Startseite
Icon Pfeil nach unten
Neu-Ulm
Icon Pfeil nach unten

Neu-Ulm: Ausstellung über die Schöpferin des Berlinale-Bären

Neu-Ulm

Ausstellung über die Schöpferin des Berlinale-Bären

    • |
    Die Bildhauerin Renée Sintenis schuf unter anderem das Werk „Springender Bock“. Edwin-Scharff-Museumsleiterin Helga Gutbrod ist dankbar, nach der epidemiebedingten Schließung nun gerade mit dieser Ausstellung beginnen zu können.
    Die Bildhauerin Renée Sintenis schuf unter anderem das Werk „Springender Bock“. Edwin-Scharff-Museumsleiterin Helga Gutbrod ist dankbar, nach der epidemiebedingten Schließung nun gerade mit dieser Ausstellung beginnen zu können. Foto: Dagmar Hub

    Steht man Renée Sintenis’ 1930 entstandener Bronzefigur der sich in einen Lorbeerbaum verwandelnden mythologischen Nymphe Daphne gegenüber, wirkt die Figur so, als befände sie sich in einem Wandlungsprozess, den der Betrachter gleichsam beobachten könnte. Sieht man der Großen Daphne, die das Edwin-Scharff-Museum aus einer Berliner Sammlung entliehen hat, aus der Nähe ins Gesicht, wirken die fast geschlossenen Augen der Figur entrückt, bereits ganz weit weg von dieser Erde: Die „Große Daphne“ spricht den Betrachter an – und erinnert in ihrer schlanken Größe und Entferntheit an die Frau, die sie schuf:

    Renée Sintenis, geboren 1888 als Renate Alice Sintenis und aufgewachsen in Brandenburg, gehörte zu den allerersten Frauen, die sich in der Männerdomäne der Bildhauerei durchsetzen konnten. Als erste Bildhauerin und zweite Frau überhaupt – nach Käthe Kollwitz – wurde sie in die Preußische Akademie der Künste berufen. Aufgewachsen noch in wilhelminischer Zeit, wurde sie zu einer der meistfotografierten Persönlichkeiten der Weimarer Republik. Das lag zum einen daran, dass sie sich – auffallend selbstbewusst, von herber Schönheit und mondän – auch als Werbefigur für Zigaretten und Uhren in Szene zu setzen wusste. Das lag aber auch daran, dass die Bohème-Künstlerin mit ihrem jungenhaften Garcon-Haarschnitt und ihrem Mut, auch mit Krawatte und Reitstiefeln aufzutreten, zum „Gesicht der

    Ausstellung im Edwin-Scharff-Museum ist bis zum 16. August zu sehen

    Sie war mit dem Maler Emil Rudolf Weiß verheiratet, hatte berühmte Förderer und pflegte mit einigen Künstlern wie dem Schriftsteller Joachim Ringelnatz Freundschaften. Aus dem Elternhaus brach sie aus, weil sie eine Ausbildung als Sekretärin wohl nicht ertragen konnte, sondern die Bildhauerei als ihren Weg erkannt hatte. Insgesamt fühlte sich Renée Sintenis zu den Menschen aber wohl zeitlebens weniger stark hingezogen als zu den Tieren. Hunde und Pferde, die sie auch besaß, waren ihr besonders nah – und zwei Drittel der Werke aus Sintenis’ Händen stellen Tiere dar – häufig als Kleinplastiken aus Bronze, in der Anfangszeit ihres Schaffens noch statischer, dann zunehmend in ausdrucksstarker Bewegung wie ungebärdige, spielende Fohlen. Renée Sintenis’ bekannteste Figur, der Berlinale-Bär, der als Trophäe bei den Berliner Filmfestspielen verliehen wird, entstand 1956.

    Das Edwin-Scharff-Museum zeigt in der Schau, die bis zum 16. August zu sehen sein wird, aber gerade auch Skulpturen, aus denen viel über die persönliche Entwicklung der Künstlerin und ihre Beziehungen zu erahnen ist: Hoch interessant sind ihre zu verschiedenen Zeiten zwischen 1916 und zum Ende des Zweiten Weltkrieges entstandenen Selbstporträts, die die Entwicklung von der noch mädchenhaften jungen Frau hin zur müden und hohlwangigen Künstlerin im fragmentarischen Selbstbildnis „Deutschland nach dem Kriege“ nachvollziehen lassen. Eindrucksvoll ist eine Büste, die Joachim Ringelnatz darstellt, und die Leidenschaft Renée Sintenis’ für Männersport spiegelt sich in den bewegt anmutenden Skulpturen unter anderem des berühmten finnischen Läufers Paavo Nurmi, eines Fünfkämpfers, eines Boxers, eines Polospielers und eines Fußballspielers.

    Nach dem Krieg schuf Sintenis antik anmutende Knabenfiguren – arglose Jugendliche, die so ganz anders wirken als die Jugendlichen der NS-Zeit. Über sich selbst sagte Sintenis schon vor dem Zweiten Weltkrieg, dass sie junge Menschen anbete, weil sie so viel Respekt vor dem Leben habe. Edwin-Scharff-Museumsleiterin Helga Gutbrod ist dankbar, nun nach der epidemiebedingten Schließung gerade mit dieser Ausstellung beginnen zu können: Die Sonderausstellung werde „in die zwanzigjährige Geschichte des Edwin-Scharff-Museums eingehen. Sie ist nämlich die erste, die einfach da ist und nicht vorher mit einer Vernissage zur Eröffnung gefeiert wurde“.

    Das könnte Sie auch interessieren:

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden