Nach dem Urteilsspruchlagen sich das Opfer und ihre Mutter in den Armen. Tränen flossen reichlich. "Es ging ihr darum, dass ihr geglaubt wird", sagte dazu ihr Anwalt Wolfram Schädler. Das war im Laufe des Prozesses offenbar nicht immer so. Der Vorsitzende Richter machte in Ulm deutlich, dass der Weg zum Urteil nicht einfach war.
Bis zuletzt schwiegen sämtliche Angeklagten zu den Tatvorwürfen, die fassungslos machen: Eine ganze Nacht durch und einen Tag lang sollen vier Asylbewerber aus Afghanistan, dem Irak und dem Iran ein 14-jähriges Mädchen in einer Asylunterkunft in Illerkirchberg in vielfacher Weise vergewaltigt und misshandelt haben. Mal mit Kondom, mal ohne.
Vergewaltigungen einer 14-Jährigen an Halloween in Illerkirchberg
Die Strafen für die Angeklagten seien "nahezu am untersten Rand des Strafmaßes angesiedelt", wie es Wolfgang Fischer, der Vorsitzende Richter, formulierte. Zwei der Angeklagten müssen nun für zwei Jahre und drei Monate ins Gefängnis. Einen der Angeklagten sprach das Gericht der Vergewaltigung und gefährlichen Körperverletzung schuldig. Sowie den anderen der Vergewaltigung in drei Fällen. Die beiden anderen Angeklagten müssen für zwei Jahre und zwei Monate in Haft. Einer wurde der Vergewaltigung, der andere der Beihilfe zur Vergewaltigung und der gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen. Und zwar teils unter Ausnutzung der Bewusstseinsbeeinträchtigung. Mit einem Betäubungsmittel sei die 14-Jährige gefügig gemacht worden. Und am Morgen nach der Tatnacht habe sie noch eine Ecstasy-Tablette bekommen.
Vergewaltigungs-Prozess in Ulm: Aus fünf Angeklagten wurden vier
Vor Gericht standen in Ulm am Montag nur vier der ursprünglich fünf Angeklagten, die zum Tatzeitpunkt 2019 zwischen 15 und 27 Jahre alt waren. Der jüngste Beschuldigte soll aufgrund minder schwerer Vergehen eine Chance auf einen Täter-Opfer-Ausgleich erhalten. Er ist der Bekannte des Opfers, somit also der Grund warum die 14-Jährige Kontakt zu den anderen Tätern bekam.
Letztlich führten nach Auffassung des Opferanwalts DNA-Spuren zu Geständnissen der über Monate schweigenden Täter, die zu einer Einigung auf ein Strafmaß führten. Wie der Richter betonte, genüge nun mal vor Gericht nicht die Erkenntnis, dass das Opfer eine "furchtbare Nacht" hatte. Sondern es gehe darum zu definieren, was wirklich bewiesen werden könne. Dabei hat es offenbar durchaus Schwierigkeiten gegeben: "Es gab Zweifel und es sind auch noch Zweifel vorhanden", sagte der Richter. Das Opfer habe streckenweise falsche Angaben gemacht.
Allein das Protokoll, das die Polizei aufgenommen habe fülle 100 Seiten. Hinzukommen die Aufzeichnungen von weiteren 14,5 Stunden Vernehmungen. Widersprüchliches inklusive. Fragen warf aus Sicht des Gerichts auch eine WhatsApp des Opfers an ihre offenbar besorgte Mutter auf eine Nachfrage in der Tatnacht auf. Die Mutter wollte offenbar wissen, wo sich denn ihre Tochter aufhalte: Die Antwort: "Du zerstörst mein Leben."
Vergewaltigung in Illerkirchberg: Opfer hatte Selbstmordgedanken
Ein Gutachten bescheinigte dem Opfer zudem eine offenbar gestörte sexuelle Entwicklung. Der Richter sprach von einem "distanzlosen sexuellen Verhalten gegenüber Fremden". Diesen Wesenszug hätten vor der Tat ihre Freunde als peinlich bezeichnet. Weiter sprach der Richter von schweren psychischen Problemen, die bis zum heutigen Tag anhielten. Doch die Gutachter hätten auch das "volle Bild" einer posttraumatischen Belastungsstörung entdeckt. Gerade die Vernehmungen hätten das minderjährige Opfer an ihre Grenzen gebracht. Es gab Hinweise auf Selbstmordgefahr sowie dem Entstehen einer "schizophrenen Psychose". Der psychische Zustand des Opfers sei „verheerend“. Umso wichtiger sei es gewesen, den Prozess durch die getroffene "Verständigung" abzukürzen.
Mütter der Täter rufen in Richtung des Opfers der Vergewaltigung
Die Erkenntnis daraus: Es könne nicht alles erfunden sein, so der Richter. Die Verteidiger argumentierten hingegen, dass wenn Geschlechtsverkehr stattgefunden hat, das Gericht beweisen müsse, dass dieser nicht einvernehmlich geschehen sei.
"Meine Mandantin wollte, dass die Öffentlichkeit erfährt, dass ihr Unrecht geschehen ist", sagte der Opferanwalt Schädler. Die Höhe der Strafe sei für seine Mandantin sekundär. Es sei für die Verarbeitung der Taten wichtig gewesen, bei der Urteilsverkündung dabei zu sein. Mutter, Tochter und der Vater blickten so den Tätern bei der Verkündung der Urteile in die Augen. Sofern das möglich war. Denn diese - mit Fußfesseln versehen - vergruben teilweise ihre Gesichter in den Händen, ein anderer blickte völlig regungslos in den Raum. Nur einer heulte ununterbrochen während er der Simultanübersetzung zuhörte.
Zwei verschleierte Frauen, offenbar die Mütter von zwei Angeklagten, versuchten nach dem Urteilsspruch völlig aufgelöst Kontakt mit der Opferfamilie aufzunehmen und riefen unverständliche Worte mit Gesten der Entschuldigung in Richtung der sich umarmenden Familie. Auch weil sie den Mundschutz abnahmen, wurden die Zwei vom Sicherheitsdienst aus dem Donausaal geleitet.
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