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Neu-Ulm: Die Amerikaner in Neu-Ulm: Besatzer, Beschützer, Freunde

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Die Amerikaner in Neu-Ulm: Besatzer, Beschützer, Freunde

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    Der Offiziersklub an der Donau aus ungewohnter Perspektive. Hinter dem Gebäude liegt der Biergarten der heutigen Gaststätte „Barfüßer“, die schon bald abgerissen werden könnte.
    Der Offiziersklub an der Donau aus ungewohnter Perspektive. Hinter dem Gebäude liegt der Biergarten der heutigen Gaststätte „Barfüßer“, die schon bald abgerissen werden könnte. Foto: Stadtarchiv Neu-Ulm

    Zwischen April und September 2019 feiert Neu-Ulm sein Jubiläum „150 Jahre Stadterhebung“. Die

    Knapp 40 Jahre lang war Neu-Ulm Standort der US-Army. In der Nacht zum 25. April 1945 rückten erstmals amerikanische Truppen in die Stadt ein. Für Neu-Ulm war damit der Zweite Weltkrieg zu Ende. Da das Stadtgebiet weithin zerstört war, richteten die Besatzungstruppen am 19. Mai ihre Militärregierung in Weißenhorn ein. In Neu-Ulm wurde gerade so viel Militär stationiert, wie zur Bewachung der Kriegsgefangenenlager in der damaligen Reinhardt- und der Ludendorffkaserne notwendig war. Mit deren Auflösung 1946 rückten die US-Truppen ab. Am 7. Dezember 1951 allerdings kamen sie zurück – nun nicht als Besatzer sondern als Verbündete im heraufziehenden „Kalten Krieg“. Sie blieben knapp vierzig Jahre lang bis zum Sommer 1991.

    Aus der Ludendorffkaserne wurden die Wiley-Baracks

    Die nach 1946 vorwiegend von Flüchtlingen, Heimatvertriebenen und Displaced Persons, aber auch kleineren Gewerbebetrieben genutzten Kasernenanlagen wurden nach der Rückkehr der Amerikaner nach und nach geräumt. Die Ludendorffkaserne an der Memminger Straße erhielt den Namen Wiley-Barracks. Aus der Reinhardtkaserne wurden die Nelson-Barracks. Ins Donau-Kasino der Wehrmacht, das heutige Wirtshaus „Barfüßer“, zog der Offiziersklub ein. Südlich der Ringstraße entstand zwischen

    Am Rande von Schwaighofen entstand das "Ulm Army Airfield"

    Vor allem das Wiley wurde in Richtung Ludwigsfeld erweitert, indem nun der einstige Übungsplatz der Wehrmacht einbezogen wurde. Am Rande des Stadtteils Schwaighofen, wo schon seit 1930 ein kleines Flugfeld bestanden hatte, wurde das „Ulm Army Airfield“ eingerichtet. Der Illerauwald erhielt einen Schießplatz. Zeitweilig zählte die US-Garnison Neu-Ulm 9000 Soldaten und 2000 Familienangehörige, was mehr als einem Viertel der damaligen Neu-Ulmer Einwohnerzahl entsprach. Gut 500 Zivilangestellte standen im Dienst der Amerikaner.

    Die Menschenkette 1983 zwischen Neu-Ulm und Stuttgart

    Konflikte zwischen Einheimischen und den Militärs aus Übersee blieben nicht aus. In den Wirtshäusern prügelten sich Amerikaner mit Ortsansässigen und Polizisten. Taxifahrer wurden überfallen, Frauen auf offener Straße belästigt. Gleichzeitig aber haben die Soldaten samt ihren Familien Waisenhäuser in Neu-Ulm und der Umgebung unterstützt, Kinder zu Weihnachten mit Bergen von Spielsachen und Süßigkeiten überhäuft und Geld gespendet, sobald sie darum gebeten wurden. Sie haben beim Wiederaufbau beider Donaustädte geholfen, Blut gespendet, das Nabada mitgefeiert und gemeinsam mit den Feuerwehren geübt. Eine große Herausforderung für Zivil und Militär stellte die am 23. Oktober 1983 zwischen den Neu-Ulmer Wiley-Barracks und dem US-Hauptquartier in Stuttgart-Möhringen gebildete gut hundert Kilometer lange Menschenkette als Protest gegen die geplante Raketen-Nachrüstung auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs dar.

    Langer Verhandlungen bedurfte es, die im selben Jahr eröffnete Verkehrsachse Europastraße quer durch die Wiley-Kaserne zu bauen. Neu-Ulms Oberbürgermeister Dietrich Lang, in dessen Amtszeit die für beide Seiten erfolgreichen Verhandlungen geführt worden waren, wurde mit dem höchsten Zivilorden der US-Streitkräfte ausgezeichnet.

    Am 26. Juli 1991 verließ der letzte US-Soldat Neu-Ulmer Boden

    Mit der Deutschen Einheit und der Auflösung des Warschauer Pakts kam das Ende der US-Garnison Neu-Ulm. Am 26. Juli 1991 verließ der letzte amerikanische Soldat Neu-Ulmer Boden. Die Soldaten, die als Besatzer gekommen und als Beschützer geblieben waren, gingen heim als Freunde.

    Mit dem Abzug der amerikanischen Streitkräfte aber kam die Stunde der Neu-Ulmer Stadtplaner. Gewissermaßen über Nacht waren 140 Hektar innerstädtischen Militärgeländes für zivile Nutzung frei geworden. Mit knapp 80 Hektar bildete das Wiley das größte Areal, gefolgt von Nelson mit 15 und dem Vorfeld mit 29 Hektar. Den Rest bildeten Schwaighofen, das Versorgungszentrum im Starkfeld und der heutige Barfüßer. In zweijährigen Verhandlungen unter Federführung Oberbürgermeister Peter Biebls und des Neu-Ulmer Bundestagsabgeordneten und Bundesfinanzministers Theo Waigel erwarb die Stadt 1994 das gesamte einstige militärische Areal zum Preis von 86 Millionen Mark, was 44 Millionen Euro entspricht. Staatliche Zuschüsse in Höhe von 20 Millionen Mark milderten die finanzielle Last. Schon im Jahr zuvor hatte die Stadt ein von einem Stuttgarter Planungsbüro erarbeitetes Strukturkonzept für die städtischen Konversionsgebiete vorgelegt.

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    Rund ein Vierteljahrhundert ist seither vergangen. Die hinzugewonnenen Stadtgebiete sind überwiegend bebaut oder verplant. Das Wiley-Süd ist zum Wohngebiet geworden mit Büros und Praxen entlang der Edisonallee. Den nördlichen Teil nehmen die Hochschule Neu-Ulm und ein Freizeitgelände ein. Das Wiley-Nord hat ein Senioren- und ein Studentenwohnheim gewonnen, dazu eine neue Grundschule, ein Parkhaus. Das von den Amerikanern übernommene Kino wurde mehrfach umgebaut und erweitert. Platz wäre noch, das sanierungsreife Lessing-Gymnasium hineinzuverlegen.

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    In die einstigen Nelson-Baracks an der Reuttier Straße sind das Finanzamt und die Polizeidirektion eingezogen, in die Wohngebäude im Vorfeld neue Mieter. Das Schicksal des früheren Offiziersklubs und heutigen Barfüßer-Wirtshauses ist ungeklärt. Wirt Ebbo Riedmüller will den ganzen historischen Komplex samt Biergarteen abreißen und neu bebauen. Stadtarchivar Peter Liptau hielte das für bedauerlich. „Der optische Zustand eines Gebäudes bestimmt nicht seinen Denkmalwert“, sagt Liptau. Vielmehr gehe es um seine historische Rolle innerhalb der Stadtgeschichte. Als Archivar und somit Bewahrer der Stadtgeschichte wie auch als Bauhistoriker erscheine ihm das ehemalige Casino als erhaltenswürdig, obwohl es nicht als Denkmal geschützt sei. Seine Rolle als Wehrmachtscasino ab 1937, als Unterbringungsort für „Displaced Persons“ ab 1945 und seine Funktion als US-Casino bis 1991 machten es zu einem wichtigen Ankerpunkt der Stadtgeschichte.

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