Mythen über die Corona-Impfung im Kreis Neu-Ulm: Was ist dran?
Wird Impfstoff weggeworfen? Gibt es Vordrängler? Beinahe täglich gehen neue Fragen und Gerüchte zur Corona-Impfung im Kreis Neu-Ulm ein. Was dahinter steckt.
Wurden Menschen geimpft, obwohl sie noch gar nicht an der Reihe waren? Muss Impfstoff weggeschmissen werden, weil man Angst vor einem "Vordrängler"-Skandal hat? Rund um die Corona-Impfung im Landkreis Neu-Ulm erreichen unsere Redaktion beinahe täglich neue Fragen, Hinweise – auch anonyme – und Ungereimtheiten. Doch werden die Sachverhalte oftmals nur leichtfertig vermischt oder steckt wirklich etwas hinter den Vorwürfen?
Der Augsburger Bischof Bertram Meier dürfte in der Region der wohl bekannteste sogenannte "Vordrängler" bei den Corona-Impfungen sein. Er hatte in einem Caritas-Seniorenheim das Angebot einer Immunisierung aus angeblich überzähligen Impfstoff-Dosen angenommen, "im Vertrauen darauf, dass es so rechtens ist". Dabei hätte er sich noch etwas gedulden müssen. Sein Fall hat eine lebhafte "Neid"-Debatte ausgelöst. Der Bischof sieht sein Verhalten mittlerweile als Fehler an und bat um Verzeihung.
Anonymer Hinweis: Wurde Raphael Bögge schon geimpft?
Ein vergleichbarer Fall ist im Kreis Neu-Ulm bislang nicht bekannt. Jedoch wittern anonyme Hinweisgeber immer wieder einen solchen Skandal auch in der Region.
Jüngst erreichte uns die Nachricht, dass der frühere Sendener Bürgermeister Raphael Bögge schon geimpft worden sei. Bögge selbst macht auf Anfrage dazu keine Angaben und verweist auf das Neu-Ulmer Landratsamt, für das er inzwischen arbeitet und hierbei die Impfzentren koordiniert. Die Behörde teilt mit: Aus Datenschutzgründen könne zu Mitarbeitern keine Auskunft gegeben werden. Prinzipiell aber würden auch Mitarbeiter, die in den Impfzentren tätig sind, laut Verordnung zur Priorisierungsgruppe eins gehören und dürften damit aktuell geimpft werden.
Einen ähnlichen Hinweis erhielt unsere Redaktion auch im Fall der Kreisspitalstiftung: Dort räumte die Sprecherin auf Nachfrage unserer Redaktion ein, dass Verwaltungsangestellte bereits eine Spritze erhalten haben. Einen Aufschrei hat das aber nicht ausgelöst. Wohl auch deshalb, weil die betreffenden Impfungen zu Jahresbeginn stattgefunden haben, als Lieferungen des raren Vakzins noch nicht so planbar waren wie heute. Zu dem frühen Zeitpunkt hat es offensichtlich mehr Impfstoff als Interessenten gegeben – doch wohin damit? Damit nichts verworfen werden muss, hätten sich also die Beschäftigten kurzfristig zur Verfügung gestellt.
Im Landkreis Neu-Ulm gab es rund 250 solcher kurzfristigen Corona-Impfungen
Von den bislang erfolgten rund 12.400 Impfungen im Landkreis hat es nach Angaben des Neu-Ulmer Landratsamtes rund 250 solcher kurzfristigen Immunisierungen gegeben. Wer für eine solche spontane Impfung infrage kommt, regeln sogenannte Reservelisten. Diese Listen umfassen zum einen Personen, die zwar keinen Termin haben, aber dennoch zur Prioritätengruppe eins gehören. Aber auch bestimmte Berufsgruppen mit viel Außenkontakt, wie Feuerwehr und Polizei, stehen darauf. Die potenziellen Impflinge auf den Reservelisten müssen laut Landratsamt "sehr schnell verfügbar und höchst mobil" sein. So kam es beispielsweise auch dazu, dass Neu-Ulmer Polizisten bereits Impfungen erhalten haben. Mittlerweile aber hätten sich die Impfstofflieferungen eingespielt, sodass hier mit festen Liefertagen und angekündigten Mengen entsprechend geplant werden kann. Das Landratsamt beteuert: "In unseren Impfzentren wurde kein Impfstoff weggeworfen, der hätte verwendet werden dürfen."
Das berichtet unserer Redaktion auch ein Arzt, der im Landkreis Neu-Ulm Impfungen vornimmt. Es werde alles getan, damit jede Spritze verbraucht wird. Die Mitarbeiter in den Impfzentren würden dafür auch Überstunden in Kauf nehmen und warten, wenn Personen nicht sofort verfügbar wären. Alles, was erlaubt sei, werde verimpft, so der Mediziner.
Corona-Impfstoff landet tatsächlich auch im Müll
Doch wie berichtet, landet Impfstoff tatsächlich auch mal im Müll – allerdings ist das zumindest nach der aktuellen Rechtslage so gewollt: Aus den Döschen des Herstellers Biontech/Pfizer dürfen entsprechend der Zulassung der EMA (europäische Arzneimittelagentur) sechs Spritzen entnommen werden. Daran müssen sich alle bayerischen Impfzentren halten. Allerdings sind die Dosen immer etwas großzügiger befüllt, damit – sollte mal etwas verschüttet werden – es für sechs Spritzen auf jeden Fall reicht. Während es in Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen offiziell erlaubt ist, aus dem Rest auch noch eine siebte Dosis vorzubereiten, muss in Bayern – und damit auch im Kreis Neu-Ulm – das Überbleibsel weggeschmissen werden.
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