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Landkreis Neu-Ulm: Guggenmusik: Das ist der Sound der Fastnacht

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Guggenmusik: Das ist der Sound der Fastnacht

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    Die Guggenmusik gibt Gas: Die Blech-Beat-Gugga Elchingen beim Narrenbaumstellen.
    Die Guggenmusik gibt Gas: Die Blech-Beat-Gugga Elchingen beim Narrenbaumstellen. Foto: Andreas Brücken

    Für sein Sousafon braucht Philipp Schneider Puste. Aber bevor er seine Riesentuba aus dem Instrumentenanhänger holen kann, der vor dem Oberelchinger Konstantin-Vidal-Haus parkt, muss er erst einmal die Luft anhalten. Blau war Schneider, den alle „Schnibbo“ nennen, schon vorher im Gesicht, jetzt kommen auch noch Weiß und Blau dazu. Einmal durchschnaufen. Dann legt sich der 30-Jährige eine Schablone über die zugekniffenen Augen. Der Kollege mit der Airbrush-Pistole sprüht ihm in der improvisierten Schminkkabine auch noch Sternchen aufs Gesicht. Dann blasen Schnibbo und seine rund 40 meist noch jüngeren Kollegen von der Blech Beat Gugga den Narren den Marsch. Sie führen den Zug mit dem Narrenbaum an, den Klosterberg hinunter.

    Die Guggenmusik, deren Tradition aus dem Alemannischen kommt, ist beim Fasching im Kreis eine Attraktion und hat längst ihren festen Platz neben den traditionellen Narrenzünften – obwohl es mit der Blech Beat Gugga, den Bläach Gugga Fätzzer Altenstadt und den Weissahoarer Giggalesbronzern nur drei Formationen gibt. Anders als bei normalen Blaskapellen geht es bei der „Gugga“ nicht darum, wie gut man ein Instrument spielt. Weil es im Fasching gerne ein bisschen schief klingen darf. Bei den Elchingern, schätzt Schneider, musizieren zwar 80 Prozent der Mitglieder auch im Musikverein. Bei den Weißenhorner Giggalesbronzern ist das Verhältnis aber umgekehrt, wie Abteilungsleiter Daniel Bestle sagt: 75 Prozent seien absolute Laien. Er selbst spielt sein Sousafon seit 20 Jahren „nach Zahlen und Griffen“.

    "Gugga" bringt Menschen zusammen, die nie in Kontakt gekommen wären

    In der Region ist die Guggenmusik ein recht junges Phänomen. In Weißenhorn marschierten die Giggalesbronzer erstmals 1988 beim Umzug mit, die Elchinger gibt es sogar erst seit 15 Jahren. Was die Menschen daran begeistert? Birgit Kundela, musikalische Leiterin in Altenstadt, erklärt es so: „Die Leute verbindet der Spaß am Partymachen und am Fasching.“ Für den Elchinger Schneider besteht die Faszination zu je einem Drittel aus Musik, Gaudi und dem Gemeinschaftsgefühl. Bei der „Gugga“, so sagt er, kämen Menschen zusammen, die sonst vielleicht nie miteinander in Kontakt gekommen wären. Vier Paare gebe es derzeit bei der Blech Beat Gugga, enge Freundschaften seien entstanden. Im Sommer könne es durchaus passieren, dass man beim Bäcker hört: „Die Guggenmusik ist in Italien im Urlaub.“

    Mit ein bisschen tröten und trommeln ist es nicht getan. Im Frühherbst beginnen bei allen drei Guggenmusiken im Kreis die Proben, zumeist einmal wöchentlich, manchmal gefolgt von einem Probenwochenende. Schließlich muss das – zumeist selbst arrangierte – Repertoire sitzen, wenn es ernst wird in der lustigen Zeit. Dabei versucht jede „Gugga“, eigene Akzente zu setzen. Die Altenstadter heizen diese Saison die Stimmung mit einem Partyprogramm vom Pur-Medley bis zum Wiesn-Hit „Cordula Grün“ an, die Weißenhorner spielen gerne ältere Gassenhauer wie „Ich war noch niemals in New York“, die Elchinger versuchen, omnipräsente Songs zu vermeiden. Dazu werden Choreografien eingeprobt, damit die Gruppe auch auffällt. Und da sind natürlich noch die Kostüme, die alle paar Jahre gewechselt werden und oft eigenhändig genäht werden. Bei den für ihr aufwendiges Outfit bekannten Giggalesbronzern, mit 53 Aktiven derzeit die größte Guggenmusik im Landkreis, muss der einzelne Musiker durchaus mehrere hundert Euro investieren. Die Fastnacht, sie muss einem Narren etwas wert sein.

    Die Elchinger mussten schon in einem Atomschutzbunker übernachten

    Vor allem aber kostet sie Zeit. „Ab Dreikönig sind wir immer Freitag bis Sonntag unterwegs“, sagt Schneider von der Blech Beat Gugga. Umzüge, Prunksitzungen, Bälle, Rathausstürme, Narrenmessen und Guggenmusik-Treffen, für die man sich immer vorher schminken und kostümieren und bisweilen auch weit fahren und auf Komfort verzichten muss. Mit seinen Kollegen, berichtet Schnibbo, habe er auch schon in einem Schweizer Atomschutzbunker übernachtet. Und ja, Getränke gibt es auch. Aber nur so viel, dass man noch spielen kann, wie Birgit Kundela von den Bläach Gugga Fätzzer betont. Die Altenstadter geben im Fasching ohnehin nicht ganz so viel Gas wie die Elchinger. Sie versuchen an jedem Wochenende mindestens einen Tag freizuhalten, damit es besonders den Eltern, Schülern und Studenten in der Kapelle nicht zu viel wird. Zum Faschingsfinale freilich versuchen fast alle Guggenmusiker Urlaub zu nehmen.

    Und dann, wenn alles vorbei ist? In Weißenhorn, wenn die letzten Töne des Platzkonzerts um Mitternacht verklingen, dann fließen bei manchen Giggalesbronzern Tränen, erzählt Abteilungsleiter Bestle. Und auch bei der Elchinger Gugga kommt dann Wehmut auf. Obwohl sich manche Mitglieder schon am Aschermittwoch wieder treffen: in der Sauna. Um die Schminke, die nach dem Fastnachtsfinale tief in den Poren sitzt, wieder herauszuschwitzen.

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