Startseite
Icon Pfeil nach unten
Neu-Ulm
Icon Pfeil nach unten

Kirchengeschichten: Die Holzheimer Kirche war Zankapfel der Religionen

Kirchengeschichten

Die Holzheimer Kirche war Zankapfel der Religionen

    • |
    Lange hielt man St. Peter und Paul in Holzheim für eine gotische Kirche. Erst 1980 wurde klar, dass das Sakralgebäude viel älter ist.
    Lange hielt man St. Peter und Paul in Holzheim für eine gotische Kirche. Erst 1980 wurde klar, dass das Sakralgebäude viel älter ist. Foto: Dagmar Hub

    Ob man heute noch so vorginge wie 1980? Für eine spätgotische Gründung wurde die Holzheimer Kirche St. Peter und Paul bis vor 40 Jahren gehalten – aufgrund des Datums „1519“ im Chorjoch, mit dem sich der Baumeister Hans Hägelin aus Leipheim verewigt hatte. Doch Hägelin war nicht der Erbauer der ersten Holzheimer Kirche. Er vergrößerte einen frühstauferzeitlichen Kirchenbau und gestaltete ihn gotisch um. Als 1980 die Holzheimer Kirche wiederum vergrößert wurde, stieß man auf „Teile einer bis dahin unbekannten und außergewöhnlich gut erhaltenen romanischen Kirche“, deren Rang kunsthistorisch außer Frage stehe, heißt es in damaligen Dokumenten des Landesamtes für Denkmalpflege. Die aus hochwertigen Quadersteinen erbaute und sorgsam verfugte Westwand der romanischen Kirche samt Okulus-Fenster musste damals dennoch zugunsten einer geplanten Erweiterung weichen.

    Die heutige Gestalt von St. Peter und Paul enthält dennoch noch Teile jener Kirche aus der frühen Stauferzeit, die eine Wehrkirche gewesen sein muss und die überörtliche Bedeutung gehabt haben muss, denn sie war für die damalige Zeit ungewöhnlich groß – mehr als 13 Meter lang. Unter den Funden, die bei den Grabungen gemacht wurden, befand sich auch ein Pilger-Gefäß. Bis zur Höhe von sechs Metern ist in der Nordwand noch immer die romanische Mauer vorhanden, auch der Turmunterbau der Kirche besteht seit mehr als 900 Jahren. Und davor und davor ... Fundamente eines Vorgängerbaus und sowie Spuren eines noch älteren Vorgängerbaus aus Holz wurden damals 1980 entdeckt. Die Stelle, an der St. Peter und Paul steht, muss seit der Christianisierung der Region Ort einer Kirche sein.

    Die Baugeschichte der Holzheimer Kirche ist ungewöhnlich

    Die Baugeschichte der Holzheimer Kirche ist ungewöhnlich, ungewöhnlich aber ist auch die kirchenpolitische Geschichte des Ortes: Mit der Einführung der Reformation in Ulm 1513 wurde auch Holzheim evangelisch – aber die Oberhoheit über den Ort lag bei den katholischen Habsburgern. Das Hin und Her der Streitigkeiten führte zum einen zu einer wüsten Bildersturm-Nacht im Januar 1533, bei der unter anderem ein gotischer Flügelaltar zerstört wurde. Es führte auf der anderen Seite aber auch dazu, dass St. Peter und Paul jahrzehntelang im 16. und 17. Jahrhundert Simultankirche war, in der evangelische und katholische Gottesdienste nacheinander stattfanden. Die Bewohner jener Höfe beispielsweise, die Jakob Fugger der Reiche gekauft hatte, behielten das Recht auf katholische Messen. Aber das einigermaßen friedliche Nebeneinander endete abrupt mit dem 29. Januar 1627. An jenem Tag, so erzählt es die Kirchengeschichte Holzheims, wurde der evangelische Pfarrer Wilhelm Mayer samt Ehefrau und Kindern von Vertretern Österreichs auf ein Pferdefuhrwerk gesetzt und weggebracht. Als dann im Dreißigjährigen Krieg der katholische Pfarrer von den Schweden überfallen und vertrieben worden war, wurde Mayer wieder Pfarrer, und nach ihm Bonifaz Stölzlin. Dem Unfrieden wurde erst 1636 ein Ende gemacht – kurz nachdem Stölzlin wiederum auf Befehl der Habsburger vertrieben und Wilhelm Mayer gestorben war.

    Ein Blick ins Innere der Kirche.
    Ein Blick ins Innere der Kirche. Foto: Dagmar Hub

    Es war ein steiniger Weg zum Frieden: Etliche Angehörige der Pfarrei Holzheim weigerten sich, wieder katholisch zu werden. Pfarrer Anton Schnitzler gab das Holzheimer Bekenntnisbild in Auftrag. Neben Papst und Kaiser und Vertretern der geistlichen und weltlichen Stände stellt sich Schnitzler, wohl Stifter des Bildes, darauf unter den Schutzmantel der Madonna. Im nun isolierten Steinheim erfolgte die provokative Gegenreaktion: Bonifaz Stölzlin, der inzwischen dort Pfarrer war, gab die Steinheimer Bekenntnisbilder in Auftrag, die den Verlust der Holzheimer Geschwistergemeinde betrauern und den evangelischen Glauben hochhalten.

    Die guten alten Zeiten waren schwierig in Holzheim und sie machten die Bevölkerung des Öfteren zum Spielball der Politik. Ein unschöner Tag aber gehört auch zur jüngeren Geschichte der Kirche. Bei den Grabungen 1980 waren im Boden der Kirche zahlreiche Bestattungen vergangener Jahrhunderte entdeckt worden. Weil es ein Wochenende war, wurden noch nicht geborgene Gebeine mit Schaltafeln bedeckt. Doch die schreckliche Entdeckung erfolgte an einem Montag in jenem Sommer: Jemand hatte die Schaltafeln angehoben und die Schädel zertreten – vermutlich zur „Beschleunigung“ der archäologischen Arbeiten, vermerkt der Kirchenführer von Richard Ambs.

    Lesen Sie auch:

    Ein Totentanz in der Thalfinger Thomaskirche

    Darum schmückt ein amerkanischer Ureinwohner die Steinheimer Kirche

    "Hitler-Engel" und schwarzer König: Das sind die dunklen Seiten des Ulmer Münsters

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden