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Neu-Ulm: Der wandernde Grundstein der Bundesfestung Ulm

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Der wandernde Grundstein der Bundesfestung Ulm

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    Neu-Ulms Oberbürgermeister Gerold Noerenberg mit Matthias Burger (rechts) und Ulms OB Ivo Gönner die Zinnkiste in den Grundstein.
    Neu-Ulms Oberbürgermeister Gerold Noerenberg mit Matthias Burger (rechts) und Ulms OB Ivo Gönner die Zinnkiste in den Grundstein. Foto: Gerrit-R. Ranft

    Zwischen April und September 2019 feiert Neu-Ulm sein Jubiläum „150 Jahre Stadterhebung“. Die Neu-Ulmer Zeitung, die heuer 70 wird, hat in den vergangenen Monaten ein paar Blicke in die Vergangenheit der Kommune getan, in ihre Gegenwart und – so weit möglich - in die Zukunft. Heute: Der Grundstein zur Bundesfestung.

    Geschichte wiederholt sich nicht. Manche historischen Ereignisse aber ähneln einander. Am 18. Oktober 1844 wurden zwei Grundsteine zur Bundesfestung Ulm gelegt – gleichzeitig auf Neu-Ulmer und auf Ulmer Seite. Fast auf den Tag genau 75 Jahre später wurde am 12. Oktober 1919 der Neu-Ulmer Grundstein im Zuge des teilweisen Abbruchs der Festungsanlagen auf dem südlichen Donauufer feierlich „enthoben“. Die Baugrube wurde bald wieder zugedeckt. Am 25. März 2006 wurde der Neu-Ulmer Grundstein ein zweites Mal freigelegt – und am 18. Oktober 2009, auf den Tag 165 Jahre nach der ersten Grundsteinlegung, erneut im Neu-Ulmer Untergrund versenkt. Am Zugang zur Caponniere 4 südlich des Bahnhofs wird er nun wohl für alle Zeiten ruhen dürfen.

    Neu-Ulms Grundstein: Alte Münzen sind heute im Edwin-Scharff-Museum

    An der Bundesfestung Ulm zu beiden Seiten der Donau wurde schon seit zwei Jahren gebaut, als schließlich die Grundsteine gelegt wurden. Auf Ulmer Seite erhielt die Zinnkiste ihren Platz im Kehlturm der Wilhelmsfeste auf dem Michelsberg, auf Neu-Ulmer Seite vor der Caponniere 4 am heutigen Theodor-von-Hildebrandt-Platz. Böllerschüsse beendeten auf beiden Seiten die festliche Zeremonie auf den Tag genau 31 Jahre nach der viertägigen Völkerschlacht bei Leipzig, in der die Truppen Napoleons von den Verbündeten vernichtend geschlagen wurden.

    Als Abgesandter des Festungsbauherrn Deutscher Bund schloss General Freiherr von Roditzky seine Rede: „So gebe Gott, dass diese Festung vollendet werde, dass sie stark, unüberwindlich und fähig sei, die Unabhängigkeit Deutschlands zu schützen und zu behaupten“. Sie wurde in all den Jahrzehnten seither nie wirklich zu Kriegszwecken genutzt. Dennoch bedurfte es jahrelanger Verhandlungen mit dem preußischen Kriegsministerium wie auch mit dem Königreich Bayern, ehe Neu-Ulms Erster Bürgermeister Josef Kollmann den Abbruch einzelner Festungsteile durchsetzen konnte. Sie standen der Entwicklung der wachsenden Stadt wortwörtlich im Wege.

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    Mit dem „Entfestigungsvertrag“ vom 31. August 1906 erwarb die Stadt 73 Hektar ehemaligen Festungsgeländes für 860.000 Mark. Zwar wurde sofort mit der Entfestigung begonnen. Doch stoppte der Erste Weltkrieg bald darauf alle weiteren Abbrucharbeiten. Erst 1844, 13 Jahre nach Vertragsabschluss, konnten sich Neu-Ulms Honoratioren im Festtagsstaat gemeinsam mit Hauptlehrerin Maria Grambihler zur feierlichen Grundsteinenthebung vor der Caponniere 4 versammeln. Das versiegelte Zinnkistchen im Grundstein enthielt 143 Münzen aus allen deutschen Staaten und Fürstentümern jener Zeit, auch aus Österreich, dazu ein Porträt des Bayernkönigs Ludwig I. sowie Urkunden des Deutschen Bundes, der Bundesversammlung, die Kriegsverfassung und den Gewerbekalender auf das Jahr 1844. Das gesamte Inventar wurde entnommen. Die Schriftstücke gingen im Zweiten Weltkrieg verloren. Die Münzen werden heute im Edwin–Scharff-Museum verwahrt.

    Der Grundstein aber verschwand wieder im Untergrund, bis 87 Jahre später Matthias Burger kam. Der Vorsitzende des Förderkreises Bundesfestung Ulm sorgte sich um den Stein, weil rund um den Bahnhof Neu-Ulm das große Revirement einsetzte. Container- und Rangierbahnhof verschwanden. Von den sechzehn Gleisen auf dem Bahngelände sollten nur zwei bleiben und in einen Trog gelegt werden. Das frei gewordene Gelände wurde mit mehrgeschossigen Wohnbauten besetzt, die heute mit der Meininger Allee erschlossen werden.

    2009 wurde die neue Zinnkiste in dem Grundstein in Neu-Ulm versenkt

    Weil zu befürchten stand, dass nach Abschluss der Bauarbeiten der Grundstein nie mehr zugänglich sein werde, grub ihn der Förderverein am 26. März 2006 erneut aus. Wieder versenkt wurde der umtriebige Stein dreieinhalb Jahre später gemeinsam von den Oberbürgermeistern Gerold Noerenberg, Neu-Ulm, und Ivo Gönner, Ulm, nachdem die Caponniere 4 freigelegt und restauriert worden war. Die neue Zinnkiste ruht in vier Metern Tiefe im alten Grundstein und enthält je eine Ausgabe der Neu-Ulmer Zeitung und der Südwest Presse vom 17./18. Oktober 2009, das Festungsbuch des Fördervereins, eine Abhandlung zur Konversion der von der US-Army vierzig Jahre lang genutzten und 1991 endgültig geräumten Neu-Ulmer Militärflächen, einen Ulmer Gulden von 1704, einen Ulmer Spatz, den „Rathausblick Neu-Ulm“ und ein paar Münzen in Euro und Cent.

    „Den Grundstein erneut zu setzen“, sagt Matthias Burger, „war elementar wichtig, weil er eben nicht nur der ehemaligen Bundesfestung gilt, sondern als Grundstein der Stadt Neu-Ulm zu betrachten ist.“ Neu-Ulm war zu Beginn der Bauarbeiten eine kleine Siedlung mit ein paar hundert Einwohnern. In die Pläne zum Neu-Ulmer Festungsanteil griff dann allerdings Bayerns König Ludwig I ein. Er verlangte, den Innenraum des Brückenkopfs groß genug für die Anlage einer Stadt zu planen. Festungsbaudirektor von Hildebrandt, dessen Name der Platz um den Grundstein vor der Caponniere 4 nun trägt, fertigte die Baupläne. „Neu-Ulm wurde, was es heute ist, durch den Bau der Bundesfestung“, sagte Oberbürgermeister Gerold Noerenberg, als am 18. Oktober 2009 die neue Zinnkiste versenkt wurde, „und der Grundstein liegt nun mitten in der Stadt und wird zur Stärkung des Selbstbewusstseins Neu-Ulms beitragen.“ Wie schon 1844 endete die Zeremonie auch jetzt mit Böllerschüssen – diesmal abgefeuert von Roggenburger Böllerern.

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