Startseite
Icon Pfeil nach unten
Neu-Ulm
Icon Pfeil nach unten

Elchingen: Zwei Elchinger in Nepal auf dem Gipfel der Gefühle

Elchingen

Zwei Elchinger in Nepal auf dem Gipfel der Gefühle

    • |
    Marina und Chris Keller aus Elchingen haben bei einer sechswöchigen Expedition nach Nepal den 8156 Meter hohen Berg Manaslu bestiegen.
    Marina und Chris Keller aus Elchingen haben bei einer sechswöchigen Expedition nach Nepal den 8156 Meter hohen Berg Manaslu bestiegen.

    Als Chris und Marina Keller aus der Gemeinde Elchingen zu ihrer sechswöchigen Expedition auf den Gipfel des 8156 Meter hohen Bergs Manaslu in Nepal aufbrachen, war für beide klar: Die Reise an sich soll das Erlebnis sein, der Gipfel wäre nur das i-Tüpfelchen – und das haben die beiden bei ihrer Reise gehabt. Doch wenn das Ehepaar an die Zeit am Berg zurückdenkt, haben sie als Erstes ein anderes Bild vor Augen.

    Die letzte Etappe zum Gipfel begannen für die Kellers und ihre Sherpas um 2.30 Uhr. Auch wenn sie manchmal aus Tempogründen getrennt voneinander gelaufen sind, auf dem Weg zum Gipfel sind sie zusammengeblieben – und kamen nach einigen Stunden dort um 8.30 Uhr auch an. Die obligatorischen Fotos sind nicht nur für die spätere Erinnerung zu Hause wichtig – ohne sie bekommt man kein Zertifikat. Denn Bergsteiger müssen genau nachweisen, dass sie es tatsächlich bis ganz nach oben geschafft haben, werden später auch noch von der Tourismusbehörde befragt.

    Die erfahrenen Guides arbeiten im Frühjahr eher am Mount Everest

    Glück hatten die beiden mit dem gewählten Zeitraum für ihre Reise: Denn nur innerhalb von drei Tagen war im Herbst – nur im Frühjahr gibt es ein weiteres, kleines Wetterfenster – der Aufstieg zum Gipfel überhaupt möglich. „Teams die ein oder zwei Wochen später als wir mit dem Aufstieg angefangen haben, konnten nicht hoch. Das ist schon auch bitter“, sagt Chris Keller. Das Ehepaar hatte sich für das Zeitfenster im Herbst entschieden – vor allem, weil viele der erfahrenen Guides im Frühjahr eher am Mount Everest arbeiten. Ebenfalls wichtig bei einer solchen Expedition: Bloß nicht zu motiviert zu schnell nach oben steigen. „Man neigt dazu ungeduldig zu werden und so schnell wie möglich ankommen zu wollen. Alleine wäre man viel zu schnell gelaufen – und das kostet Kraft“, erklärt der 35-Jährige. Sie haben sich an die erfahrenen Guides angepasst, diese waren um einiges langsamer unterwegs.

    Im Vorfeld waren sich die beiden im Klaren darüber, dass es sicherlich auch Tage geben wird, an denen man einen Durchhänger hat. Marina Keller erzählt: „An einem Tag fiel mir der Weg mit den Steigeisen am Gletscher so unfassbar schwer – und ich sagte: Ich bleibe hier, ich drehe um. Ich konnte einfach nicht mehr.“ Dabei hatte sie die Stelle zu diesem Zeitpunkt bereits dreimal erfolgreich absolviert gelaufen, denn bei der Besteigung geht es nicht geradewegs auf den Gipfel: Nach dem Erreichen des ersten Zwischenlagers, geht es erst einmal zurück zum Basislager, von dort aus dann wieder hoch, dieses Mal bis zum zweiten Zwischenlager, dann wieder zum Basislager und so weiter – bis man schließlich den Gipfel erreicht hat. Die 32-Jährige nahm schließlich alle Kraft zusammen – und lief weiter. Chris Keller sagt: „Diesen Punkt mental zu überschreiten, ist auch eine Herausforderung.“

    Wie ist es auf über 8000 Metern?

    Ein anderer Umstand am Berg war ganz anders als erwartet: die Temperatur. „Die erste Frage ist immer, ob wir auf dem Gipfel waren – und die zweite, wie kalt es war. Aber eigentlich war es viel zu warm“, sagt Marina Keller und lacht. In 6000 Metern Höhe waren es bei Sonnenschein bis zu 36 Grad, bei Nacht bis zu Minus 15 Grad – und das auch nur, wenn es wirklich kalt war. Am Tag komme man da in den dicken Daunenanzügen ganz schön ins Schwitzen – zumal man ja ständig in Bewegung sei. Dennoch betont Chris Keller: „Es wäre leichtsinnig gewesen zu sagen, man nimmt deshalb die ganze Ausrüstung nicht mit. Denn im schlimmsten Fall bezahlst du richtig hart dafür.“ Die größte Gefahr am Berg seien sowieso plötzliche Wetterumschwünge – ein Grund mehr, warum sich die Kellers mit einheimischen Bergführern auf den Weg gemacht hatten. „Das sind nicht nur coole Leute, sondern haben auch extrem viel Ahnung vom Berg und der ganzen Region.“ Chris Keller erlebte seinen unvergesslichen Moment nicht auf, sondern kurz unterhalb des Gipfels: „Irgendwann habe ich mich umgedreht und die Krümmung der Erdkugel gesehen. Da habe ich richtig verstanden, wo ich gerade bin und wie mickrig wir als eine einzelne Person sind.“ Nicht einmal im Flugzeug habe man so einen Anblick. Und auch wenn Marina Keller an die Expedition zurückdenkt, fällt ihr nicht als erstes der Moment auf dem Gipfel ein, sondern: „Ich sehe dann das Team vor mir.“ Die Menschen würden so viel verpassen, wenn sie sich nicht darauf einließen. Chris Keller fügt hinzu: „Wir haben gemeinsam meist mit unseren Guides und der Küchencrew gemeinsam gegessen. Ein Gespräch mit anderen Bergsteigern über Steuerthemen in Deutschland brauche ich da nicht – aber das gab es tatsächlich.“ Das sehen jedoch nicht alle Bergsteiger so, wie Chris Keller erzählt: „Es gibt auch welche die sagen: Ich habe Geld bezahlt, ich möchte den Gipfel erreichen und wie ich mit den Leuten vor Ort umgehe, ist egal.“ Das könne auch ein Risiko für die gesamte Gruppe darstellen, wenn man um jeden Preis den Aufstieg absolvieren wolle.

    Doch der 35-Jährige ist sich sicher, dass diese Form des Tourismus am Mount Everest noch wesentlich verbreiteter ist. „Viele Leute gehen da aus egogetriebener Sicht und nicht aus bergsteigerischer Sicht hin.“

    Auch wenn die Expedition körperlich anstrengend gewesen sei: „Mental war es so erholsam“, berichtet Marina Keller. Schließlich musste man sich keine Gedanken um Haushalt oder Arbeit machen, ein Telefon gab es auch nicht. Ihr Ehemann ergänzt, dass man den Kopf abschalten und sich auf den Moment fokussieren könne. „Du wirst einfach ein Stück weit gelassener und man merkt auch, mit wie wenig man auskommt.“ Und weiter: Man muss seine Komfortzone verlassen, wird aber dafür sehr belohnt.“ Nach ihrer Ankunft war die Rückkehr in den Alltag gar nicht so einfach.

    Daheim in ein Loch gefallen

    Chris Keller erzählt: „Wir haben uns ja ein Jahr auf die Expedition vorbereitet und waren voll auf dieses Projekt fokussiert.“ Da falle man schon wie in eine Art Loch, wenn das vorüber ist. „Es wäre jetzt leicht verlockend zu sagen: „Dann gehen wir jetzt ein neues Projekt an‘“, sagt Chris Keller, fügt jedoch hinzu: „Ich selbst habe nicht den Drang, das jetzt gleich zu tun.“ Statt des nächsten hohen Gipfels wollen die beiden lieber Land und Kultur weiter erleben, vielleicht mit ihren Guides vom Manaslu eine Trekkingtour machen. Denn, so sagt Chris Keller: „Es geht nicht um die Höhe des Berges per se, sondern um die Zeit mit den richtigen Menschen.“

    Auch interessant:

    Reinhold Messner: Auch ein Müllberg kann interessant sein

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden