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Neu-Ulm: Die lange Tradition der Kinderfeste in Neu-Ulm

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Die lange Tradition der Kinderfeste in Neu-Ulm

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    Ein Bild vom Kinderfest aus dem Jahr 2007 im Kollmannspark. Mit dabei war damals auch die maskierte Oberbürgermeisterin Beate Merk.
    Ein Bild vom Kinderfest aus dem Jahr 2007 im Kollmannspark. Mit dabei war damals auch die maskierte Oberbürgermeisterin Beate Merk. Foto: Gerrit-R. Ranft

    Zwischen April und September 2019 feiert Neu-Ulm sein Jubiläum „150 Jahre Stadterhebung“. Die Neu-Ulmer Zeitung, die heuer 70 wird, tut in diesen Monaten ein paar Blicke in die Vergangenheit der Kommune, in ihre Gegenwart und – so weit möglich – in die Zukunft. Heute: Neu-Ulmer Kinderfeste.

    Kinderfeste, wie sie unter der Obhut der Stadt Neu-Ulm Jahrzehnte lang gefeiert wurden, sind aus der Mode gekommen. Die Zeitläufte haben sich gewandelt, der Geschmack der Jüngsten an Freizeitspielen wohl auch. Die Freiräume im Stadtgebiet sind rar geworden, und auch die erwachsenen Helfer aus Schulen, Kinderhorten, Kirchengemeinden und Vereinen stehen nicht mehr unbegrenzt zur Verfügung. Dabei hatten Kinderfeste in Neu-Ulm eine lange Tradition.

    In der 1911 erschienenen „Chronik der Stadt Neu-Ulm“ hält ihr Verfasser Georg Buck fürs Jahr 1879 fest: „Am 23. Mai ist im Schießhaus das Kinderfest gefeiert worden.“ Dort sei es, ergänzt Buck, nun schon seit mehr als vierzig Jahren abgehalten worden. Zuvor habe es zeitweilig auch im „Schlössle“ in Offenhausen stattgefunden. So bestätigt es Ottmar Kollmann, Sohn des ersten hauptamtlichen Neu-Ulmer Bürgermeisters Josef Kollmann, in seiner 1965 herausgegebenen Schrift „Vom Werden einer Stadt“ mit der Bemerkung: „Der Garten beim Schießhaus mit der sich anschließenden Allee stattlicher alter Bäume diente als Vergnügungsstätte und als Festplatz, vor allem für das alljährliche große Kinderfest.“ Der im vergangenen Jahr gestorbene Schmiedemeister August Welte, der Jahrzehnte hindurch Neu-Ulmer zeitgenössische Stadtgeschichte dokumentiert hat, ergänzte dazu: „Im Schießhausgarten war dann Kinderfest mit Sackhüpfen, Wurstschnappen, Klettern an Stangen, Fußball und Freiübungen.“

    Früher ging dem Kinderfest in Neu-Ulm in aller Regel ein Umzug voraus

    In aller Regel ging dem Großereignis am Schießhaus ein Umzug voraus. Er startete an der Zentralschule und führte durch Kasern- und Schützenstraße, gelegentlich auch durch Augsburger und Krankenhausstraße. Mitgeführt wurden im Zug bunt geschmückte Wägelchen, verzierte Fahrräder mit Anhänger, lustig bemalte Transparente. Die Sparkasse ließ 1938 eigens eine überdimensionale Sparbüchse auf einem Handwagen mitrollen. Verkleidete „Markstücke“ hüpften um den Wagen herum. Im folgenden Jahr wurde ein Hexenhäuschen mitgeführt, das die Schreinerei Josef Krieg in der Bahnhofstraße zusammengezimmert und mit Weiss-Lebkuchen verziert hatte.

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    Dies war das letzte der Kinderfeste, die am Schießhaus veranstaltet wurden. Die Nationalsozialisten hatten die Herrschaft übernommen. Zwar zogen weiterhin Jugendgruppen durch die Straßen – nun allerdings im Gleichschritt und mit Fahnen. Für Kinderspielereien war im „Jungvolk“ keine Zeit mehr. An die Stelle von Räuber und Gendarm traten durchorganisierte „Gelände- und Wettkampfspiele“. Die „Fähnlein“ marschierten auf, Kartoffelkäfer und Kleiderspenden zu sammeln.

    Das Schießhaus wurde im letzten Bombenangriff, der Neu-Ulm im März 1945 traf, bis auf die Grundmauern zerstört, später komplett abgetragen. An seiner Stelle steht heute die Weststadtschule. Eine Bronzetafel hält an der Ecke Schützenstraße/Schießhausallee die Geschichte des Schießhauses fest. Es war eins der ersten festen Bauwerke, die von der Freien Reichsstadt Ulm auf der südlichen Donauseite errichtet wurden. Erstmals schriftlich genannt wird die „Schießstätte für die Bürgerlichen Gesellschaften“ im Jahr 1518.

    Seit den 90ern findet das Neu-Ulmer Kinderfest im Kollmanspark unterm Wasserturm statt

    Schon 1540 zogen Ulmer Familien erstmals mit Kind und Kegel über die Herdbrücke und die Schützenstraße hinaus zum Schießhaus, um dort ihre „Maienkinderfeste“ zu feiern. Das „Schützenhaus der oberen Schützen“, wie die Schießanlage an der Schützenstraße zur Unterscheidung vom „Schützenhaus der unteren Schützen“ an der Kleinen Donau hieß, wurde 1893 von der Stadt Neu-Ulm übernommen. Doch wurde dort schon damals nicht mehr scharf geschossen, eher gezecht. Denn seit 1848 auch südlich der Donau kräftig an der Bundesfestung Ulm gebaut wurde, war das Schießen vor dem Westtor abgeschafft und auf die andere Donauseite in die Friedrichsau verlagert worden. So erhielt Bürgermeister Kollmann, als er das einstige Schießgelände wie auch manch andere Grundstücke vom Ulmer Kollegen Heinrich Wagner erwarb, lediglich eine Gastwirtschaft. Die wurde für Tanzvergnügen und Tagungen, für Ausstellungen, Konzerte, Jahresfeiern und eben Kinderfeste umgebaut, dann verpachtet.

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    Der gebürtige Burlafinger Peter Benkowitsch, der heute als Schulmeister in Bächingen wohnt, hat vor Jahrzehnten untersucht, was Neu-Ulmer Kinder zwischen 1900 und 1935 denn so trieben. „Scharen spielender Kinder gehörten zum Stadtbild“, schreibt Benkowitsch, „selbst auf den Hauptstraßen wie Ludwig-, Schützen-, Bahnhof- oder Kasernstraße.“ Diese Freiräume waren in den Händen der Jugend. Pferdefuhrwerke stellten keine Gefahr dar, und Autos gab’s noch kaum. „Länderballa“ wurde gespielt und „Namaball“, „Völkerball“ und „Balltreiba“. Murmelspiele gliederten sich in „Merbla“, „Neggla“ und „Schussra“, wobei die Neggla getrennt wurden nach den teuren „Glasneggla“ und den günstigeren „Tonneggla“. Das „Deifale an d’r Kette“ musste „d’ Engla“ fangen. „Schwarzer Mann“ und „Steifer Mann“, „Fangerles“ und „Roifla“ gehörten zu den Freiluftspielen.

    Platz war in Fülle da – an der Donau und auf dem Exerzierplatz an der Memminger Straße, in den Festungsanlagen, selbst am Verladebahnhof war immer was los, und wär’s nur der Rausschmiss durch den Bahnhofsvorstand. Diese Freiheiten der Kinderzeit sind vergangen. Sie konnten auch nicht mit zaghaften Versuchen kleiner Kinderfeste in den neunziger Jahren im Kollmannspark unterm Wasserturm wiederbelebt werden.

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