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Ulm: Hinter der Ulmer Theaterbühne macht er die Ansagen

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Hinter der Ulmer Theaterbühne macht er die Ansagen

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    Der Kommunikator in Aktion: Felix Goldbeck am Inspizientenpult.
    Der Kommunikator in Aktion: Felix Goldbeck am Inspizientenpult. Foto: Alexander Kaya

    Wenn Felix Goldbeck auf den Mikrofonknopf drückt, sollten alle hinter der Bühne besser zuhören. So wie jetzt, wenige Minuten vor dem Beginn der zweiten Vorstellung von „Der Räuber Hotzenplotz“ an diesem Vormittag. „Der Einlass hat begonnen, bitte nicht mehr die Bühne betreten“, sagt der 40-Jährige durch. Gleich springen Kasper und Seppel auf die Bühne, gleich folgen ihnen die brave Oma und der Räuber mit seiner Pfefferbüchse. Aber das alles kann nur klappen, wenn der Inspizient hinter der Bühne alles im Griff hat.

    Von den wichtigen Jobs im Theater ist der des Inspizienten wahrscheinlich der unbekannteste. Weil man ihn nie zu Gesicht bekommt. Sein Arbeitsplatz ist ein Pult neben der Bühne, vom Publikum aus betrachtet links. Dort stehen dann Goldbeck oder sein Kollege, ein Headset auf dem Kopf, vor sich Dutzende Knöpfe und Regler und drei Bildschirme – und das Inspizientenbuch. Es ist die Gebrauchsanweisung für den Ablauf einer Theatervorstellung: Rechts befindet sich der Text (beziehungsweise Libretto oder Partitur), links die Notizen über den Ablauf. Diese enthalten die sogenannten „Cues“, also Einsatzzeichen. Diese durchzugeben, ist die Hauptaufgabe des Inspizienten. Sein Pult ist die Kommunikationszentrale.

    Felix Goldbeck: Das ist seine Aufgabe als Inspizient am Ulmer Theater

    Hinter der Bühne ist es dunkel, nur von der Bühne und den Monitoren am Inspizientenplatz kommt Licht. „Es ist 10.55 Uhr, dritte und letzte Zeitansage“, gibt Goldbeck durch, ans ganze Haus. Wer jetzt noch nicht bereit für seinen Einsatz ist, sollte sich sputen. „Technik, bitte den Kubus besetzen“, sagt Goldbeck. Der Kubus, das ist der Würfel, der beim „Hotzenplotz“ gleichzeitig das Haus der Oma, der Wald, die Räuberhöhle und das Schloss des Zauberers ist. Zwei Mann befinden sich während der Vorstellung in dieser Kiste, ein weiterer sitzt am Bühnenrand und steuert die Drehbühne. Noch eine Fragerunde. Ton da? Licht da? „Ihr hört mich alle laut und deutlich?“, fragt der Inspizient. Kann losgehen. Nein, doch nicht. Goldbeck erfährt aus dem Foyer, dass eine Gruppe noch auf der Toilette ist. Noch ein wenig Geduld. Dann sieht er auf dem Bildschirm, wie die Kinder Platz nehmen. „Und die 2 ab.“

    Die Zahlen stehen im Inspizientenbuch für die Lichtstimmungen auf der Bühne, beim „Räuber Hotzenplotz“ sind es mehr als 40 Nummern, in Goldbecks Buch mit einem gelben Kreis markiert. Andere Einsatzzeichen gibt der Inspizient als Klartext. Der Kubus dreht sich und stoppt. „Tanne und Gartenzaun jetzt entriegeln.“ Dann: „Tanne und Gartenzaun fixieren.“ Das Buch mit den entsprechenden Anweisungen entsteht bei den Proben, die vom für das Stück zuständigen Inspizienten begleitet werden. Im Prinzip ist er also der Statthalter des Regisseurs, zumindest, was das Technische angeht. Er ist ein Bindeglied zwischen der technischen und kreativen Abteilung des Theaters. Er sollte also beide Seiten kennen.

    Felix Goldbeck, der aus Berlin stammt, hat sogar noch eine zusätzliche Perspektive. Denn er ist studierter Oboist, arbeitete als Orchestermusiker in Cottbus und Linz. Besonders gerne begleitet er zeitgenössische Opern – „dazu bin ich prädestiniert“, sagt er, schließlich könne er auch komplizierte Partituren lesen. So interessant die Orchesterarbeit sei: Mit dem Theater habe er schon immer geliebäugelt, so Goldbeck, deswegen mag er den Job als Inspizient, in dem er seit 2012 arbeitet, zuletzt in Salzburg. Aber in Ulm gefalle es ihm besser. „Besser hätte ich es nicht treffen können.“ Und auch die anderen im Haus mögen den Mann mit der freundlichen Stimme, der sich über Lautsprecher auch mal singend an seine Kollegen wendet oder dem Team einen schönen Tatortabend wünscht. Goldbeck ist der Prototyp des netten Inspizienten. „Ich fühle mich nicht als Befehlsgeber“, stellt er klar. Und bei ihm am Pult gebe es immer Süßigkeiten. An diesem Tag kleine Schoko-Nikoläuse und Geleedrops.

    Auf der Bühne wird es langsam ernst für Kasper. Gleich macht er die Bekanntschaft mit Zauberer Petrosilius Zwackelmann, der ihn nicht nur einsperrt, sondern auch noch zum Kartoffelschälen verdonnert. Schauspieler Nils Willers steht am Inspizientenpult bereit und beobachtet, wie der Räuber die vermeintliche Schatzkiste knackt. „Da ist gar kein Gold drin“, flüstert er Goldbeck mit Zaubererstimme zu, „denn dann wären wir nicht hier, sondern auf den Seychellen.“ Der Inspizient lächelt. Aber als er seine Bühnenkamera neu einstellen will, fällt das Bild durch. Böse Magie? Er darf sich davon nicht behindern lassen. „Requisite, Schnupftabak in die Unterbühne“, sagt er durch. Und funkt dann Daniel Hatvani vom Ton an: Er soll mal die Kamera checken. Der kommt angelaufen, doch ändern kann er jetzt, mitten im Stück, nichts. „Wir checken das nach der Vorstellung“, verspricht er und klopft dem Kollegen aufmunternd auf die Schulter. Dann eben blind.

    Aufgabe des Inspizienten: Manchmal muss man schwierige Situationen meistern

    Als Inspizient muss man den Überblick behalten. Und schwierige Situationen meistern. Goldbeck hat schon ein paar erlebt. Die schlimmste ereignete sich in Linz, bei den Proben für das Musical „Les Misérables“. Damals sei einem Darsteller durch dessen eigene Unachtsamkeit ein Daumen abgerissen worden. „Ich habe ihn fliegen gesehen“, erzählt der 40-Jährige. Die Probe sei abgebrochen worden, für den Daumen musste Eis organisiert werden. Polizei und Rettungsdienst kamen. Eine Horrorsituation. Doch bei Vorstellungen sei bisher nichts passiert, sagt Goldbeck. Toi, toi, toi.

    Auch an diesem Tag ist alles gut gegangen. Auf der Bühne läuft das Happy End. Die 41 ab, die 42 ab. Goldbeck macht den Vorstellungsbericht fertig. Zum Theater gehört auch ein bisschen Bürokratie. „Totalausfall der Kamera“ vermerkt er darin – und „Presse anwesend“. Letzte Durchsage: „Ich wünsche eine schöne Mittagszeit. Wir sehen uns zur Hauptprobe am Samstag um 14 Uhr wieder.“ Goldbeck hat für diesen Tag Feierabend. Genug Theater für heute.

    „Der Räuber Hotzenplotz“ läuft wieder am Mittwoch, 19. Dezember, um 11 und 13.30 Uhr.

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