Startseite
Icon Pfeil nach unten
Neu-Ulm
Icon Pfeil nach unten

Memmingen/Neu-Ulm: Mit einer Spezialeinheit gegen internationale Verbrecherbanden

Memmingen/Neu-Ulm

Mit einer Spezialeinheit gegen internationale Verbrecherbanden

    • |
    In diesen Bananenkisten in einer Reifehalle von Fruchthof Nagel war rund eine halbe Tonne Kokain versteckt. Sechs Männer müssen sich wegen Drogenschmuggels von Donnerstag an vor Gericht verantworten.
    In diesen Bananenkisten in einer Reifehalle von Fruchthof Nagel war rund eine halbe Tonne Kokain versteckt. Sechs Männer müssen sich wegen Drogenschmuggels von Donnerstag an vor Gericht verantworten. Foto: Bayerisches Landeskriminalamt/dpa (Archivfoto)

    Eine neue Spezialeinheit der Staatsanwaltschaft Memmingen soll grenzüberschreitende organisierte Kriminalität effektiver bekämpfen. „Wir wollen nicht nur an die kleinen Fische, sondern auch die Hintermänner und die Strukturen“, sagt Bayerns Justizminister Georg Eisenreich in einem Telefonat mit unserer Redaktion – die geplante Pressekonferenz war wegen gestiegener Corona-Fallzahlen in Memmingen kurzfristig abgesagt worden.

    Es geht um Schleuser, Drogenhändler und Waffenschmuggler, aber auch Callcenter-Betrug. „Wichtig ist vor allem der persönliche Kontakt, er soll alles schneller und leichter machen“, beschreibt Thorsten Thamm. Der Staatsanwalt als Gruppenleiter ist Leiter der neuen Memminger Abteilung, die enge Beziehungen zu den Ermittlern in den Nachbarländern pflegen soll. Thamm und fünf Kollegen haben ihre Arbeit nach dem „Traunsteiner Modell“ Anfang Oktober aufgenommen, mit dem bayerische Staatsanwälte in vier anderen Städten bereits gute Erfahrungen gemacht haben.

    Staatsanwaltschaft Memmingen setzt auf "Traunsteiner Modell"

    Betrügerische Anrufer bringen vor allem Senioren immer wieder um hohe Geldbeträge. Weil Anrufer und vor allem Drahtzieher oft in anderen Ländern sitzen, sind die Ermittlungen meist zäh und schwierig. Durch den Allgäu Airport ist die Staatsanwaltschaft Memmingen auch für eine Außengrenze des Schengen-Raums zuständig. Die Memminger Staatsanwälte waren hier beispielsweise gefragt, wenn Ukrainer mit falschen Touristen-Visa einreisten und dann arbeiteten, ohne dass Sozialleistungen bezahlt wurden. „Da steht auch immer jemand dahinter“, sagt Thamm.

    Und dann sind da noch die großen, aufsehenerregenden Fälle: Fünf Männer, die kiloweise Kokain und das Narkosemittel Ketamin in Lastwagen versteckt zwischen Eis und Süßigkeiten aus Belgien und den Niederlanden nach England gebracht haben, sind im August 2018 vom Landgericht Memmingen zu teils langen Haftstrafen verurteilt worden. Zwei der Täter lebten im Kreis Neu-Ulm. Von Donnerstag an müssen sich sechs Männer in einem weiteren großen Prozess vor dem Memminger Landgericht verantworten: Sie sollen fast 500 Kilo Kokain in Bananenkisten geschmuggelt haben. Ahnungslose Mitarbeiter fanden die Drogen zufällig bei einer Stichprobe in einem Lager von Fruchthof Nagel in Neu-Ulm.

    Fast 500 Kilo Kokain in Bananenkisten in Neu-Ulm gefunden

    Fälle dieser Art werden künftig von der Spezialabteilung der Memminger Staatsanwaltschaft übernommen. Man habe schon vorher erfolgreich in Fällen internationaler Kriminalität ermittelt, betont CSU-Politiker Eisenreich. Aber die Welt werde immer digitaler und immer vernetzter, internationale Kriminalität sei Daueraufgabe und wachsendes Problem zugleich. „Die Kriminalität macht nicht an Landesgrenzen halt“, formuliert Eisenreich. Ein Problem, das jetzt von Spezialisten bekämpft werden solle.

    Im oberbayerischen Traunstein ist eine solche Spezialabteilung im August als Pilotversuch eingeführt worden. Die Arbeit der Spezialisten zur internationalen Verbrechensbekämpfung bezeichnet der Justizminister als sehr erfolgreich. Die Staatsanwaltschaft Memmingen ist nach Landshut, Kempten und Regensburg nun die, bei der das Modell eingeführt wird. Als nächstes, so Eisenreich, sei die Staatsanwaltschaft Amberg an der Reihe. „Die innerbayerische und innerdeutsche Zusammenarbeit, vor allem aber die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern und europäischen Institutionen wird immer wichtiger“, sagt der Minister. Dafür gebe es nun Spezialisten. Und die Arbeit der bisherigen Einheiten zeige die Bedeutung direkter Kontakte: „Es ist etwas anderes, ob man eine E-Mail an eine Behörde schreibt oder ob man sich schon einmal persönlich getroffen hat“, beschreibt Eisenreich.

    Staatsanwaltschaft Memmingen will internationale organisierte Kriminalität besser bekämpfen

    Thorsten Thamm von der Memminger Staatsanwaltschaft tauscht sich bereits mit seinem Kemptener Kollegen aus, demnächst steht ein Besuch in Traunstein auf dem Programm: „Die Kollegen dort haben die längste Erfahrung.“ Thamm und seine Kollegen sollen vor allem zu Ermittlern und Strafverfolgern in Österreich, Schweiz und Liechtenstein Kontakte aufbauen und die internationale Zusammenarbeit zwischen den Behörden auf diesem Weg verbessern und beschleunigen. Eine neue Stelle ist in Memmingen für die neue Abteilung geschaffen worden, die übrigen fünf Staatsanwälte kommen im Zuge einer Umstrukturierung der Behörde aus anderen Abteilungen. Neben den Schwerpunkten Schleuserkriminalität, Callcenter-Betrug, Waffendelikte und Rauschgiftverbrechen ist die Abteilung auch für Rechtshilfe verantwortlich. „Wenn ein großes Drogenverfahren mit mehreren internationalen Bezügen läuft, macht das viel Arbeit“, sagt Thamm. Was seine Kollegen und ihn am stärksten beschäftigen werde, lasse sich aber noch nicht abschätzen.

    Lesen Sie auch:

    Geiselnahme-Prozess: Günzburger BKH-Patient stand unter besonderer Beobachtung

    Prozess in Neu-Ulm: Rentner aus Kreis Günzburg bestiehlt blinden Freund

    Haben fünf Männer ein Mädchen mit Ecstasy gefügig gemacht?

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden