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Landkreis Neu-Ulm: Neu-Ulmer Kreistag als Stream? Wenn die Lokalpolitik ins Wohnzimmer kommt

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Neu-Ulmer Kreistag als Stream? Wenn die Lokalpolitik ins Wohnzimmer kommt

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    Kann so die Zukunft der Kommunalpolitik aussehen: Kreistagssitzungen könnten per Videostream live verfolgt werden – das wünscht sich die FDP. Andere halten das für keine gute Idee.
    Kann so die Zukunft der Kommunalpolitik aussehen: Kreistagssitzungen könnten per Videostream live verfolgt werden – das wünscht sich die FDP. Andere halten das für keine gute Idee. Foto: Christin Klose/dpa

    Was wollen junge Menschen auf keinen Fall? Lange politische Texte lesen. Das zumindest meint die FDP-Kreisrätin Christina Zimmermann. Ihre Generation möchte sich nicht durch zehn Seiten lange Kommentare arbeiten, sondern „kurze, knackige Videos anschauen“, sagte sie jetzt im Kreisausschuss. Sie will, dass künftig die Kreistagssitzungen „live“ übertragen und auf der Online-Seite des Landratsamtes gezeigt werden. Mit diesem Vorstoß produzierte sie eine ganze Reihe von Bedenken sowohl von Kreisräten als auch im Landratsamt.

    In der ersten Sitzung des neugewählten Kreistags im Mai hatte Zimmermann die Idee zum ersten Mal auf den Tisch gebracht. Daraufhin erhielt die Kreisverwaltung den Auftrag, die Angelegenheit zu prüfen: Wie und zu welchen Kosten ließe sich eine Video-Übertragung aus dem Kreistag organisieren? Im ersten Überschwang des Neuanfangs – dank des Freie-Wähler-Überläufers Ansgar Batzner war es gelungen, den Fraktionsstatus zu ergattern – postete die FDP auf ihrer Facebook-Seite folgenden optimistischen Satz: „Die Digitalisierung hält auch im Rat Einzug und bald kann jeder per Live-Stream teilnehmen.“ Das war etwas voreilig, wie sich nun herausstellte.

    Ein Video-Stream aus dem Kreistag wäre teuer

    Im Landratsamt wurde in den vergangenen Monaten das Für und Wider abgewogen und in eine umfangreiche Stellungnahme gegossen. Unter dem Strich stand als Fazit: Der Kreistag sollte von einer Live-Übertragung lieber die Finger lassen. In dem siebenseitigen Papier werden unter anderem die hohen Kosten ins Feld geführt. Je nach Aufwand würde alleine die Anschaffung der Video-Ausrüstung zwischen 10.000 und 20.000 Euro kosten, hinzu kämen noch die Wartungs- und Personalkosten, denn mit der Übertragung allein wäre es ja nicht getan. Um etwa das Material nach einer Sitzung aufzubereiten und zu schneiden, müsste ein externer Dienstleister beauftragt werden. Aufwand und Ertrag stünden in keinem Verhältnis zueinander. Außerdem habe es aus der Bevölkerung bisher nicht den Wunsch nach einer Übertragung gegeben.

    Nach Ansicht der Landkreis-Verwaltung stehen dem Ganzen zudem erhebliche rechtliche Bedenken gegenüber: Kein Kreistagsmitglied könne gezwungen werden, sich während der Sitzungen filmen zu lassen, damit er im Prinzip weltweit zu sehen sei. Das gelte auch für Mitglieder der Verwaltung sowie für sogenannte „Dritte“, also Menschen, die vor dem Gremium auftreten, um etwa einen Bericht abzugeben oder etwas zu erläutern. Ihr Persönlichkeitsrecht stehe einer Übertragung entgegen. Bei ihnen müsste ebenso die Kamera abgeschaltet werden wie bei einem Video-Verweigerer aus dem Kreistag. Das sei unpraktikabel. Auch andere Landkreise, etwa Donau-Ries, Aschaffenburg oder der Kreis Augsburg hätten das Thema diskutiert und sich gegen eine Live-Übertragung entschieden. Debatten-Videos gebe es nur aus München.

    Auch die JU will einen Video-Strem aus dem Kreistag

    Obwohl die Bewertung des Landratsamtes klar negativ ausfiel, wollte Christina Zimmermann nicht lockerlassen. Es gelte doch, die Bürgerbeteiligung zu steigern und Jüngere anzusprechen. Die Video-Übertragung habe sehr viel Potenzial. Einzig und allein Johann Deil von der Jungen Union sprang ihr bei. Er sah in den Videos ein „attraktives Angebot für die Bürger“. Zumal sich die Menschen mittlerweile ohnehin an Videokonferenzen gewöhnt hätten.

    Alle anderen Mitglieder des Kreisausschusses konnten der Idee nur „auf den ersten Blick“ etwas abgewinnen, wie es beispielsweise Kurt Baiker (Freie Wähler) formulierte. Vor allem die Frage, wie mit Video-Verweigerern zu verfahren sei, würde nach Einschätzung von Kriemhilde Dornach (ÖDP) zu absurden Ergebnissen führen. In einer hin und her wogenden Debatte müsste dann immer wieder einer rausgeschnitten werden. Sie spielte den Ball zurück und argumentierte, um neue Kommunikationsformen zu nutzen, könne doch jede Fraktion ihren eigenen Podcast ins Netz stellen.

    Volles Haus bei FKK-Debatte im Stadtrat

    Zur Frage, wie groß denn das Interesse an Kommunalpolitik überhaupt sei, führte Ludwig Daikeler (SPD) seine Erfahrungen aus 30 Jahren Stadtratsarbeit in Vöhringen ins Feld. Zuschauer habe es kaum gegeben, höchstens im Bauausschuss, aber das seien dann meist diejenigen gewesen, deren Pläne gerade auf der Tagesordnung standen. Dass das öffentliche Interesse sehr stark vom Thema abhängt, wusste auch Landrat Thorsten Freudenberger (CSU), der einst ebenfalls im Vöhringer Stadtrat saß: „Einmal ging es um FKK in Vöhringen – da war ausverkauftes Haus.“

    Und so entschied der Ausschuss gegen die Stimmen von Zimmermann und Deil, die Live-Übertragungen aus dem Kreistag und seinen Ausschüssen „nicht weiter zu verfolgen“. Allerdings ist das letzte Wort in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen, denn die Entscheidung stellt lediglich eine Empfehlung an den Kreistag dar. Der tagt am nächsten Freitag, 30. Oktober in der Weißenhorner Fuggerhalle.

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