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Neu-Ulm: Amerikanische Tage: Zurück in die US-Vergangenheit

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Amerikanische Tage: Zurück in die US-Vergangenheit

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    Im Autokino wurde am Samstag der Film Grease gezeigt.
    Im Autokino wurde am Samstag der Film Grease gezeigt. Foto: Oliver Helmstädter

    Popcornduft liegt in der Luft über dem Wileygelände, füllt die Nase und lässt den Magen knurren. Roland Rieger aus Staig produzierte bei den dreitägigen amerikanischen Tagen -mit seinen aus den USA stammenden Geräten den typisch amerikanischen Maissnack und Zuckerwatte, für deren Produktion als Cotton Candy bereits 1897 in den USA ein Patent für ein Gerät angemeldet wurde. Amerika und sein Lebensstil der 50er bis etwa 70er Jahre wurde im Neu-Ulmer Wiley zelebriert - als Hommage an vergangene Zeiten und an den American Way of Life. Trotz des Wetterpechs - bei manchen Akteuren keimt der Wunsch nach einer Neuauflage, und auch dem Publikum gefiel es sehr: Beim Autokino waren alle Plätze voll belegt, und auch an den Streetfood-Essensständen herrschte vor allem am Samstag vor dem Regen Andrang.

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    Die Friedenskirche auf dem Wiley, einst Wiley Chapel genannt, reichte nicht aus, um all die Menschen zu fassen, die am Sonntagvormittag zur Rede des Neu-Ulmer Oberbürgermeisters Gerold Noerenberg und zum Gottesdienst mit Sängerin Siyou Isabelle Ngnoubamdjum und dem Nersinger Gospelchor „Gospel & more“ ins Wiley kommen wollten; beides musste aufgrund des kalten und regnerischen Wetters in die Kirche verlegt und ins Foyer der Kirche übertragen werden. Noerenberg brachte seine persönlichen Kindheitserinnerungen ein an jene Zeiten, als amerikanisches Essen und englischsprachige Schilder in Neu-Ulm etwas Fremdes waren, als es deutsch-amerikanische Freundschaftsfeste gab, als mehrere hundert Ehen zwischen Amerikanern und einheimischen Frauen geschlossen wurden - und die Kontakte zwischen deutschen Neu-Ulmern und den amerikanischen Soldaten dennoch sehr begrenzt waren.

    Ans stacheldrahtumzäunte amerikanische Hoheitsgebiet Wiley in Neu-Ulm erinnerte Noerenberg und an Militärkonvois damals in deutschen Städten. „Das ist eine wichtige Etappe in der Stadtentwicklung Neu-Ulms“, sagte er. Für ihn selbst bleiben der Wiley-Wasserturm und der Wiley Club stets Sinnbilder jeder Zeit, sagte Noerenberg. US-Militärfahrzeuge aus den 60er und 70er Jahren samt Feldküche - nein, samt Kitchen Trailer - und Wassersack konnten sich Neugierige auf dem Wiley-Gelände anschauen.

    Die amerikanische Flagge wehte über den Fahrzeugen und schuf eine verblüffende Ähnlichkeit zu alten Bildern des Geländes, die unter Federführung des Stadtarchivs Neu-Ulm an der Fassade der Hochschule gezeigt wurden. Ob unter den ausgestellten Fahrzeugen auch eines ist, das in Neu-Ulm stand? Das zu recherchieren sei leider nicht möglich, so interessant es wäre, erklärt Bernd Sempfle, Vorstand des Vereins „Military Vehicle Clubs Old Ironsides“, der die historischen Militärfahrzeuge pflegt. Die Fahrzeuge aus der Zeit des Kalten Krieges stammen aus ganz Europa. An den Essenständen übergibt Sandra Ritter gerade frisch gebackene duftende Donuts an eine Kundin. Mit Schoko- oder mit Nutellasauce? Mit einem Marshmallow-Topping, mit Smarties oder mit weißen Schokoladenflocken? Und Roland Rieger wickelt für einen kleinen Jungen namens David eine Portion Zuckerwatte ums Holzstäbchen. Der Junge schaut staunend zu und bewundert die weiß-flockige Riesenmenge, die ihm Rieger reicht. Angst vor zu viel Zucker muss man beim Cotton Candy aber nicht haben, verrät der Zuckerwattehersteller: Für die Portion braucht es gerade einmal einen Teelöffel Zucker. Die Löcher in den Heizspiralen seiner Maschine lassen den erhitzten Zucker zu feinen, klebrigen Fäden werden, die dann aufgewickelt werden.

    Der ehemalige „Tank Commander“ der US-Army wohnt in Neu-Ulm

    Breites US-amerikanisch ist am Samstag auf dem Gelände zu hören. Die ehemaligen Soldaten der US-Armee sind an ihren blauen Baseballcaps mit der goldgelben Aufschrift „Neu-Ulm, Germany“ zu erkennen. Oder an ihren beeindruckenden Uniformen. So wie Charles Courtney, der in den 1950er Jahren „Tank Commander“ in Neu-Ulm war und in der US-Army bis 1971 diente. Der heute 86-jährige blieb Neu-Ulm treu und lebt hier seit 48 Jahren. „Der Liebe wegen“, wie seine Frau, die fünf Jahre jüngere Renate Courtney sagt. Die einzige Frau unter den Ex-US-Soldaten, die am Samstag die Wileys besucht, ist Sara Olivarez.

    Nach ihrer Scheidung kehrte die aus Houston/Texas stammende ehemalige „Nuclear Warhead Expertin“ den USA den Rücken. „Ich wollte einen Neuanfang“, sagt sie. Heute ist die Endfünfzigerin im Bereich Pflege am Ulmer Uniklinikum beschäftigt. Aus ihrer alten Heimat vermisse sie eigentlich nichts. Nur manchmal störe es sie, dass nach der Spätschicht am Krankenhaus alle Geschäfte geschlossen sind. Und wenn sie doch mal Heimweh nach den USA hat, gibt es ja noch den Verein „Donau Americans & Friends“. Der trifft sich regelmäßig stilecht auf ehemaligen Kasernengelände im Neu-Ulmer Edison-Café.

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