Es sind nur wenige Zeilen Text, doch sie liefern eine Neuigkeit, die große Auswirkungen haben könnte. Droht ein spärlicher Ausbau auf der Illertalbahn von Ulm nach Kempten? „Das Konzept umfasst unter anderem den zweigleisigen Ausbau der Streckenabschnitte Gerlenhofen – Senden und Kellmünz – Pleß“, steht in einer Stellungnahme des Bayerischen Verkehrsministeriums. Gemeint ist die Erweiterung der Illertalbahn. In diesem Zusammenhang kursierten zuvor deutlich längere Abschnitte, nämlich Neu-Ulm/Finninger Straße bis Senden oder Gerlenhofen und Memmingen bis Heimertingen. Auf den zweigleisigen Abschnitten können Züge aus beiden Richtungen aneinander vorbeifahren. Doch je kürzer die Abschnitte sind, desto größer das Risiko, dass das nicht klappt.
Verkehrsexperte der IHK Schwaben äußert sich kritisch
Denn bei Verspätungen könnten sich die Züge auf anderen, eingleisigen Abschnitten begegnen. Die Folge: Einer der Züge müsste in einem Bahnhof warten. Und es gibt ein weiteres Problem: Je kürzer die zweigleisigen Abschnitte sind, desto unflexibler werden die Möglichkeiten beim Fahrplan. Peter Stöferle, Verkehrsexperte bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwaben formuliert das so: „Wenn man die Infrastruktur auf Minimum baut, ist man bei der Fahrplangestaltung auf Ewigkeit festgelegt.“
Was der Geschäftsführer des Vereins Regio-S-Bahn Donau-Iller sagt
Oliver Dümmler, Geschäftsführer des Vereins Regio-S-Bahn Donau-Iller, ist nicht glücklich über die Stellungnahme aus dem Verkehrsministerium. Sie gebe nicht alle Ergebnisse des Gutachtens wieder und könne dadurch einen falschen Eindruck erwecken. Im Gutachten sei es auch um andere Dinge gegangen, zum Beispiel um die Frage, wie eine Elektrifizierung die Fahrzeiten der Züge verkürzen kann. Soll heißen: Wenn die Bahnen schneller unterwegs sind, könnten die kürzeren zweigleisige Abschnitte genügen.
Doch Dümmler will nicht über die Ergebnisse des Gutachtens sprechen. Die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) habe die Studie in Auftrag gegeben – und damit das Anrecht, die Inhalte zuerst zu kommunizieren. Das soll am Mittwoch bei einer Sitzung der Interessengemeinschaft Illertalbahn geschehen. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit sollen die Bürgermeister der Gemeinden an der Bahnstrecke erfahren, welche Varianten für den Ausbau in Frage kommen.
Nur eine knappe Antwort der Bayerischen Eisenbahngesellschaft
Droht also ein mickriger Ausbau auf der Illertalbahn? Oder können die Varianten aus dem Gutachten spürbare Verbesserungen bringen? Dümmler gibt sich zuversichtlich: „Das kann funktionieren“, sagt er. Der Ausbau könne bis 2030 gelingen. Doch der Geschäftsführer gibt zu: „Vielleicht hätten wir uns ein bisschen mehr gewünscht.“ Wieso sieht das Konzept nur die vergleichsweise kurzen zweigleisigen Abschnitte vor? Von der BEG gibt es nur eine knappe Antwort: Das Gutachten habe gezeigt, dass die Streckenabschnitte Gerlenhofen – Senden und Kellmünz – Pleß für das Zielkonzept erforderlich seien.
Der Ausbau des Bahnhofs Senden ist für die gesamte Illertalbahn wichtig
Als wesentliche Voraussetzung für den Ausbau der Illertalbahn und für die Regio-S-Bahn gilt der Ausbau des Bahnhofs Senden. Ab 2023 werden dort Stellwerkstechnik und Weichenverbindung neu eingerichtet, zudem wird die Signaltechnik erweitert. Anderswo gestaltet sich eine nötige Reparatur nach Angaben der BEG komplex: In Kellmünz müssen Züge seit Längerem deutlich abbremsen, im Bahn-Sprech ist von einer Langsamfahrstelle die Rede. Die Ursache liegt in einem Oberbaumangel am Bahnübergang.
Diese Langsamfahrstelle ist einer der Gründe für die Zunahme der Verspätungen auf der Illertalbahn. Die sind nicht nur ein mögliches Problem, das durch einen spärlichen Ausbau droht. Sie sind auf der eingleisigen Illertalbahn keine Seltenheit. In der vergangenen Woche meldete die Deutschen Bahn drei Vorfälle in drei Tagen: Am Dienstag kam es aufgrund einer technischen Störung an einem Bahnübergang zu Beeinträchtigungen, am Donnerstag wegen einer Signalstörung in Senden. An der dritten Verspätung, ebenfalls am Donnerstag, trug die anfällige Infrastruktur aber keine Schuld. Wegen eines Polizeieinsatzes war die Strecke zwischen Kellmünz und Altenstadt gesperrt.
Handlungsbedarf besteht auf der Bahnstrecke Ulm-Kempten bereits jetzt
Die vielen Störungen seien wegen der veralteten Technik auf der Strecke nicht verwunderlich, findet IHK-Verkehrsexperte Stöferle. In den vergangenen Jahren sei wenig auf einen neuen Stand gebracht worden. Woran das liegt? „Ich könnte mir vorstellen, dass die Neigung der Bahn nicht sehr groß ist, hier sehr viel zu investieren“, sagt Stöferle. Denn für die Regio-S-Bahn, bei der die Strecke eine zentrale Achse werden soll, dürfte ein Ausbau nötig sein. Womöglich warte man ab, was genau verändert werden müsse. Doch Stöferle warnt: „Der Handlungsbedarf besteht bereits jetzt, wo es die Regio-S-Bahn noch nicht gibt.“ In zehn Jahren soll dieses Nahverkehrsprojekt abgeschlossen sein. Verzögerungen sind bei derart großen Projekten aber nichts Ungewöhnliches.
Trotz aller Störungen geben BEG und Deutsche Bahn samt Tochterunternehmen eine Anschluss-Sicherheit von bis zu 90 Prozent an. Werte, an denen Pendler zweifeln. Den Grund für die guten Quoten dürfte im Schema liegen, nach dem gerechnet wird. Jeder Zug, der theoretisch erreichbar ist, gilt als Anschlusszug. Weil der zeitliche Abstand zwischen Ankunft und Abfahrt oft groß ist, fallen die meisten Verspätungen nicht stark ins Gewicht – auch wenn manche Verbindungen häufig betroffen sind.
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