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Neu-Ulm: Betreuerin zockt Rentnerin um mehr als 100.000 Euro ab

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Betreuerin zockt Rentnerin um mehr als 100.000 Euro ab

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    Eine Frau ist von ihrer Pflegerin abgezockt worden.
    Eine Frau ist von ihrer Pflegerin abgezockt worden. Foto: Reinhardt/dpa (Symbolbild)

    Insgesamt 115.500 Euro hat eine 66-Jährige aus Neu-Ulm vom Konto einer 89-Jährigen, die sie über eine Nachbarschaftshilfe betreute, abgehoben – und größtenteils für sich verwendet. Deswegen stand die 66-Jährige vor Kurzem wegen insgesamt 227 Fällen von Untreue in besonders schwerem Fall vor dem Neu-Ulmer Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Thomas Mayer. Das Gericht verurteilte die Neu-Ulmerin, die bereits einschlägig vorbestraft ist, schließlich zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten.

    Bereits seit 2012 war die 66-Jährige als ehrenamtliche Betreuerin bei der 89-Jährigen im Einsatz und unterstützte diese bei alltäglichen Angelegenheiten wie Arztbesuchen, Einkaufen oder Ähnlichem. Nach einem Jahr gab die ältere Frau der Angeklagten die einzige EC-Karte ihres Girokontos, um sich selbst den Gang zur Bank zu ersparen. Die ehrenamtliche Pflegekraft sollte ihr teilweise Bargeld – vereinbart war laut Anklage etwa 500 Euro monatlich – sowie regelmäßig Kontoauszüge mitbringen. Genauere Vereinbarungen gab es aber nicht, dies lag im Ermessen der 66-Jährigen – und diese nutzte ihre Befugnis aus: Immer größere Beträge in immer kürzeren Abständen – so belegen es die Auszüge – verschwanden von dem Konto der 89-Jährigen.

    Die 66-Jährige gab vor Gericht an, das Geld entweder für die von ihr betreute Frau verbraucht oder polnische Hilfskräfte, die sich in den meisten Zeiträumen quasi rund um die Uhr um die Frau und den Haushalt kümmerten, davon bezahlt zu haben. Ebenfalls habe ihr die Frau, mit der sie ebenfalls befreundet gewesen war – das enge Verhältnis war auch den Verwandten der 89-Jährigen bekannt – Geld für ihre Arbeiten gegeben – dafür bekam die Angeklagte jedoch bereits Geld von der Nachbarschaftshilfe. Zuletzt habe ihr die Rentnerin auch einen höheren Betrag geschenkt. Letzteres hielten entfernte Verwandten, mit denen die 89-Jährige noch Kontakt hatte, jedoch für ziemlich unwahrscheinlich. Die ältere Frau war nicht dafür bekannt, großzügig Geld zu verschenken und ihren Verwandten gegenüber habe sie nach Bekanntwerden der Taten auch nie so etwas in der Richtung gesagt.

    Innerhalb weniger Monate waren erneut 15.000 Euro weg

    Aufgefallen war die ganze Sache dem Ehemann der Nichte der Rentnerin. Denn wenn das Geld auf dem Girokonto ausging, musste regelmäßig von Rücklagen wieder Geld auf das Konto überwiesen werden. Im März 2018 wurde das Girokonto der 89-Jährigen, die zudem monatlich 2000 Euro Altersversorgung erhält, deshalb mit 15.000 Euro aufgefüllt – im Juli war das Geld bereits wieder weg. Das nahm der Mann zum Anlass, sich die Kontoauszüge genauer anzusehen – und dabei entdeckte er die großen Abbuchungen.

    Er rief die Nachbarschaftshilfe an, die zuständige Mitarbeiterin war nach eigener Aussage vollkommen entsetzt. Gemeinsam fuhren die beiden wenige Tage später direkt zur Wohnung der 66-Jährigen – und diese habe den beiden dann gesagt, dass sie das Geld wegen ihrer Spielsucht genommen und auch schnell wieder verloren habe. „Sie hat gesagt, sie hat es verzockt“, erklärte der Mann vor Gericht. 2018, auch das habe sie ihm gegenüber damals eingeräumt, habe sie zwischen 7000 bis 8000 Euro für sich behalten, in den vorherigen Jahren 30.000 bis 40.000 Euro.

    Bei der Nachbarschaftshilfe muss seit dem Fall ein erweitertes Führungszeugnis vorgelegt werden

    Die Staatsanwaltschaft forderte eine Haftstrafe von drei Jahren und zehn Monaten, die Verteidigerin der Angeklagten dagegen einen Freispruch. Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Mayer verurteilte die 66-Jährige zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten. Zudem wurde die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 115.500 Euro angeordnet. „Die Hemmung, das Geld der Frau zu nehmen, nahm von Monat zu Monat ab, wenn sie merkte, dass es nicht auffällt“, erklärte Mayer. Er erklärte, dass man nicht nur bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ein erweitertes Führungszeugnis einholen sollte, sondern auch, wenn es um die Betreuung von alten Menschen geht. „Wenn man ein erweitertes Führungszeugnis eingeholt hätte, hätte man die Frau für diese Tätigkeit gar nicht genommen“, so Mayer. Die Nachbarschaftshilfe, bei der die Frau gearbeitet hatte, hat ihre Richtlinie nach Bekanntwerden des Falls bereits sofort geändert – ein erweitertes Führungszeugnis muss jetzt immer vorgelegt werden.

    Der Fall dürfte übrigens bald noch das Landgericht Memmingen beschäftigen: Sowohl die Seite der Angeklagten als auch die Staatsanwaltschaft haben inzwischen Berufung gegen das Urteil eingelegt.

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