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Immer der Kugel nach

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Immer der Kugel nach

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    Ohne die Männer mit dem Käscher geht das Spiel nicht weiter, wenn die hölzerne Kugel im Graben gelandet ist.
    Ohne die Männer mit dem Käscher geht das Spiel nicht weiter, wenn die hölzerne Kugel im Graben gelandet ist.

     Bis zu 30 Leute, Männer und Frauen, Jung und Alt, bewegen sich in kleinen Gruppen in gemäßigtem Schritttempo über die rund drei Kilometer lange Strecke und auch wieder zurück. Mit dabei ist auch ein Mann mit einer langen Stange, an der vorn ein kleiner Korb angebracht ist, wie bei einem Apfelpflücker.

    Import aus Norddeutschland seit 1994 in Offenhausen

    Dieses Werkzeug wird gebraucht, wenn eines der Spielgeräte, eine Kugel etwas kleiner als eine Kegelkugel, einmal vom Weg abkommt und in einen mit Wasser gefüllten Graben rollt. Der Wettkampf, der hier stattfindet, nennt sich Boßeln und ist 1994 von Sportlern des SV Offenhausen aus Norddeutschland, genauer gesagt aus Ostfriesland, importiert worden und wird seitdem im Frühjahr und Herbst regelmäßig betrieben. "Aber nur zu unserem Vergnügen", sagt Helga Schmid, Schriftführerin des SVO. "So ernsthaft und wettbewerbsmäßig wie das im Norden gemacht wird, geht es bei uns nicht zu. Für die Boßeler dort oben werden sogar Landstraßen für den Verkehr gesperrt."

    Die Regeln des Spiels, das man auch als Langstreckenkegeln bezeichnen könnte, sind recht einfach. Üblicherweise treten zwei je vierköpfige Mannschaften gegeneinander an. Jede besitzt eine Boßelkugel, die abwechselnd geworfen wird. Kommt eine Kugel vom Weg ab, darf dort weitergeboßelt werden, wo sie den Weg verlassen hat, ansonsten geht es weiter, wo die Kugel liegen geblieben ist. Sieger wird, wer die wenigsten Würfe für die drei Kilometer lange Strecke benötigt. Das sind zumeist zwischen 40 und 60 Würfe.

    Nur bei Tiefschnee bleiben die Boßeler zu Hause

    "Gespielt wird bei jedem Wetter", berichtet Helga Schmid. Und Reinhold Knecht ergänzt: "Ganz gleich ob Regen, Matsch oder Sonnenschein. Einzige Ausnahme ist hoher Schnee." Den gab es aber am vergangenen Sonntag nicht, als die 16 Boßeler des SVO sich bei allerdings minus zehn Grad mal wieder auf die Strecke machten. Mit dabei ist auch immer eine Strichliste, denn jeder Wurf, die Ostfriesen sagen "Schötz" (Schuss), von jeder Mannschaft muss genau registriert werden. Damit die Mannschaften nicht verwechselt werden, werden sie entsprechend dem Schafkopfblatt Laub, Eichel, Herz und Schellen genannt. "Stammmannschaften gibt es bei uns nicht", betont Helga Schmid. "Wir losen jedes Mal aus." Eine Garantie dafür, dass es immer lustig zugeht auf der Strecke. "Einen Schlachtruf haben wir auch", sagt die Schriftführerin. "Und der ist Plattdeutsch und lautet ,Fleu herrut!', was soviel bedeutet wie ,Flieg heraus!'"

    Wie es aussieht, sind sich die Offenhauser Boßeler selbst genug. "Andere Mannschaften brauchen wir nicht", meint Reinhold Knecht. Aber er weiß, dass es "oben auf der Alb" auch noch Boßeler gibt. Im Anschluss an die zweistündige "Prozession" mit zumeist zwei mal zwei Mannschaften geht es in eine Wirtschaft um sich zu stärken und die Ergebnisse, die akribisch festgehalten und abgeheftet werden, zu diskutieren. Denn die Verhältnisse auf dem Wirtschaftsweg sind jedes Mal anders. Einmal hüpfen die Kugeln auf Eisresten unberechenbar wie Derwische, mal sind die Randstreifen so matschig, dass die Kugeln einfach stecken bleiben.

    Lockerer Zusammenschluss ohne viel Bürokratie

    "Eine eigene Abteilung sind die Boßeler im SVO nicht", unterstreicht Schriftführerin Schmid. Eher ein lockerer Zusammenschluss, darunter auch etliche der Offenhauser Eisstockschießer. Es gibt also wenig Bürokratie. Doch ganz ohne Bürokratie geht es doch nicht. Damit die Freizeitsportler den Wirtschaftsweg zwischen Finningen und Steinheim benutzen dürfen, braucht es eine Erlaubnis. Und die haben die Boßeler immer dabei. Und natürlich kostet die auch was. "Zwanzig Euro sind das pro Jahr, die die Stadt kassiert", schmunzelt Helga Schmid. Dafür gibt es dann aber auch keinen Ärger mit den Landwirten, die auf ihre Wiesen oder Felder wollen.

    Termin Das nächste Mal sind die Boßeler am 13. Februar unterwegs. Start ist um 9 Uhr beim Schützenheim Finningen. Mitspieler und Zaungäste sind jederzeit willkommen.

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