Startseite
Icon Pfeil nach unten
Neu-Ulm
Icon Pfeil nach unten

Landkreis Neu-Ulm/Ulm: Familienrichter in Neu-Ulm: Wie getrennte Eltern ihren Kindern schaden

Landkreis Neu-Ulm/Ulm

Familienrichter in Neu-Ulm: Wie getrennte Eltern ihren Kindern schaden

    • |
    Streit um die Kinder landet oft vor Gericht: Wieso es zwischen Eltern oft so weit kommt, hat uns ein Familienrichter aus Neu-Ulm erklärt.
    Streit um die Kinder landet oft vor Gericht: Wieso es zwischen Eltern oft so weit kommt, hat uns ein Familienrichter aus Neu-Ulm erklärt. Foto: Rainer Jensen, dpa (Symbolfoto)

    Egoismus, gekränkter Stolz, der neue Partner oder absichtliches Sturstellen. Wenn der eine Elternteil dem anderen nach der Trennung den Umgang zum gemeinsamen Kind verwehrt, kann das viele Gründe haben. Betroffene Elternteile berichten in den Sozialen Medien von vorgeschobenen Aussagen ihrer Ex-Partner. Zuvor hatte unsere Redaktion die Geschichte eines Vater aus der Region bekannt gemacht, der um den Umgang mit seinem Sohn kämpft.

    Ein Vater schreibt beispielsweise auf Facebook: "Ich hatte das 18 Jahre und null Unterstützung von Jugendamt oder Gerichten, aber wehe, man zahlt mal nicht. So entfremden Mütter solange, bis es kaum noch ein Zurück gibt. Es war die Hölle." Eine Nutzerin findet dagegen: "Frauen sind nicht an der Misere der Männer schuld! Immer wieder diese Schuldzuweisung an Frauen, was für ein Nonsens! Wenn Väter sich kümmern und anständig verhalten, freuen sich doch alle Frauen darüber." Eine Mutter meint allerdings, sie kenne viele Frauen, die das Kind als ihren Besitz ansehen und dem Kind jegliche Familie vorenthalten.

    Familienrichter: "In den meisten Fällen scheitert es an der Kommunikation"

    Die Reaktionen zeigen: Nach einer Trennung stehen den Eltern bei der Frage, was mit dem gemeinsamen Kind passieren soll, oft die eigenen Emotionen im Weg. Das kann Andreas Rossa, Familienrichter am Amtsgericht Neu-Ulm, aus Erfahrung bestätigen. Seit sieben Jahren führt er Verhandlungen in Familienangelegenheiten und kennt die Hürden bei Umgangs- und Sorgerechtsstreitigkeiten. "In den meisten Fällen scheitert es an der Kommunikation der beiden Elternteile", sagt Rossa. Würden Dinge ausdiskutiert und besprochen werden, würden die Parteien sich schließlich nicht vor seinem Tisch treffen.

    In Paragraf 1684 des Bundesgesetzbuches ist verankert: "Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil und jedes Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert." Letzteres gelingt in der Realität nicht immer. Grund dafür ist für Rossa vor allem ein Problem: "Zwischen getrennten Partnern gibt es viel, das nicht geklärt ist. Verletzungen können unheimlich tief liegen. Auch nach Jahren gelingt es oft nicht, diese zu lösen."

    Amtsgericht Neu-Ulm: So versucht ein Richter, Einigkeit herzustellen

    Für das Gericht steht das Wohl des Kindes an oberster Stelle. Auch, dass es in keine Zwickmühle, Loyalitätskonflikt genannt, gerät. "Die Schwierigkeit ist, das Wohl des Kindes genau zu definieren. Eltern sind verpflichtet, ihr Kind in vielerlei Hinsicht zu versorgen: Physisch oder geistig beispielsweise", erklärt Rossa. Doch was das Kind braucht, kann unterschiedlich sein. "Wenn ein Kind Umgang mit einem Elternteil braucht, das zweimal einen Fehler gemacht hat, dann ist das manchmal für das andere Elternteil schwer zu verstehen", sagt Rossa. Bei Umgangs- und Sorgerechtsstreitigkeiten kann ein Verfahrensbeistand oder das Jugendamt für das Recht des Kindes eintreten und beispielsweise beim Besuch oder im Gespräch mit dem Kind herausfinden, was es will. "Das kann dann dazu führen, dass das Kind lieber bei dem Elternteil sein will, bei dem es immer Pommes gibt und man viel Fernsehen darf", sagt der Familienrichter. Das sei zwar das Interesse des Kindes, jedoch trage das Umfeld nicht immer zum Wohl des Kindes bei.

    Anders als bei Strafverfahren, geht es im Familienrecht am Ende nicht darum, über Schuld und Unschuld zu entscheiden, sondern Einigung herzustellen. Wie macht Rossa das? Vor Gericht höre er sich beide Seiten an, erzählt er, und mache sich ein Bild von der familiären Situation. Dabei helfen die Verfahrensbeistände, die das Interesse des Kindes vertreten. "Das Bauchgefühl spielt dabei eine Rolle, ist aber niemals Grundlage für Entscheidungen", stellt Rossa klar. "Und natürlich versuchen die Beteiligten, das Gericht zu beeinflussen und ihr eigenes Interesse durchzusetzen", sagt er weiter.

    Eltern brechen oft aus einfachen Gründen gerichtliche Vereinbarungen

    Ein Beispiel: Ein betroffener Vater schreibt in den Sozialen Medien, in der Gerichtsverhandlung habe die Mutter gesagt, der Sohn sei sauer auf den Vater und wolle diesen nicht sehen. Aber: "Die Mutter hat ein angeordnetes gemeinsames Gespräch mit meinem Sohn bei der Caritas bewusst nicht zustande kommen lassen. Dafür gab es von der Richterin lediglich eine kleine Ansage, mehr nicht." Auch Rossa hat solche Manipulationen mitbekommen, von Vätern wie von Müttern.

    Welche Folgen hat das für das Elternteil, wenn es sich nicht an gerichtliche Vereinbarungen hält? "Es kommt oft zu solchen Verweigerungshaltungen oder Missverständnissen. In der Regel gibt es einen Grund, warum etwas schief gelaufen ist. Oft scheitert es schon an der Kommunikation", meint der Familienrichter. "Oder der andere hat vergessen mitzuteilen, dass er krank ist und das Kind nicht nehmen kann." Ein Ordnungsgeld, weil ein Elternteil die vereinbarten Umgangszeiten nicht einhält, sei daher "die große Ausnahme."

    Familienrichter: Paarebene von Elternebene trennen

    Der Umgang kann aber auch an anderen Dingen scheitern. Ein Vater erzählt, dass er alle drei Wochen 1000 Kilometer fahre, um seinen Sohn bei sich zu haben. Rossa weiß von anderen Elternteilen, bei denen so etwas an den Kosten scheitert: "Nicht jeder kann es sich leisten, am Wochenende von Ulm nach Hamburg beispielsweise zu fahren." Oder die Kosten für andere Aktivitäten mit dem Kind zu tragen. Auch wirtschaftliche Möglichkeiten können somit den Umgang beeinflussen.

    Wenn er zwischen zerstrittenen Eltern vermittelt, versucht Rossa, auf lange Sicht eine Einigung herzustellen: "Das kann manchmal Jahre dauern oder in manchen Fällen gar nicht gelingen." Eine wichtige Erkenntnis für viele Ex-Paare ist nach Erfahrung des Richters: "Beide lieben in der Regel das Kind. Sie müssen lernen, zwischen Paarebene und Elternebene zu unterscheiden."

    Lesen Sie auch:

    Plötzlich ist das Kind weg: Ulmerin kämpft um ihren Sohn in der Türkei

    Mutter kämpft um entführtes Kind: Jetzt gibt es neue Hoffnung

    Kontakt zum Kind auch in Krisenzeiten: Mutter übt Kritik

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden