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Landkreis Neu-Ulm: Kartellvorwürfe: Busdebatte macht Kreisräte klüger

Landkreis Neu-Ulm

Kartellvorwürfe: Busdebatte macht Kreisräte klüger

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    Lange haben die Kreispolitiker auf einer Sondersitzung debattiert, jetzt sind sie schlauer.
    Lange haben die Kreispolitiker auf einer Sondersitzung debattiert, jetzt sind sie schlauer. Foto: Herrmann Schmid

    Am Ende fühlten sich offenbar alle ein wenig schlauer. Dieser Eindruck drängte sich nach der gut zweieinhalbstündigen Sondersitzung des Kreistages über die umstrittene Vergabe von Buslinienkonzessionen geradezu auf. Intensiv hatten vor allem die Vertreter von Freien Wählern, SPD und Grünen Landrat Thorsten Freudenberger (CSU), die Kreisverwaltung und den anwesenden Vertreter der Regierung von Schwaben in die Mangel genommen. Auf Betreiben der drei Fraktionen war die Sondersitzung kurzfristig in den Terminkalender der Kreispolitiker eingeschoben worden. Die CSU hingegen hielt sich in der Debatte weitgehend bedeckt. Lediglich hinterher merkte Vize-Landrat Franz Clemens Brechtel an, nun seien doch wohl alle Fragen zur Vergabepraxis im Nahverkehr und der Rolle des Landratsamtes ausgeräumt: „An den Vorwürfen ist nichts dran.“

    Buskartell: Keine Vorwürfe gegen Landrat

    Konkrete Vorwürfe hatte es allerdings nie gegeben. Wellen geschlagen hatte lediglich eine Äußerung Freudenbergers, die im Zuge von Ermittlungen gegen das angebliche schwäbische Buskartell 2016 abgehört worden war (wir berichteten). Er hatte in vertrautem Gesprächston der Juniorchefin eines hiesigen Busunternehmens mitgeteilt, dass die von der Firma beantragte Verlängerung der Linienkonzession genehmigt worden sei („Bist erleichtert, gell?“) Der Landrat hatte stets erklärt, dass er die Frau bereits seit Langem kenne und duze.

    Diese von den Ermittlern abgehörte Passage war von unserer Zeitung ebenso veröffentlicht worden wie ein Gespräch zweier Busunternehmer, die darüber berieten, wie möglicherweise eine Linie verlängert werden könnte, damit nicht mehr die Stadt Neu-Ulm, sondern der angeblich den Firmen besser gesonnene Landkreis darüber zu entscheiden habe. Wie das Landratsamt betont, habe eine solche Verlängerung nie stattgefunden. Freudenberger beteuerte das noch einmal in der Kreistagssitzung.

    Buslinien: Welche Zuschüsse es gibt

    Helmut Meisel (Grüne) wollte noch einmal genau wissen, was es mit der Kritik des Bayerischen Obersten Rechnungshofes auf sich hatte. Der bemängelt schon seit Langem die Subventionspraxis im Nahverkehr, die dafür sorge, dass Verluste zuverlässig vom Staat ausgeglichen würden und die Firmen sich keinem fairen Wettbewerb stellen müssten. Der Rechnungshof bedauert seit Längerem, dass immer noch Linien direkt, also ohne Ausschreibungen vergeben werden. Das ist in Neu-Ulm gängige Praxis, aber auch in anderen Gebieten Schwabens, wie Philipp Höss von der Regierung von Schwaben erläuterte. Seiner Ansicht nach hat der Rechnungshof nicht direkt den Kreis Neu-Ulm kritisiert, sondern sich allgemein zur Vergabepraxis geäußert. Was die Subventionen betrifft, geht es dabei nicht einfach um willkürliche Zahlungen, wie die Landkreisverwaltung erläuterte. Wenn es sich um eine Linie handelt, die ein Unternehmen eigenwirtschaftlich betreibt, erhält es zunächst nur das Geld, das es selbst erlöst. Allerdings bekommt es vom sogenannten Aufgabenträger, in diesem Fall dem Landkreis, sogenannte Ausgleichsleistungen für die Beförderung von Schülern und Behinderten. Außerdem erhält es Geld, wenn es sich in einem Tarifverbund befindet, damit die Kunden in einem solchen Gebiet mit einem Ticket reisen können und sich nicht bei jedem Umsteigen ein neues kaufen müssen. Solche „Harmonisierungsverluste“ werden ebenfalls ausgeglichen. Im Landkreis Neu-Ulm existieren einige Linien, für die bekommen die Betreiber keinen Cent aus dem Landratsamt, denn dort seien keine Ausgleichszahlungen erforderlich.

    Was die Direktvergabe von Linienkonzessionen betrifft, so wird sich das im Landkreis womöglich in den nächsten Jahren ändern. Bisher können Firmen den Zuschlag bekommen, ohne dass eine Beförderungsstrecke europaweit ausgeschrieben wird. Das letzte Wort hat stets die Regierung von Schwaben, der Landkreis wird dazu lediglich gehört, ob die Vorstellungen des Unternehmens zum Nahverkehrsplan passen. Bisher kam es offenbar noch nie vor, dass sich mehrere Unternehmer um eine Strecke bewarben, wie das im Raum Augsburg offenbar die Regel ist. Andreas Reimann, Leiter des Fachbereichs Verkehr im Landratsamt, sagte, in den sechs Jahren, seit er den Posten innehat, sei das noch nie passiert. Übrigens gab es auch bei der Konzessionsentscheidung, die der Landrat der Unternehmerin am Telefon mitteilte, nur einen Bewerber.

    Sollen Buslinien direkt vergeben werden?

    Die Direktvergabepraxis im Kreis soll möglicherweise von 2026 an der Vergangenheit angehören. Schon jetzt sorgt das Landratsamt dafür, dass auslaufende Konzessionen nur noch bis zum Ende des nämlichen Jahres erteilt werden – um danach die Strecken ausschreiben zu können. Das kündigte der Landrat mehrmals an. Allerdings gibt es dazu bisher noch keine Entscheidung des Kreistags.

    In den zweieinhalb Stunden drangen die Kreisräte ganz tief in die Details der Nahverkehrsorganisation ein – und waren hinterher deutlich klüger, wie Kurt Baiker (FW) bekannte: „Man lernt jeden Tag dazu.“ Sein Fraktionskollege Dieter Wegerer nannte die Sitzung „wichtig und richtig“, damit nicht irgendwas „weiterkocht“. Die Regierung von Schwaben hatte dem Landratsamt mittlerweile schriftlich bestätigt, dass bei der Vergabe im Jahr 2016 alles mit rechten Dingen zugegangen war.

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