Startseite
Icon Pfeil nach unten
Neu-Ulm
Icon Pfeil nach unten

Landkreis Neu-Ulm: Viele haben jetzt Angst um ihren Job und suchen Trost und Hilfe

Landkreis Neu-Ulm

Viele haben jetzt Angst um ihren Job und suchen Trost und Hilfe

    • |
    Viele Menschen wählen jetzt die Nummer der Telefonseelsorge. Was in Zeiten der Coronakrise häufig zur Sprache kommt, ist die Angst um den Arbeitsplatz.
    Viele Menschen wählen jetzt die Nummer der Telefonseelsorge. Was in Zeiten der Coronakrise häufig zur Sprache kommt, ist die Angst um den Arbeitsplatz. Foto: Angela Häusler

    Angst vor Ansteckung, Sorge um Familie und Job sowie ungewisse Zukunftsaussichten machen in Zeiten der Coronakrise vielen Menschen zu schaffen. Das zeigt sich auch bei der Telefonseelsorge: „Corona ist in jedem zweiten Gespräch ein Thema“, berichtet Renate Breitinger, Leiterin der Telefonseelsorge Ulm/Neu-Ulm.

    Lesern Sie auch: Fünf Tipps zur Corona-Krise für die Psyche

    Zwar riefen die Meisten nicht unbedingt wegen Corona an, doch im Lauf der Gespräche rücke die unsichere Situation oft in den Fokus. Kein Wunder, schließlich gibt es kaum einen Lebensbereich, der von dieser Entwicklung unbeeinflusst bleibt. Die Mitarbeiter der Seelsorge haben also viel zu tun.

    „Bei den Anrufen spüren wir schon einen Anstieg, haben wir aber nur eine bestimmte Kapazität zur Verfügung“, so Breitinger, „und können da auch nicht aufstocken“. In der Ulmer Geschäftsstelle kann auf maximal zwei Telefonleitungen gleichzeitig angerufen werden, ein Team aus rund 80 speziell ausgebildeten Ehrenamtlern hört den Menschen zu und berät sie. Doppelt besetzt ist die Telefonseelsorge in den Abendstunden, tagsüber reicht ein Mitarbeiter aus. Dienst tun die speziell geschulten Ehrenamtler jeweils vier Stunden lang – auch nachts. Renate Breitinger und Dr. Stefan Plöger leiten die Einrichtung gemeinsam.

    Lesen Sie auch: Einsamkeit und Angst vor Corona: Telefonseelsorger haben viel zu tun

    Viele Anrufer machten sich jetzt Sorgen um ihren Arbeitsplatz, aber oft gehe es auch um das Zusammenleben in der Familie. „Es sind Ängste da, weil man sehr eng auf einander sitzt“, erzählt Breitinger. Zudem rufen nun auch Menschen an, die normalerweise beim Arbeiten wären, und denen ohne die Kollegen Sozialkontakte fehlen: „Manche sind froh, einfach nur mit jemandem reden zu können“.

    Lesen Sie auch: Psychiater über Corona-Krise: "Bleiben Sie ruhig!"

    Das gelte insbesondere für Menschen, die ohnehin nur wenige Kontakte haben, etwa weil sie psychisch krank sind. Gerade Frauen und Männern mit vielen Ängsten falle es schwer, die aktuelle Situation einzuordnen, sie empfänden die Lage als allgemeine Bedrohung. Dazu kommt, dass die Hilfsangebote, in die sie normalerweise eingebunden sind, derzeit ohne direkten Kontakt ablaufen, „und daher bricht für viele das Sicherheitsempfinden weg“, so die Diplom-Sozialpädagogin.

    Menschen, die im Alltag Assistenz etwa zur Pflege brauchen, äußern jetzt die Befürchtung, dass wegen Corona ihre Helfer kündigen könnten oder der Pflegedienst die Arbeit einstellt. Andere Anrufer machen sich etwa Sorgen, weil der Ehepartner im Seniorenheim derzeit nicht besucht werden darf.

    Lesen Sie auch: Hier gibt's Hilfe in der Corona-Krise

    Weil das Angebot der Seelsorge anonym ist, sprechen viele Menschen dort zum allerersten Mal über ihre Nöte, berichtet Breitinger, und sie bringen dabei auch Probleme auf den Tisch, über die sie in ihrem Umfeld nicht reden wollen.

    Die Berater, die vor Beginn ihrer Tätigkeit eine jeweils 100-stündige Ausbildung absolviert haben, seien geübt im Umgang mit Menschen in Krisensituationen, sagt Breitinger. Damit bewältigen sie auch die jetzige Lage. Die Ehrenamtler helfen manchen Ratsuchenden durch bloßes Zuhören, andere wiederum versuchen sie gezielt zu stärken. Etwa, indem sie die Menschen ermutigen, telefonisch Kontakte zu Bekannten zu suchen, um über die Situation zu reden. Oder indem sie Mutlose daran erinnern, dass und auf welchen Wegen sie schon andere Krisen in ihrem Leben überstanden haben.

    Der Tag braucht auch in der Coronakrise Struktur

    Hilfreich sei es, dem Tag auch ohne Arbeit und Freizeitunternehmungen eine Struktur zu geben, mit Tätigkeiten und festen Essenszeiten, sagt Breitinger: „Man sollte die Zeit nicht planlos vor sich hinziehen lassen, sondern etwas Praktisches tun, vielleicht auch Dinge, die man schon lange einmal machen wollte. Das lenkt vom Grübeln ab“.

    Die Telefonseelsorge Ulm/Neu-Ulm ist für die Städte Ulm und Neu-Ulm, die Landkreise Alb-Donau, Neu-Ulm, Heidenheim, Ostalb und Teile des Landkreises Günzburg zuständig – rund eine Million Einwohner leben in diesem Gebiet. Beraten wird nicht nur am Telefon, sondern auch per E-Mail und Chat. Zu den häufigsten Themen in den Beratungen gehören psychische Erkrankungen, Einsamkeit, körperliche Beschwerden, depressive Verstimmungen und Familienfragen. Finanziert wird die Telefonseelsorge von den Kirchen sowie Landkreisen, Kommunen und von Spendern.

    Info Im Herbst startet ein neuer Ausbildungskurs für Helfer. Nähere Informationen gibt es unter 0731/69883 www. telefonseelsorge-ulm.de.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden