Startseite
Icon Pfeil nach unten
Neu-Ulm
Icon Pfeil nach unten

Legionellen: Donaucenter in Neu-Ulm: Seit einem Jahr ist Duschen verboten

Legionellen

Donaucenter in Neu-Ulm: Seit einem Jahr ist Duschen verboten

    • |
    Das Donaucenter mit etwa 300 Eigentumswohnungen ist in den 1970er Jahren errichtet worden. Damals galt der 17 Stockwerke hohe „Koloss von Neu-Ulm“ als Wahrzeichen einer selbstbewussten Stadt.
    Das Donaucenter mit etwa 300 Eigentumswohnungen ist in den 1970er Jahren errichtet worden. Damals galt der 17 Stockwerke hohe „Koloss von Neu-Ulm“ als Wahrzeichen einer selbstbewussten Stadt. Foto: Alexander Kaya

    Heute ist seine Dusche kaputt, sagt der Mann im Aufzug nach oben. Er seufzt und lächelt dabei. Er weiß, wie ironisch das klingt. Denn eigentlich dürfte er sowieso nicht duschen. Und das seit über einem Jahr. So lange sitzen die Legionellen schon in den Leitungen von Neu-Ulms größtem Gebäude fest. Der Öffentliche Gesundheitsdienst des Landratsamtes sprach damals das Duschverbot aus – ausgerechnet in dem Bauwerk, das einst als Neu-Ulms Aushängeschild galt und als „pulsierendes Stück Innenstadt“ beworben wurde.

    Donaucenter: Keine der 300 Duschen darf benutzt werden

    Das Gebäude hat 17 Stockwerke mit etwa 300 Eigentumswohnungen. Eigentlich darf keine der etwa 300 Duschen benutzt werden. Das Landratsamt sprach im November 2012 von einer Legionellenbelastung von über 15 000 KbE (Kolonien bildende Einheiten). Bei solchen Zahlen spreche man von einer extrem hohen Kontamination, die sofortige Maßnahmen erfordere, hieß es.

    Das sind Legionellen

    Legionellen sind Bakterien, die natürlicherweise im Süßwasser vorkommen.

    Sie können sich beispielsweise in Duschen, Whirlpools oder in Klimaanlagen vermehren.

    Zu einer Erkrankung bei Menschen kann das Einatmen von bakterienhaltigem Wasser in Form feinster Tröpfchen führen.

    Legionellen können sowohl eine schwere Lungenentzündung (die sogenannte Legionärskrankheit) als auch das Pontiacfieber, eine grippeähnliche Erkrankung, verursachen.

    Erstmals wurden Legionellen im Juli 1976 im Bellevue-Stanfort Hotel in Philadelphia gefunden. Dort erkrankten beim 58. Kongress amerikanischer Ex-Soldaten (American Legion) 180 Delegierte, 29 starben.

    Von sofortigen Maßnahmen kann heute, nach über einem Jahr Duschverbot, nicht mehr die Rede sein. Ein Ingenieurbüro begann im Juli, den Koloss zu analysieren und Lösungen zu erarbeiten. Das Thema Donaucenter sei sehr komplex, sagt die Geschäftsführerin des Ingenieurbüros, Claudia Nölting. „Aber es ist lange nicht das einzige Gebäude mit einem Duschverbot.“

    Donaucenter war wegen Lage so beliebt

    Vor allem wegen der perfekten Lage war das Donaucenter so beliebt bei den Eigentümern. „Sehen Sie doch mal nach draußen“, sagt Halvor Jäger. Er steht von seinem Sessel auf und geht zum Fenster. Seine 100-Quadratmeter-Wohnung liegt im obersten Stockwerk des Donaucenters. Sie hat zwei Balkone und eine Terrasse. In drei Himmelsrichtungen kann man von dort aus blicken. Jäger schaut nach unten zur

    Duschverbot ignorieren

    Jäger hält sich nicht an das Verbot des Landratsamtes. „Ich lasse meine Dusche zehn Minuten laufen, bevor ich mich wasche“, sagt der 68-Jährige. Täglich werde im Haus über die Legionellen-Situation gesprochen. Ihn störe nicht nur das Duschverbot an sich, sondern vor allem die Art, wie damit umgegangen wurde und immer noch wird: „Es kann doch nicht sein, dass es ein Jahr dauert, bis eine Lösung im

    Einen Sündenbock im Donaucenter-Dilemma zu finden, ist nicht einfach. Jäger wagt es trotzdem: „Der Verwaltungsrat hätte eingreifen müssen. Und das viel früher.“ Er nimmt sogar das Wort „Neuwahl“ in den Mund. Doch bei der jüngsten Eigentümerversammlung habe der Verwaltungsrat wieder 85 Prozent der Stimmen bekommen. Seine Nachbarn, die anderen Eigentümer, suchen den Sündenbock lieber woanders, sagt Jäger. „Die Öffentlichkeit ist ihrer Meinung nach schuld an allem. Die Meldungen in der Presse. Das ist völliger Quatsch.“

    Er ist einer der wenigen, die offen über die Zustände in der Betonburg sprechen. Die anderen blocken sofort ab. Jägers Blick schweift hinüber zum Münster. Wie Kontrahenten stehen sich die 600 Jahre alte Kirche und das Donaucenter gegenüber. Betonklotz an der Donau oder Koloss von Neu-Um wird das Hochhaus auch genannt. Das, was einst ein Wahrzeichen sein sollte, ist heute irgendwie eine tragische Figur in bester Stadtlage. Viele Ulmer und Neu-Ulmer blicken geradezu verächtlich auf den in den 70er Jahren erbauten Koloss.

    Bordell zog ein - Ruf ruiniert

    In der Zeit seiner Errichtung kam es im Januar 1974 zum Baustopp, weil das Bauunternehmen pleiteging. Letztlich wurden die knapp 300 Eigentumswohnungen um 30 Prozent teurer als vorgesehen. Vollkommen ruiniert war der Ruf des Donaucenters, als für kurze Zeit in den 90ern ein Bordell einzog, das aber unter lautstarkem Protest der Mietervereinigung wieder ausziehen musste. Das ist längst vergangen. Doch der Imageschaden blieb.

    Vom schlechten Image weiß auch Ulrich Seitz. Er ist Stadtrat in Neu-Ulm und Vorsitzender des „Historischen Vereins“. Seine Leidenschaft sind Gebäude und Stadtplanungen aller Art in

    Seither hat er die Entwicklung der Stadt Neu-Ulm genau beobachtet. In den 70er Jahren wollte Neu-Ulm zeigen: „Wir sind au’ wer“, sagt Seitz. Auch das Donaucenter sei aus diesem Selbstbewusstsein heraus entstanden. Das sei ein wichtiger Faktor im Legionellen-Drama von heute: „Nach Standard der 70er Jahre war das Donaucenter eine Meisterleistung. Dass die Technik heute eine andere ist, wusste man damals noch nicht“, sagt Seitz.

    Verzinkte Stahlrohre für Leitungen verwendet

    Auch die Geschäftsführerin des Ingenieurbüros, das sich des Problems Donaucenter angenommen hat, bestätigt das. In den 70er und 80er Jahren seien viele Gebäude nach dem gleichen Muster gebaut worden: „Damals hat kein Mensch an Trinkwasserhygiene gedacht“, sagt Nölting. Nach damaligem Stand der Technik seien auch die Netze gebaut worden. Die Schwierigkeit am Donaucenter – wie auch bei anderen Gebäuden mit demselben Problem – sei unter anderem, dass für die Leitungen verzinkte Stahlrohre verwendet wurden. Wegen der Pyramidenform des Gebäudes werde das Wasser auch nicht gerade nach oben geleitet, sondern durch viele Querverzüge. Eine Sanierung sei daher schwieriger als bei anderen Gebäuden. „Aber es ist nicht unmöglich“, sagt Nölting.

    Verantwortlich für Legionellen seien oft die Eigentümer

    Über Jahre hinweg sei außerdem zu wenig für die Instandhaltung der Trinkwassernetze getan worden. Auch deshalb sei das Ausmaß des Schadens nun so groß. „Verantwortlich für die Probleme in Anlagen mit Legionellenbefall sind häufig die Eigentümer. Sie hätten die Korrosion mit Schutzbehandlungen verlangsamen können“, sagt Nölting. Das wäre zwar ebenfalls teuer gewesen, hätte aber möglicherweise ein so lange andauerndes Duschverbot verhindert.

    Anfang nächsten Jahres soll das Donaucenter nun für etwa 500 000 Euro saniert werden. Das beschlossen die Wohnungseigentümer in ihrer jüngsten Sitzung vor zwei Wochen. In einer schriftlichen Stellungnahme äußert sich der Verwaltungsrat zur Donaucenter-Debatte: Das Rohrleitungssystem müsse nicht grundlegend ausgetauscht werden, heißt es. Eine sogenannte Ultrafiltrationsanlage soll das „Nährstoffangebot für Legionellen maßgeblich verringern“. Ob das nicht schon vor einem Jahr geholfen hätte?

    Den Bewohnern ist das jetzt egal. Sie sehen der Sanierung entgegen. Eigentümer Halvor Jäger sagt, er habe die Entscheidung, im Donaucenter zu leben, nie bereut.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden