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Neu-Ulm-Burlafingen: Das junge Afrika

Neu-Ulm-Burlafingen

Das junge Afrika

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    Wild geht es zu im Nachtleben der nigerianischen Millionen-Metropole Lagos. Andrew Esiebo hat den Wandel der Stadt eingefangen. Seine Aufnahmen sind im Schwarzen Haus zu sehen.
    Wild geht es zu im Nachtleben der nigerianischen Millionen-Metropole Lagos. Andrew Esiebo hat den Wandel der Stadt eingefangen. Seine Aufnahmen sind im Schwarzen Haus zu sehen.

    Afrikanische Fotografie ist längst kein exotisches Gebiet mehr – und das ist auch ein Verdienst der Walther Collection. Der New Yorker Wall-Street-Millionär Artur Walther hat in den vergangenen Jahren die weltweit wohl umfangreichste Sammlung zu diesem Thema aufgebaut: Zu ihr gehören Klassiker der afrikanischen Fotografie des 20. Jahrhunderts wie der Südafrikaner David Goldblatt oder der Malier Seydou Keita, aber auch junge Künstler, die einen ganz eigenen Blick auf diese Weltregion, ihre Kultur und das Leben an sich haben. Mit dieser jungen Garde kehrt die Walther Collection an ihrem Standort Burlafingen zurück auf den schwarzen Kontinent: „Recent Histories“ präsentiert in allen drei Gebäuden auf dem Museumscampus zeitgenössische Fotografie und Videokunst aus Afrika.

    Es ist eine neue Generation von Künstlern, welche die Walther Collection für dieses große Ausstellungsprojekt zusammengetrommelt hat: Alle zwischen 20 und 40 Jahre alt, manche erst am Anfang ihrer Karriere. Entsprechend lief die Vorbereitungsphase, die auch mehrere kleine Ausstellungen im New Yorker Projektraum der Walther Collection umfasste, etwas anders als sonst. Laut Daniela Baumann, Leiterin in Burlafingen und Co-Kuratorin der Schau, hat man in sozialen Netzwerken wie Instagram oder in Blogs recherchiert. Ausgewählt wurden die Werke in enger Abstimmung mit den 14 Künstlern. Entsprechend ist „Recent Histories“, was sich mit „Jüngste Geschichte(n)“ übersetzen ließe, keine Themenausstellung. „Es gibt keine These“, sagt Baumann. Die gezeigten Positionen seien allesamt subjektiv.

    Manche Themen ziehen sich freilich trotzdem durch die gesamte Ausstellung: Immer wieder geht es um die Kluft zwischen den Kulturen. Diese tragen viele der Künstler in sich: Ein Großteil wurde in Afrika geboren, lebt aber schon lange in Europa oder den USA. Délio Jasse kehrte für sein Projekt „Terreno ocupado“ („Besetztes Land“) in seine Geburtsstadt Luanda zurück: Er fügte in aktuelle Aufnahmen aus der Stadt persönliche Erinnerungen an seine Kindheit ein. François-Xavier Gbré, der für seine künstlerische Arbeit in die Elfenbeinküste zurückkehrte, fotografierte verfallene Gebäude aus der Kolonialzeit und den frühen Unabhängigkeitsjahren: stille Erinnerungen an die nicht eingelösten Versprechen von Entwicklung, Wohlstand und Frieden.

    Doch längst nicht alle Arbeiten handeln nur von Afrika: Der Angolaner Edson Chagas inszeniert in seiner großen Serie „Found Not Taken“ Wegwerfobjekte als sinnlose Skulpturen: ein eigenwilliger Blick auf die globalisierte Konsumgesellschaft, der 2013 bei der Biennale in Venedig mit dem „Goldenen Löwen“ ausgezeichnet wurde. Anderes ist radikal persönlich: Zina Saro-Wiwa, Tochter des 1995 hingerichteten nigerianischen Bürgerrechtlers und Schriftstellers Ken Saro-Wiwa, erinnert mit ihren performativen Masken-Fotos, an die „unsichtbaren Männer“, die sie verloren hat. Trotz aller Krisen und Probleme: „Recent Histories“ zeigt auch ein Afrika jenseits der Not. Etwa auf Andrew Eniebos Hochglanz-Fotos aus dem Nachtleben von Lagos. Oder Thabiso Sekgala, der das ganz normale Leben in südafrikanischen Homelands einfängt, wo auch Heiterkeit und Glück zuhause sein können – wie überall.

    Dennoch: Ein gänzlich von Gewalt, sozialen Verwerfungen und Flüchtlingsbewegungen ungetrübter Blick fällt den Künstlern in „Recent Histories“ schwer – und das ist auch gut so, schließlich verfolgt gerade die jüngere Generation kritisch, was sich in Afrika abspielt, und führt so die dokumentarische Arbeit der „Klassiker“ wie dem anfangs erwähnten Goldblatt fort. Aber auf eigene Art: Dawit Petros, in Eritrea geboren und jetzt in den USA zuhause, folgte den Routen der Flüchtlinge in West- und Nordafrika und verleiht deren Traum von einem besseren Leben Ausdruck. Er zeigt aber auch, was sie zurücklassen. Die poetischste Arbeit dieser Ausstellung, die einen frischen Wind in die Walther Collection bringt – und beweist, dass mit den jungen afrikanischen Fotografen zu rechnen ist.

    Ausstellung „Recent Histories“ startet morgen, Samstag, mit einem Tag der offenen Tür von 11 bis 17 Uhr. Es gibt Führungen durch alle drei Gebäude. Zur Ausstellung, die bis zum 19. November in Burlafingen zu sehen ist erscheint ein Katalog im Steidl-Verlag.

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