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Musik: Lied-Konzerte im Theater Ulm: Die Sänger kehren auf die Bühne zurück

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Lied-Konzerte im Theater Ulm: Die Sänger kehren auf die Bühne zurück

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    Dieses Trio trumpfte auf mit Gustav Mahlers „Lied von der Erde“: Der Kapellmeister und Pianist Levente Török, der Bariton Dae-Hee Shin und der Tenor Markus Francke  (von links) brachten beim „Zwischenspiel“ den großen sinfonischen Liederzyklus auf die kleine Bühne.
    Dieses Trio trumpfte auf mit Gustav Mahlers „Lied von der Erde“: Der Kapellmeister und Pianist Levente Török, der Bariton Dae-Hee Shin und der Tenor Markus Francke (von links) brachten beim „Zwischenspiel“ den großen sinfonischen Liederzyklus auf die kleine Bühne. Foto: Veronika Lintner

    Was haben Georg Friedrich Händel und Edith Piaf gemein? Nichts – könnte man meinen. Die beiden trennen Jahrhunderte, Welten, Gattungen und der uralte Graben zwischen Ernst und Unterhaltung. Der Weg von hier nach da ist weit. Aber die Sopranistin Maria Rosendorfsky hat sich am Sonntag auf diesen Weg gewagt. Sie sang im Foyer des Theaters Ulm Lieder der Sehnsucht, vom Barock bis zum modernen Chanson. Es war ein gelungenes, schlankes Vorspiel zum mächtigen zweiten Lieder-Reigen, der noch am selben Tag folgte: Gustav Mahlers „Lied von der Erde“. Dieses Konzert geriet zum vorläufigen Höhepunkt des „Zwischenspiels“, dem Sommerprogramm am Theater Ulm.

    Von Barock bis Moderne

    Aus dem Nirgendwo erklingt eine Arie im Forum des Theaters. Maria Rosendorfsky singt herab von der Galerie, versonnen und in Trauer, die Barock-Arie „When I am laid in earth“. Es ist das große Lamento aus Henry Purcells „Dido und Aeneas“. Dann, auf der Bühne, folgen Melodien eines weiteren Barock-Meisters, Georg Friedrich Händel. Sanft und bedacht, mit klarer Stimme, interpretiert die Sopranistin Arien aus dem Oratorium „Solomon“. Generalmusikdirektor Timo Handschuh begleitet sie einfühlsam am Klavier.

    Der Weg der Sehnsucht führt weiter über Mörike-Gedichtvertonungen von Hugo Wolf und Lieder von Richard Strauss, hinein in die kantigen, komplexen Klang-Gefilde der Spätromantik und Moderne. Eine Brücke schlagen dann die Lieder von Astor Piazzolla: auch melancholisch-sehnsuchtsvoll – aber tanzbar und voll Temperament. Den Argentinier kennt und liebt man für seine konzertanten Tangos. „Yo soy Maria“, singt Maria Rosendorfsky, mit Leichtigkeit und Spiellaune.

    Rosendorfskys Stimme glänzt vor allem, sobald sie tief in den Text der Lieder eintaucht – in dieser Matinee singt sie deutsch, englisch, spanisch und französisch: „Non, je ne regrette rien“ und „La vie en rose“ – das Publikum ist merklich begeistert, als Rosendorfsky am Ende diese geliebten Chansons von Edith Piaf singt. Eine Zugabe gibt es zwar nicht. Dafür beweist die gebürtige Wienerin, die vor der Corona-Pause als „Csardasfürstin“ in Ulm auftrumpfte, ihren Instinkt für Humor: Sie stülpt sich eine Schutz-Maske über, die ihr ganzes Gesicht umhüllt – und versucht nach Leibeskräften hinter Plexiglas zu singen. Der Pianist, Timo Handschuh streift sich Schutzhandschuhe über. Corona-Satire.

    Gustav Mahler im Kammermusik-Format

    Handschuh hatte sich viel vorgenommen für die Spielzeit 2020/2021: Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 2 wollte er dirigieren, mit Chor und gigantischem Orchester. Das Programm fällt vorerst flach. Doch Mahler gibt es auch im Kammermusik-Format.

    1909, in einer Zeit der persönlichen Schicksalsschläge, und als er sich zu lösen begann von alten Konventionen der Musik, Dur und Moll, da schrieb Gustav Mahler das „Lied von der Erde“. Wort und Musik greifen hier macht- und geheimnisvoll ineinander. Sechs Lieder erzählen von der Liebe zur Natur und dem Leben – doch nie blickt man so ganz auf den Grund dieses Rätsel-Werks. Glaube, Leben, Tod: Wenn Mahler komponierte, dann intim und persönlich. Hier aber, in seinem sinfonischen Liederzyklus, klingen weder die typischen Marsch-Klänge seiner böhmischen Heimat an noch jüdische Melodien seiner Kindheit. Es sind Gedichte. Und nicht einmal aus der deutschsprachigen Romantik, sondern aus China. Übersetzt. Mahler vertont die Gedichtsammlung "Die chinesische Flöte" von Hans Bethge.

    Unterschiedliche Sänger, ein Marathon am Klavier und ein imposantes Ende

    Zwei unterschiedliche Sänger-Typen singen dieses Werk auf der Bühne des Foyers: Der Tenor Markus Francke, seit 2018 am Theater Ulm, stürzt sich bedingungslos in die Textarbeit: Er singt von Lebenslust und Todesahnung – und Mimik und Körpersprache erzählen die Geschichte mit. In lauten Höhen schmettert Franckes Stimme mit voller Strahlkraft, in feinen, stillen Momenten scheint sie fast zu verschwinden – und bleibt doch sicher. Im fünften Lied schlüpft Francke in die Rolle eines Trinkers, taumelnd zwischen Verdruss und Lust: „Wenn nur ein Traum das Leben ist, warum denn Müh und Plag, ich trinke, bis ich nicht mehr kann, den ganzen, lieben Tag!“ Den tiefen Blick ins Weinglas übersetzt Mahler in expressionistische Klangwehmut.

    Es liegt nicht allein am Fach, daran, dass Dae-Hee Shin ein Bariton ist. Er ist ein anderer Typus Sänger als Francke: Mit Tragweite und Volumen, Ruhe und enormer Wärme überzeugt seine Stimme. Im langen letzten Lied, „Der Abschied“, nimmt sich Mahler alle Zeit der Welt und Shin kostet das aus. „Ewig“ singt er, wie ein Hauch erklingt das Motiv des Abschieds. Danach herrscht Stille. Lange Sekunden.

    Während Francke und Shin sich abwechseln, ist das „Lied von der Erde“ auch ein Marathon für den Mann am Flügel, Kapellmeister Levente Török: Er schöpft, nimmermüde, alles aus den Tasten. So erlebte das Publikum im ganz kleinen Rahme einen Liederzyklus für zwei Stimmen und Klavier – der aber so stark, groß und eindrücklich nachhallt wie eine wuchtvolle Sinfonie.

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