Zwischen April und September 2019 feiert Neu-Ulm sein Jubiläum „150 Jahre Stadterhebung“. Die Neu-Ulmer Zeitung, die heuer 70 wird, tut in den kommenden Monaten ein paar Blicke in die Vergangenheit der Kommune, in ihre Gegenwart und – soweit möglich – in die Zukunft. Heute: Jedelhausen.
Der Stadtteil Jedelhausen liegt knapp sechs Kilometer südöstlich des Neu-Ulmer Rathauses. Das noch weithin landwirtschaftlich geprägte Dörfchen zählte zum Jahreswechsel 375 Einwohner und bedeckte eine Fläche von 1,7 Quadratkilometern, womit es den kleinsten unter den 14 Stadtteilen Neu-Ulms bildet. Die überwiegend waldfreie Landschaft unterhalb des „Kleinen Heining“ war allerdings schon zur Hallstattzeit im sechsten Jahrhundert vor Christus bewohnt. Auch auf römische Spuren stieß die Kreisarchäologie im Raum Jedelhausen. Ein paar sonderbare Flurnamen in der Umgebung geben Rätsel auf.
Seinen Namen hat das Dorf wohl im 8. Jahrhundert von einem Udalrich oder einer Udalhild aus dem Geschlecht des Markgrafen Gerold erhalten. Dieselbe Sippe gab auch dem benachbarten Gerlenhofen vor mehr als tausend Jahren schon seinen Namen. Bis zum Jahr 1352 gehörte Jedelhausen, vermutet die Neu-Ulmer Stadtchronik von 1994, als Lehen der Grafen von Kirchberg dem Ulmer Patriziergeschlecht von Halle. Dessen Namen führt das Sträßchen zum Nachbarort Hausen weiter.
Ein Schloss aus dem 16. Jahrhundert wurde im 19. abgetragen
Schon 1572 hatte sich der wohlhabende Ulmer Metzger und Viehhändler Hans Claus, der kurz zuvor erst von Weißenhorn in die Münsterstadt umgezogen war, gemeinsam mit seiner Ehefrau Cordula, geborene Negerin, ein Schloss im Dorf errichten lassen. Das vornehme Haus wurde allerdings im 19. Jahrhundert abgetragen. Geblieben ist ein einzelner Baustein mit den Wappen der Familien Claus und Neger, der im Ulmer Museum verwahrt wird.
Ein zweites Jedelhauser Schloss steht noch heute. Hinter hohen Hecken, viel Gesträuch und ein paar mächtigen Bäumen liegt es einigermaßen verborgen am Posthornweg. Ein neben dem Hauseingang in die Wand eingelassenes Tonrelief mit Wappen weist die Ulmer Patrizierfamilie Schad von Mittelbiberach als einstige Besitzer des Schlösschens aus. Die Jahreszahl 1792 steht für Renovierung und Umbau des Hauses. Schon am 29. Oktober 1552 hatte Kaiser Karl V. den Schads und weiteren 16 Familien in Ulm den erblichen Adel bestätigt als „recht edelgepornen torniers-, lehensgenoß und rittermessigen leutehn“. Franziska von Mittelbiberach wird 1834 als letzte Besitzerin des Familienschlosses genannt.
Danach ging das vornehme Haus von Hand zu Hand, wechselte wiederholt den Besitzer. Der Jedelhauser Landwirt Preißler richtete im Erdgeschoss praktischerweise einen Pferdestall ein. Die ihm nachfolgende Choldhilde von Groll baute diesen 1919 zum großzügig bemessenen Festsaal um. Zeitweilig besaß das Schloss der Architekt Edmund Capitain, der dem im benachbarten Hausener Schloss residierenden Freiherrn von Linden die Gruftkapelle an den Haldenbach südlich des Orts baute. Schließlich erwarb der Ulmer Landgerichtsdirektor Walter Haas das ganze Anwesen, um es, wie die Erbauer Jahrhunderte vor ihm, als Sommersitz zu nutzen. Nachdem seine Ulmer Wohnung im Dezember 1944 jedoch im Bombenangriff völlig zerstört worden war, zog Haas sich gänzlich nach Jedelhausen zurück.
Waghalsige Heimkehr mit einem Jagdbomber am Tag der Kapitulation
Dort erlebte er am 8. Mai 1945, dem Tag der deutschen Kapitulation am Ende des Zweiten Weltkriegs, eine veritable Überraschung. Sein Sohn Günther, während des Kriegs Pilot eines Jagdbombers vom Typ Bf 109, auch Me 109 genannt, hatte am Tag der Kapitulation den waghalsigen Versuch unternommen, noch im letzten Moment der Gefangennahme zu entkommen und heimzukehren. Dazu schwang er sich in sein Kampfflugzeug, um mit dem letzten Rest an Flugbenzin den elterlichen Wohnsitz zu erreichen. Nun hat Jedelhausen allerdings keinen Flugplatz. Die nächstgelegene Landebahn wäre der Neu-Ulmer Stadtteil Schwaighofen gewesen. Doch dorthin traute sich der Heimkehrer wohl nicht, weil die Stadt seit 14 Tagen schon von amerikanischen Truppen besetzt war.
Also brachte er in einem waghalsigen Landemanöver seinen Flieger am Osthang des „Kleinen Heining“ auf freiem Feld zu Boden. Wie Harald Kächler in seinem Büchlein „Schlösser um Ulm“ überliefert, war Vater Walter Haas gerade damit beschäftigt, im Schlossgarten Holz zu spalten, als die zweimotorige Maschine vor seinen Augen etwas holprig landete. Es ging alles gut. Allerdings wurde Sohn Günther dennoch erst mal in amerikanischer Gefangenschaft festgesetzt.
Die Gegend um Jedelhausen, das im 14. Jahrhundert Uttelhusen genannt wurde, weist ein paar schwer deutbare Flurnamen auf. So ist es Fachleuten rätselhaft, woher der Name „Heining“ kommt. Peter Löffelad, der vor 25 Jahren auf 304 Buchseiten die Neu-Ulmer Flurnamen gesammelt, untersucht und teilweise auch gedeutet hat, vermutet die Herleitung von Heune oder Hüne, was Riese bedeutet. Doch so recht überzeugt ist er von dieser Lösung selbst nicht. Über die Flur „Schelmenäcker“ führte früher der „Schelmenweg“ zur „Schelmengrube“, in der Tierkadaver beseitigt wurden. Keine Erklärung findet Löffelad hingegen für den „Schleicheichacker“.
Lesen Sie auch: Wie die Zeitung nach Neu-Ulm kam