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Neu-Ulm: Denkzettel in der Urne

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Denkzettel in der Urne

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    Die Wähler hatten am Sonntag in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt das Wort. Und sie haben deutlich gesprochen.
    Die Wähler hatten am Sonntag in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt das Wort. Und sie haben deutlich gesprochen. Foto: dpa

    Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt gelten als Stimmungsbarometer für die Bundestagswahlen im kommenden Jahr. So kommentieren Politiker aus der Region die Ergebnisse vom Sonntag:

    Für die Grünen-Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz war der Wahlabend „voller gegensätzlicher Emotionen“. Einerseits die Freude darüber, „dass die Grünen in Baden-Württemberg stärkste Kraft geworden sind und ein Ulmer Direktkandidat in den Landtag einzieht“. Andererseits, sagt Deligöz, stehe die bittere Erkenntnis, „dass die AfD so stark geworden ist“. Dies zeige, dass ein Teil der Bevölkerung „geschichtsvergessen“ sei. Nun müssten die demokratischen Kräfte zusammenstehen und für gemeinsame Werte kämpfen. Die Politik müsse direkter und offener vermitteln, wie etwa die Herausforderungen der Flüchtlingsfrage bewältigt werden können, sagt Deligöz.

    Georg Nüßlein, CSU-Bundestagsabgeordneter aus Münsterhausen, sagt: „Die Kollegen von der CDU in Baden-Württemberg tun mir leid.“ Als Gründe für das desaströse Abschneiden der Ländle-

    Die CSU-Bundestagsabgeordnete Katrin Albsteiger aus Burlafingen ist der Meinung, dass die Wahlen gezeigt haben, wie sehr es in der Politik auf die richtigen Köpfe ankommt: „Winfried Kretschmann ist eine sehr beliebte Figur, auch Malu Dreyer und Reiner Haseloff haben mit ihrer Persönlichkeit gepunktet.“ Wahlentscheidendes Thema sei die Flüchtlingskrise gewesen, dies habe zum Erfolg der AfD geführt, der viele Bürger aus Protest ihre Stimme gegeben hätten. Deshalb dürften die Wähler auch nicht als rechts gebrandmarkt werden. „Wir müssen deutlich machen, dass die CSU immer auch rechts von der Mitte verortet war.“ Karl-Heinz Brunner, SPD-Bundestagsabgeordneter und Kreisvorsitzender, freut sich über das „hervorragende Ergebnis“, das die sozialdemokratische Regierungschefin Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz eingefahren habe. Das und auch der Erfolg von Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg hätten gezeigt, dass nicht Parteiprogramme, sondern die Zuspitzung auf Köpfe und Personen entscheidend gewesen sei. „Daraus müssen wir lernen“, so Brunner. Mit der AfD müssten sich die anderen Parteien nun parlamentarisch und politisch auseinandersetzen und zeigen, „dass die Demokratie die beste Form des Zusammenlebens ist, die wir jemals hatten“. Der CSU-Kreisvorsitzende Thorsten Freudenberger sieht das Wahlergebnis in den drei Bundesländern als „Signal an die etablierten Parteien, Lösungsansätze in Sachen Asyl- und Flüchtlingspolitik zu präsentieren.“ Kanzlerin Merkels „Grenzöffnung ohne europäischen Lösungsansatz“ stoße auf immer mehr Ablehnung, so der Landrat. Es sei richtig, dass die CSU eine Diskussion darüber führe, „wie viele Flüchtlinge aufzunehmen wir bereit und in der Lage sind“. Nun gelte es einerseits, den rechtsradikalen Kräften in der AfD die Rote Karte zu zeigen, andererseits die Ängste vieler Bürger ernstzunehmen, die aus Protest AfD gewählt haben.

    Mit alkoholfreiem Bier hat Gerhard Großkurth, Vorsitzender der AfD-Kreisgruppe Neu-Ulm, am Sonntagabend auf das Wahlergebnis angestoßen. Er spricht von einem „Denkzettel“ für die etablierten Parteien. Diese hätten Themen wie die Asylpolitik ausgespart, weil sie ihnen unangenehm seien. „Anständige Bürger sind mit ihren Sorgen diffamiert worden“, so Großkurth. Er räumt ein, dass es in der AfD auch „Leute gibt, die grenzwertig sind“, doch bei seinen Mitstreitern handle es sich in der Regel um enttäuschte Anhänger anderer Parteien, „die nicht verstehen, wie Angela Merkel am Willen der eigenen Bevölkerung vorbei regieren kann“.

    Wolfgang Schrapp, Kreisvorsitzender der Freien Wähler, ist vom Verhalten der etablierten Parteien enttäuscht und fühlt sich „fast beleidigt“. Diese hätten gar nicht gemerkt, „dass da ein richtiger Sturm war“, sagt Schrapp im Hinblick auf das Abschneiden der AfD. Das sei ein klares Signal an die Bundespolitik, dass diese sich etwas einfallen lassen müsse. Die Bürger seien keineswegs uninformiert, sondern wahlmüde. Was die etablierten Parteien angeht, zieht Schrapp einen Vergleich zum früheren rumänischen Staatspräsidenten Ceausescu, der 1989 winkend auf dem Balkon gestanden und sich gewundert habe, „warum das Volk nicht mehr will“.

    Der Kreisvorsitzende der FDP, Michael Zimmermann, ist zufrieden mit dem Abschneiden der Liberalen. Er und seine Parteifreunde freuten sich, dass die

    Xaver Merk, Landessprecher und ehemaliger Kreisvorsitzender der Linken, sieht mehrere Faktoren für das aus seiner Sicht unbefriedigende Abschneiden seiner Partei bei den drei Landtagswahlen. „Das ist für uns kein guter Tag gewesen“, so Merk. Hoffnung gemacht habe die Veranstaltung mit Gregor Gysi in Ulm, zu der sich 800 Interessierte eingefunden hätten. Sie sei damit die größte Wahlkampfveranstaltung in der Donaustadt gewesen. Dass die AfD in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz jeweils zweistellige Prozentzahlen erreicht habe, sei für einen Linken „beinahe unerträglich“, so Merk.

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