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Jahresrückblick 2020: Corona im Landkreis Neu-Ulm: Mit einem infizierten Kinobesucher fing alles an

Jahresrückblick 2020

Corona im Landkreis Neu-Ulm: Mit einem infizierten Kinobesucher fing alles an

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    Teststäbchen und Gesichtsmaske sind in Zeiten der Corona-Pandemie die Gegenstände des Jahres
    Teststäbchen und Gesichtsmaske sind in Zeiten der Corona-Pandemie die Gegenstände des Jahres Foto: Alexander Kaya

    Schlimme Dinge werden manchmal gerne abgekürzt, um sie nicht immer aussprechen zu müssen. Bei Engländern und Amerikanern etwa gibt es das „böse F-Wort“ mit den vier Buchstaben. In immer mehr Medientexten taucht mittlerweile in Deutschland die Formulierung „das C-Wort“ auf, was dann auch immer ein wenig genervt klingt. Und es stimmt ja: Corona – wir nennen als Journalisten die Dinge gerne beim Namen – nervt, und das schon so lange. Das Virus schränkt schon seit dem Frühjahr das öffentliche Leben stark bis ganz massiv ein - auch im Landkreis Neu-Ulm.

    Es greift nicht nur die Gesundheit der Menschen an, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Gegen Ende dieses lähmenden Jahres wird der Ton zwischen denjenigen, die Anti-Corona-Maßnahmen für richtig und wichtig halten, und jenen, die all das für falsch und nichtig empfinden, immer rauer. Aber, jetzt mal von Anfang an.

    Skifahrer bringen das Coronavirus aus Südtirol in den Landkreis Neu-Ulm

    Lange schien das Virus weit weg, doch dann Ende Februar wird bekannt, dass ein Corona-Infizierter aus dem Raum Göppingen in Neu-Ulm im Kino saß. 128 Menschen haben an diesem Abend denselben Film angeschaut. Damit wird das Kino noch nicht zum Hotspot, der Besuch bleibt offenbar folgenlos, aber der erste Warnschuss ist gefallen. Wenige Tage später wird es ernst, denn das Gesundheitsamt muss bekannt geben, dass sich die beiden ersten Kreisbürger angesteckt haben. Sie waren mit einer großen Gruppe aus Ulm in Südtirol beim Skifahren. Danach geht es Schlag auf Schlag.

    Das C-Wort ist in aller Munde und in vielen Köpfen. Die Ersten treffen Schutzmaßnahmen: Als der Discounter Aldi – angeblich rein zufällig – Desinfektionsmittel feilbietet, bilden sich lange Schlangen vor den Filialen. Der Beginn der Hamsterkäufe, die sich später auf Haushaltswaren wie Toilettenpapier, Mehl, Hefe oder Nudeln ausweiten. Dann ist der erste Tote zu beklagen, ausgerechnet am Wochenende der Kommunalwahl, die unter verschärften Hygieneregeln durchgezogen wird.

    Landrat Thorsten Freudenberger (CSU) muss gleich als Krisenmanager ran und kann sich gar nicht so recht über seine Wiederwahl freuen. Die Stimmenauszählung wird noch rasch abgewickelt, während die ersten Schulklassen schon in Quarantäne geschickt sind, und dann geht es mit Volldampf in den ersten Lockdown, der zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht so heißt. Der Katastrophenfall wird ausgerufen, öffentliche Einrichtungen machen dicht, wenig später viele Läden. Die einzigen Konzerte, die nun noch aufgeführt werden, sind Streichkonzerte. Die Zeitungsspalten füllen sich mit Meldungen, was alles abgesagt werden muss. Und das war’s dann erst mal für lange Zeit mit Kultur. Sie kommt nach einem etwas mauen Zwischenhoch im Sommer, unter vielen Hygieneauflagen, das ganze restliche Jahr nicht mehr auf die Beine.

    Corona infiziert auch den Landrat von Neu-Ulm

    Der Landkreis Neu-Ulm schlägt sich in der Krise eigentlich ganz wacker, die Zahl der Infektions- und Todesfälle hält sich lange Zeit in Grenzen. Das rasch eingerichtete Notfallkrankenhaus im Claretiner-Kolleg Weißenhorn wird dann doch nicht benötigt. Auch wenn in einer Senioreneinrichtung in Ludwigsfeld die Pandemie zahlreiche Todesopfer fordert, sind es längst noch nicht so viele wie im benachbarten Alb-Donau-Kreis, wo vor allem im Herbst alte Menschen in ihren Pflege- und Betreuungseinrichtungen dahingerafft werden.

    Allerdings kehrt das Virus nach den Sommerferien mit Macht zurück und auch der Kreis Neu-Ulm reiht sich in den roten bis dunkelroten Fleckenteppich auf der Deutschlandkarte ein, mit der das Robert-Koch-Institut den Seuchenzug von Covid-19 Tag für Tag aufs Neue dokumentiert. Am Schluss des Jahres erwischte es dann auch Landrat Freudenberger, der sich mit Corona infiziert, aber dank eines milden Krankheitsverlaufs seine häusliche Quarantäne bald wieder verlassen darf.

    Für Kopfschütteln und Verwirrung sorgen immer wieder die unterschiedlichen Regeln in den beiden Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg. Bleiben im Freistaat während des ersten Lockdowns die Baumärkte zu, bewegen sich wahre Pilgerströme über die Donau, Bau- und Gartenmärkte im Ländle werden zeitweilig sozusagen zu Käufer-Hotspots. Ungezählt sind die Geschichten von angeblichen Polizeikontrollen an den Brücken, die den kleinen Kunden-Grenzverkehr unterbinden sollten.

    Es leuchtet auch nicht jedem ein, wenn der Weinhändler in Bayern beim ersten Lockdown öffnen darf, der Kollege auf der anderen Seite aber nur Ware zum Abholen bereitstellen kann. Vor allem die Gastronomie leidet unter den Maßnahmen, gibt sich teilweise viel Mühe mit Hygienekonzepten, muss dann aber gegen Ende des Jahres wieder dichtmachen. Und die Polizei steht vor der undankbaren Aufgabe, feucht-fröhliche Treffen ebenso auflösen zu müssen wie Kindergeburtstage.

    Im Landkreis formiert sich Widerstand gegen Anto-Corona-Maßnahmen

    Das Virus sorgt auch dafür, dass solche Orte wie Pfaffenhofen, Weißenhorn und Illertissen zu regelrechten Widerstandsnestern werden. Das gab es zuletzt während der Gebietsreform Anfang der 70er-Jahre. Wandten sich die Protestierer damals gegen ein erzwungenes Zusammensein von Orten, die nicht zusammengehören wollten, geht es nun gegen die erzwungene Trennung. Regelmäßig treffen sich Gruppen von Kritikern zu ihren Kundgebungen, um sich gegen staatliche Zwangsmaßnahmen wie die Maskenpflicht zu stellen. In Ulm tut sich da besonders der Rechtsanwalt Markus Haintz hervor, der sogar zu einer bundesweiten Größe in der Querdenker-Bewegung aufsteigt. Befürworter und Gegner der Maßnahmen stehen sich scheinbar unversöhnlich gegenüber. Das Virus zerstört Freundschaften und spaltet Familien. Das ist, abgesehen von etlichen gesundheitlichen Einschränkungen, eine der vielleicht gravierendsten Spätfolgen von Covid-19. Hoffentlich kann der Jahresrückblick 2021 dann wieder etwas freundlicher ausfallen.

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