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Kriminalität: Giftattacke auf Babys: Uniklinikum zieht Konsequenzen

Kriminalität

Giftattacke auf Babys: Uniklinikum zieht Konsequenzen

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    Der Morphin-Fall bewegt die Menschen in der Region. Auch die Beschäftigten der Ulmer Kinderklinik sind erschüttert. Die Klinikleitung hat mehrere Sofortmaßnahmen zum Schutz der Patienten beschlossen.
    Der Morphin-Fall bewegt die Menschen in der Region. Auch die Beschäftigten der Ulmer Kinderklinik sind erschüttert. Die Klinikleitung hat mehrere Sofortmaßnahmen zum Schutz der Patienten beschlossen. Foto: Alexander Kaya

    Noch haben die Ermittler im Fall der fünf mit Morphin vergifteten Babys in Ulm keine neue heiße Spur. Wie berichtet, ist die Krankenschwester, die wegen des Verdachts auf versuchten Totschlag verhaftet worden war, wieder auf freiem Fuß. Sie war aufgrund einer Laborpanne des Landeskriminalamts (LKA) Baden-Württemberg zur Hauptverdächtigen geworden (wir berichteten). Damit sind Polizei und Staatsanwaltschaft wieder am Anfang. Nicht nur für viele Eltern, auch für die Beschäftigten der

    „Natürlich ist das ein großes Thema für die Mitarbeiter“, sagte Udo X. Kaisers, der Vorstandsvorsitzende des Universitätsklinikums Ulm. „Die wollen Menschen helfen, das ist deren Motivation. Deswegen ist das für sie so erschütternd.“ Wie berichtet, waren in der Nacht zum 20. Dezember fünf Neugeborene auf einer Überwachungsstation der Kinderklinik in Lebensgefahr geraten. Innerhalb weniger Stunden war es bei ihnen zu lebensbedrohlichen Störungen der Atmung gekommen. Die Ärzte gingen zunächst von einer Infektion mit Bakterien oder Viren aus. Das Gesundheitsamt wurde informiert. Auch die Abteilungen Krankenhaushygiene, Mikrobiologie und Virologie wurden hinzugezogen. Die Kinder kamen auf die Intensivstation, drei von ihnen mussten beatmet werden. Nach 48 Stunden waren die Babys wieder stabil. Inzwischen konnten sie alle das Krankenhaus verlassen.

    Weil die ersten Untersuchungen nichts ergaben, wurde das Institut für Rechtsmedizin eingeschaltet. An eine Straftat oder eine Drogenvergiftung dachte da noch niemand. Die Einrichtung am Universitätsklinikum Ulm ist aber als einzige in der Lage, ein breit angelegtes toxikologisches Screening für mehr als 8000 Stoffe vorzunehmen. Dass die Untersuchungen zwei bis drei Wochen dauern würden, war dem Klinikum klar. Am 8. Januar war die Untersuchung der Rechtsmediziner abgeschlossen und wurde ins interne Klinikinformationssystem eingestellt. Abgerufen wurden die Informationen allerdings erst am 15. Januar.

    „Das ist erklärungsbedürftig“, räumte Kaisers mit Blick auf die Lücke von einer Woche ein. Er stellte jedoch klar: „Der Fall war medizinisch abgeschlossen.“ Denn die Kinder seien, bis auf eines, bereits alle wieder zuhause gewesen. Und von einem Kriminalfall ging zunächst niemand aus. Daher schauten die Mitarbeiter nicht jeden Tag nach den Befunden, sondern nur wöchentlich. „Unser primärer Auftrag ist, Leben zu retten. Das ist im vorliegenden Fall ja gelungen“, sagte der Chef des Universitätsklinikums. Aufgrund des schnellen und kompetenten Handelns der Mitarbeiter sei Schaden von den Patienten abgewendet worden. Dennoch erklärte das Uniklinikum am Donnerstag: „Wir bedauern mit Blick auf die erst im Nachhinein erkennbare möglicherweise strafrechtliche Relevanz der Ergebnisse der von uns beauftragten zusätzlichen Laboruntersuchungen die einwöchige Verzögerung der Kenntnisnahme.“

    Auch wenn die strafrechtlichen Ermittlungen weiter laufen, ist für Udo Kaisers bereits jetzt klar: „Wir werden das auch für uns verarbeiten müssen. Das schulden wir den Mitarbeitern und den Patienten.“ Das Uniklinikum erhalte viel Zuspruch von den Angehörigen. Aufgrund des Morphin-Falls seien keine Patienten abgemeldet worden. Den Schichtbetrieb derzeit aufrechtzuerhalten, sei momentan allerdings schwierig, weil sechs Mitarbeiterinnen fehlen – die zwei Ärztinnen und vier Krankenschwestern, die in der Tatnacht auf der Überwachungsstation Dienst hatten, sind nach wie vor freigestellt. Das müssen die Kollegen auffangen. Laut Kaisers arbeiten auf der Station 40 bis 50 Beschäftigte in wechselnden Teams.

    Zusätzliche Unterstützung für die Mitarbeiter, beispielsweise Krisenbewältigungsangebote, zählen zu den Sofortmaßnahmen, die vor dem Hintergrund des Morphin-Falls getroffen wurden. An den Schränken mit den Betäubungsmitteln gibt es jetzt verschärfte Zugangskontrollen. Auch in die Milchküchen kommt nicht mehr jeder rein. Zur Vermeidung von Kontaminationen werden künftig alle Milchfläschchen und -spritzen verplombt oder vakuumiert. Über eine solche Spritze könnte das Morphin an die Säuglinge verabreicht worden sein. Bei Patienten mit einem ungewöhnlichen Krankheitsverlauf soll es künftig routinemäßige Analysen von Urinproben geben, und zwar mit gezieltem Drogenscreening. Diese Ergebnisse liegen deutlich schneller vor als im Fall der fünf Babys. Vorsichtshalber werden außerdem die Streifen des Sicherheitsdienstes intensiviert. „Das ist der Anfang“, sagte Kaisers. Das Universitätsklinikum werde weiter intensiv an einem Präventionskonzept arbeiten.

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