchaus vorstellbar, folgerte sein späterer Nachfolger, dass Jochum den eigenen Namenspatron auch über seine Gemeinde wachen lassen wollte.

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    Verwundern muss nun aber, dass die heilige Elisabeth einen Platz an der Vorhalle gefunden hat – sie ist die Heilige der Liebe. Immerhin war die Kirche ursprünglich als Garnison- und Kriegergedächtniskirche erbaut worden. Vor dem Eingang des Sakralbaus stand das Ehrenmal, das an die Gefallenen des Deutsch-Französischen Kriegs von 1870/71 erinnerte. Später wurde es vor die Petruskirche gerückt, weil es mit Dominikus Böhms Baustil nicht harmonierte, und 1947 völlig abgetragen. Zum Ausgleich war 1926 in die Chorapsis, die Böhm als Kriegergedächtniskapelle gestaltete, ein schlankes Holzkreuz auf einem zylindrischen Backsteinsockel gestellt worden. Stadtpfarrer Eberle sah keinen Widerspruch darin, dass Elisabeth den Kriegsopfern verbunden wurde. Die Heilige der Liebe, die sich den Kranken und Armen hingab und 1231 mit nur 24 Jahren an Auszehrung gestorben war, habe in ihrem kurzen Leben bewiesen, dass Kraft und Stärke keineswegs nur männliche Merkmale seien. „Auch die Liebe, die Nächstenliebe vor allem, verlangt Mut und große Tapferkeit“, sagte Eberle seinerzeit der Neu-Ulmer Zeitung. Beides habe Elisabeth im Übermaß besessen. So hält die Heilige denn am Portal der Johanneskirche nicht Wacht für die Krieger und die Soldaten. Sie steht für die Frauen und Bräute, für die Freundinnen und Töchter der Gefallenen. Denn auch ihr Opfer soll im Gedächtnis bleiben. Der Kirchenführer von 2012 irrt auch hier, wenn er die Elisabeth über dem Portal als die Mutter des Kirchenpatrons Johannes identifiziert. Dargestellt ist eindeutig die vier Jahre nach ihrem Tod bereits heiliggesprochene Elisabeth von Thüringen, was ihr Attribut, die Rosen in ihrem Umhang, belegt.

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    Feststeht, dass der 1934 in Frankfurt am Main gestorbene Bildhauer Paul Seiler die Kreuzigungsgruppe droben auf der Portalmauer geschaffen hat. Für die drei Portalfiguren kann dies vermutet werden. Seiler hatte schon 1922 für die ebenfalls von Dominikus Böhm entworfene Pfarrkirche in Dettingen am Main die Figuren des Petrus und des Paulus in Stein gehauen. Deren Stil hebt sich allerdings von den Neu-Ulmer Skulpturen stark ab. Dagegen steht in der Taunusanlage in Frankfurt am Main die neoklassizistische Frauenstatue der „Flora“, die in Körperhaltung und dem Faltenwurf des Gewands stark an die Neu-Ulmer Elisabeth erinnert.

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