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Neu-Ulm: Als ein Fußweg nach Amerika führte

Neu-Ulm

Als ein Fußweg nach Amerika führte

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    Dieses Bild hängt im frisch renovierten Wiley-Club im Eingangsbereich und erinnert an die Zeit als der Treff US-amerikanischen Unteroffizieren („Non-Commissioned Officers“) vorbehalten war.
    Dieses Bild hängt im frisch renovierten Wiley-Club im Eingangsbereich und erinnert an die Zeit als der Treff US-amerikanischen Unteroffizieren („Non-Commissioned Officers“) vorbehalten war.

    Es war einmal eine Zeit, in der die Wiley-Barracks ein Sehnsuchtsort waren. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten direkt vor der Haustür – Amerika zum Greifen nah. Zumindest unter Heranwachsenden, bei denen die Begeisterung für Baskin-Robbins-Eiscreme, Cadillacs und Baseball die Furcht vor Krieg und Atomraketen überlagerte. Die Reise von Neu-Ulmer in das schwäbische Stückchen USA war nicht einfach. Ein „Visitor Pass“ musste her. An den kam man nur durch Kontakte mit einem der beim Höchststand 8000 Neu-Ulmer US-Bürgern. Nicht jeder Dienstgrad durfte eine Einladung aussprechen. Jeder „Fremde“ wurde wurde am schwer gesicherten Eingangstor „Wiley Süd“ gemustert – „interviewed“ – hieß es bis 1991, dem Jahr des Abzugs. Das Pförtnerhäuschen steht noch heute. Und passenderweise heißt der Treff darin „Die Wache“. Die Welt dahinter war vor Jahrzehnten eine andere, eine amerikanische. Wenige Meter hinter den Männern mit Maschinengewehren, wurden gleich erste US-Klischees war. Chromblitzende US-Autos der Marken Cadillac, Buick oder Oldsmobile parkten vor der Eisdiele des US-Giganten Baskin-Robbins.

    Dazu: So feiert Neu-Ulm das US-Erbe

    Dort, wo heute die Hochschule Neu-Ulm steht, gab es Ende der 1980er schon Sorten wie Brownie-Dough oder Cookies-and-Cream als in Ulm oder Neu-Ulm Stracciatella als besonders galt. Begehrt waren die Besuche in den beiden Läden der „Army & Air Force Exchange Service“, abgekürzt AAFES. Die kleinere von zwei der auch „PX“ für Post Exchange, genannten Filialen lag zwischen Baskin-Robbin und der Arts-and-Crafts-Halle. Das Veranstaltungszentrum der US-Armee hatte noch Jahre nach dem Abzug der Truppen bestand. Bekannte Bands wie die Ärzte oder Motörhead spielten hier, als die Amis wieder zu Hause waren. Und der PX längst zu. Doch Shoppingtouren von Deutschen im PX waren wohl noch rarer als

    Von US-Kaugummis über Dr-Pepper-Limonaden bis hin zu Steaks oder Hackfleisch

    Damit die Soldaten sich auch wie in den USA fühlten, wurde alles, wirklich alles, aus den USA importiert. Von Kaugummis über Dr-Pepper-Limonaden bis hin zu Steaks oder Hackfleisch. Wer mit Angehörigen der Armee befreundet war, konnte sich unter Umständen Waren mitbringen lassen. Begehrt waren US-Sportartikel, wie Football-Jacken der Marke Starter, die es nur im PX am Allgäuer Ring gab, in dem zuletzt das Bowling-Center untergebracht war. Allerdings musste hierfür ein Vertrauensverhältnis zwischen dem „schmuggelnden“ Armee-Angehörigen und dem Deutschen bestanden haben. Denn schließlich machte sich der Soldat rein rechtlich der Beihilfe zur Steuerhinterziehung schuldig, wenn er Waren für Nicht-Armee-Angehörige dort kaufte. Umso begehrter waren diese in Ulm und Neu-Ulm.

    Das lebendigste Beispiel US-amerikanischer Alltagskultur in Wiley ist 28 Jahre nach dem Truppenabzug der frisch renovierte Wiley-Club. Das 1952 errichtete Gebäude, galt in den 1950ern als revolutionär. So etwas wie eine tiefergelegte Tanzfläche oder einen lichtdurchfluteten Raum mit Fenstern von der Decke bis zum Boden hatte die Region noch nicht gesehen. Vieles ist heute noch im Original erhalten, wie der Neu-Ulmer Architekt Heru Sidharta erklärt, der erst kürzlich die Generalsanierung des Gebäudes abschloss. „Wir haben erhalten was geht“, sagt Sidharta. Und das geht weit über die 18 Meter lange Edelstahl-Theke inklusive der US-Diner-Barhocker hinaus. Die Türen mit den typisch amerikanischen „Kick-Plates“, den Fußtrittplatten, sind echt. Und auch der Parkettboden, die Ventilatoren an den Decken sowie die Holzlamellen an den Wänden atmen US-Club-Atomsphäre. Die Einteilung des zentralen Raumes vor der Bar lässt erahnen, in welcher Zeit der Club gebaut wurde: Auf der einen Seite saßen die Schwarzen auf der anderen die Weißen. „Das ist traurig“, sagt der Architekt über eine architektonisch geführte Rassentrennung.

    Nach Rassen getrennt im Wiley-Club. Hip-Hop im Cheers

    Für rauschende Feste von Unteroffizieren war der Wiley-Club in der US-Zeit bekannt. Noch rauschender ging es außerhalb des Kasernengeländes zu. Als im Sog von Künstlern wie Grandmaster Flash Hip-Hop massentauglich wurde, entwickelte sich in den späten 1980er das „Cheers“, eine Kneipe in der Memminger Straße zu einem berühmt berüchtigten Treff der Szene. Alkohol floss mehr als verträglich. Dennoch war Hip-Hop hier lange vor dem Auftauchen der Fantastischen Vier durch spontane Konzerte der GIs lebendig. Die US-Boys and Girls, die mehr auf Rock und Country standen, soffen lieber im „High Noon“ in der Reuttier Straße.

    Burger King war eine Attraktion

    Keinen Alkohol gab es hingegen im Burger King innerhalb der Kaserne unweit der Arts-and-Crafts-Halle. Was der Zugkraft aus deutscher Sicht keinen Abbruch tat: Der Doppel-Whopper war hierzulande in den 1980ern noch weitgehend unbekannt und einefrei zugängliche Limonadenzapfanlage lag außerhalb jeder Vorstellungskraft. Genauso wie die gigantischen Truthähne der Marke Butterball: Diese bis weit über zehn Kilogramm schweren, eingefrorenen Tiere entwickelten sich alle Jahre wieder rund um den US-Feiertag Thanksgiving zu einem begehrten Geschenk der US-Armee an Deutsche. Menschen ohne US-Bezug zu US-Soldaten oder den „Deutsch amerikanischen Freundschaftsverein“ in Neu-Ulm durften zumindest in unregelmäßigen Abständen beim „Volksfest der Deutsch-Amerikanischen Freundschaftswoche“ ab und an Turkey-Sandwich oder US-Burger probieren. Doch

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