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Glosse: Aussterbende Büropflanzen in Zeiten der Coronakrise

Glosse

Aussterbende Büropflanzen in Zeiten der Coronakrise

Ronald Hinzpeter
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    Akut gefährdet:  das Arbeitsbegleitgrün im Büro
    Akut gefährdet: das Arbeitsbegleitgrün im Büro

    Nein, niemand muss wirklich wissen, wie das Übersehene oder auch Verkannte Filzkraut aussieht, schließlich gilt es seit 1930 als verschollen. Oder das Langläuferige Habichtskraut, das letztmals 1937 irgendjemand zu Gesicht bekommen hat.

    Diese und viele andere Pflanzen gelten bereits als ausgestorben, so wie die Dinosaurier oder der Dodo, der bis maximal 1690 auf Mauritius herumlief – bis ihm eingeschleppte Ratten und entsprungene Haustiere der neuen Inselsiedler den Garaus machten.

    Die Büropflanzen trocknen vor sich hin

    Aber warum in die Ferne schweifen, wenn das Bedrohte liegt so nah! Es geht um die gemeine deutsche Büropflanze, das Arbeitsbegleitgrün des einfachen Angestellten. Das ist in diesen Tagen extrem gefährdet. Zum Schutz vor dem heimtückischen Virus haben sich Heerscharen von Schreibtischtäterinnen und -tätern ins Homeoffice begeben, wo sie zwischen gut gefüllten Wäschekörben und malerisch im Raum verteilten Socken ihren täglichen Aufgaben am Heimcomputer nachkommen. Doch dieser Exodus hat vermutlich Abertausende von treu vor sich hin kümmernden Büropflanzen ihrem Schicksal überlassen. Wenn sich der Gebäudereiniger nicht zuweilen erbarmt und ein wenig lebenserhaltendes Nass spendiert, fallen sie dem Tod durch Vertrocknen anheim.

    Viren rotten auch Büropflanzen aus

    Nun gut, so mancher Ficus Benjamini, der auch unsere Redaktionsräume alibi-begrünt, entblättert sich im Laufe seines kümmerlichen Lebens zusehends. Andere, noch vor Wochen im Saft stehende Gewächse, deren Name dem Schreiber nicht geläufig ist, droht das Verderben durch Verdorren. Vergangene Woche erst haben wir aus dem entvölkerten Redaktionszimmer im dritten Stock ein dürres Pflänzchen gerettet und wiederbelebt. Doch nun sitzt nirgends mehr jemand, der die Redaktionsvegetation retten könnte. Wenn sich in den nächsten Wochen niemand erbarmt, muss die Arbeitsplatzbegrünung den Weg des Übersehenen Filzkrauts gehen. Viren rotten auch Büropflanzen aus, deshalb sollten wir sie jetzt schon auf die Rote Liste der bedrohten Arten setzen.

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