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Ulm: Junge Männer klettern ungesichert auf die Spitze des Ulmer Münsters

Ulm

Junge Männer klettern ungesichert auf die Spitze des Ulmer Münsters

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    Ein Video im Internet zeigt, wie zwei Männer in Jogginghosen und Turnschuhen ungesichert das Münster hochklettern und bis auf den Blitzableiter steigen. Die Kirchengemeinde hat die Unbekannten angezeigt.
    Ein Video im Internet zeigt, wie zwei Männer in Jogginghosen und Turnschuhen ungesichert das Münster hochklettern und bis auf den Blitzableiter steigen. Die Kirchengemeinde hat die Unbekannten angezeigt.

    Wieder sind zwei junge Männer ohne jegliche Sicherung auf die Spitze des Turmes des Ulmer Münsters geklettert. Ein Youtube-Kanal namens „Visual Enemies“ stellte das fünfminütige Video unter dem Titel „Münsterstürmer“ am Sonntag, 8. September, online. Wie in dem Film zu sehen ist, kauften die jungen Männer regulär Eintrittskarten und warteten dann die einbrechende Dunkelheit ab, um auf die Turmspitze zu gelangen. Sie versteckten sich vor dem Turmwärter, der nach Kassenschluss immer noch eine Runde läuft. „Das ist kein Problem“, sagt Dekan Ernst-Wilhelm Gohl. Der Münsterturm sei zu groß und verschachtelt, als dass der Turmwärter jeden finden würde, der sich verstecken will.

    Sie lehnen am Blitzableiter des Ulmer Münsters

    Unterhalb der Turmspitze übernachteten die beiden offenbar, um den Sonnenaufgang abzuwarten. Um bei den ersten Sonnenstrahlen ganz auf die Spitze zu gelangen, knackten sie mehrere Schlösser, was im Film derart schnell geht, dass man meinen könnte, sie haben Schlüssel dabei.

    Auf der Turmspitze in 161,5 Meter lehnen die zwei dann am Blitzableiter oder sitzen auf den Kreuzblumen – filmen und machen Fotos. Die Gesichter der jungen Männer sind im Video nicht zu erkennen, sie sind verpixelt. Der Kanal „Visual Enemies“ hat 2000 Abonnenten und mehrere derartige Videos veröffentlicht. Vor drei Jahren bestiegen Mitglieder auf ähnliche Art und Weise den Kölner Dom. Aber auch das Römer Kolosseum diente ihnen schon als Kletterareal.

    Es ist nicht das erste Mal, dass zum Zweck der Selbstinszenierung Menschen aufs Münster steigen. Auf dem Kanal „Grave Yard Kidz“, also „Friedhof-Kinder“, stellte vor drei Jahren ein Unbekannter einen ähnlichen Film online. Für derartige Aktionen droht eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Schließlich geht es um Hausfriedensbruch. Dazu komme, so ein Polizeisprecher, dass die Täter sich selbst und Unbeteiligte in Gefahr brächten. Denn wenn das Handy oder die Kamera aus solcher Höhe herunterfällt, kann das schlimmste Folgen haben.

    Wie bei diesem Vorfall will Dekan Ernst-Wilhelm Gohl Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs stellen. In Zusammenarbeit mit der Polizei sollen zudem Maßnahmen getroffen werden, die die Hürden für derartige Aktionen erhöhen. Als Erstes würden die Schlösser ausgetauscht. „Die sind zwar nicht aus dem Baumarkt“, so Gohl, doch acht bis zehn Jahre alt und ganz offensichtlich zu leicht mit einem Dietrich zu öffnen. Auch wird wohl darüber nachgedacht, die Gitter, die teilweise den Weg an die Spitze versperren sollen, weniger durchlässig zu gestalten. Allerdings ahnt Gohl: „Ganz verhindern lässt sich so etwas nie.“ Wie Gohl vermutet, wurde das Video wahrscheinlich Ende Juni oder Juli aufgenommen, das lasse sich am Sonnenstand erkennen.

    Männer klettern auf Ulmer Münster: Tausende Klicks für Videos im Internet

    Beschädigungen haben die Kletterer nicht verursacht, auch nicht an den Schlössern. Dennoch ist Gohl entsetzt über die Unverantwortlichkeit der jungen Männer. „Das ist so, als ob man nachts mit 130 Sachen durch die Hirschstraße fährt.“ Genauso wie nachts Menschen in der Fußgängerzone seien, wären auch nachts Menschen auf dem Münsterplatz. Und schon ein kleiner Stein könne aus dieser Höhe tödliche Folgen haben. Gerade die Kreuzblumen und Fialen an der Spitze seien hohen Temperaturschwankungen ausgesetzt und deswegen besonders porös.

    Betroffen und traurig stimmt Gohl, dass eine derart verantwortungslose Aktion, so Gohl, dann auch noch auf so viel Beifall treffe. 20.000 Aufrufe verbuchte das Video innerhalb von zwei Tagen und viele der über 30 Kommentare zollen den Kletterern Respekt. Das ähnliche, vor drei Jahren von dem Kanal „Grave Yard Kidz“ ins Internet gestellte Video haben inzwischen fast 750.000 Menschen angeschaut. 6500 Menschen kommentierten mit dem Daumen nach oben, nur 650 drückten ihr Missfallen aus. Erwischt wurde der Münsterkletterer nicht: Ein Mann mit gleicher Maske hat seitdem weitere Extremvideos auf dem Kanal veröffentlicht. Der Kletterer ließ sich sogar vor zwei Jahren in Neu-Ulm von Donau-3-FM interviewen. Er verspüre bei solchen Aktionen ein Gefühl von Freiheit, sagte er mit nachträglich verfremdeter Stimme.

    Dekan will erreichen, dass Google solche Roofing-Videos löscht

    Dekan Gohl will nun versuchen, Google, den Konzern hinter Youtube, zu veranlassen, solche Videos zu löschen. Die „Community-Richtlinien“ machen ihm Hoffnung, dass dies nicht aussichtslos ist. Google teilt nämlich mit, dass Videos, die gegen bestimmte Richtlinien verstoßen, entfernt werden. Dazu gehören auch „extrem gefährliche Challenges“.

    Gohl befürchtet, dass derartige Videos immer mehr Nachahmer finden. Eine Teufelsspirale könnte sich in Gang setzen: Je mehr Aufmerksamkeit die Kletterer erhalten, desto größer sei der Drang, noch spektakulärere, außergewöhnlichere und waghalsigere Aufnahmen ins Netz zu stellen. Todesopfer sind dabei nicht ausgeschlossen.

    Lesen Sie dazu auch:  Lebensgefährlich: Mann klettert ungesichert aufs Münster

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