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Neu-Ulm: Die Gefahr vom Kirchendach

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Die Gefahr vom Kirchendach

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    Diese Christusfigur thront auf der Kirche St. Johann Baptist in Neu-Ulm – jedoch nicht mehr lange. Die marode Figur muss durch eine neue ersetzt werden.
    Diese Christusfigur thront auf der Kirche St. Johann Baptist in Neu-Ulm – jedoch nicht mehr lange. Die marode Figur muss durch eine neue ersetzt werden. Foto: Andreas Brücken

    Der obere Teil der Christusfigur sieht auf den ersten Blick intakt aus. Bei genauerem Hinschauen erkennt man jedoch kleine Risse. Und je weiter der Blick die viereinhalb Meter hohe Figur nach unten schweift, desto auffälliger sind die Mängel. Löcher, die zu Untersuchungszwecken gebohrt worden sind, offenbaren: Das Innere bröckelt, lässt sich mit der Hand herausschaben. Eine Gefahr für die Sicherheit, denn wird nicht gehandelt, können Teile der maroden Figur abbrechen – und dann von der Spitze der St. Johann Baptist Kirche im Herzen Neu-Ulms 28 Meter in die Tiefe fallen. Im Zuge der Renovierungsarbeiten, die das Gotteshaus in eine Großbaustelle verwandelt haben, sind die Mängel an der Christusfigur unvorhergesehen entdeckt worden.

    Die Christusfigur, eine Kopie aus der Nachkriegszeit, ist nicht wie die beiden Statuen zu ihren Seiten aus Muschelkalk, sondern aus Beton gefertigt. „Das ist das, was uns jetzt Probleme bereitet“, sagt der zuständige Architekt Wolfgang Heisler. Die Figur besteht aus sechs Einzelteilen, die im inneren mit Eisenstäben zusammengehalten werden. Doch im Laufe der Zeit begann das Eisen zu rosten „und Rost hat ein vielfaches Volumen von Eisen“, erklärt Heisler. Deshalb können sich Risse bilden. Zudem haben Probebohrungen gezeigt, dass die Figur innen nass und bröselig war. „Wir sind uns nicht sicher, ob die Figur mit der Zeit kaputt gegangen ist oder ob es ein Herstellungsfehler war, beispielsweise am Zement gespart wurde“, sagt Heisler. Er fügt hinzu: „Wenn die Schale aufplatzt, fallen Teile der Figur runter.“

    Deshalb muss die Statue ausgetauscht werden – und das ist bei ihrer Größe und einem Gesamtgewicht von sechs Tonnen gar nicht so leicht. Das Gerüst rund um die Kirche soll bis zum Winter abgebaut werden, um „unnötige Kosten“ zu vermeiden – bis dahin muss also auch die Figur ihren Platz auf dem Kirchendach räumen. Dazu wird ein großer Kran aufgebaut, die Statue in ihre sechs Einzelteile zerlegt. Einen genauen Termin für den Abbau gibt es noch nicht, ebenfalls ist noch nicht absehbar, wann die neue Figur aufgestellt wird. Zunächst muss jemand gefunden werden, der sie herstellt. Keine einfache Aufgabe, wie Heisler betont, denn: „Der Kreis derjenigen, die eine viereinhalb Meter hohe Figur machen können, ist begrenzt.“ Klar ist schon: Statt aus Beton soll die neue Statue – wie die beiden anderen – aus Muschelkalk angefertigt werden. Nach einer ersten Schätzung wird sie 60000 Euro kosten. Zudem wurde bereits ein Laser-Scan der bestehenden Statue gemacht. „Sie wurde auf zwei Millimeter genau erfasst“, sagt Heisler.

    Der Austausch der Figur ist aber nur ein kleiner Bruchstein der umfassenden Renovierung, die bis Ende 2020 dauern und 4,2 Millionen Euro kosten soll. Grund für die Maßnahmen ist ein grundlegendes Problem, das dem im Jahr 1857 erbaute Gotteshaus zu schaffen macht: der Boden, auf dem es steht. Der Baugrund gibt nämlich immer wieder etwas nach, das Mauerwerk der Kirche kippt dadurch in verschiedene Richtungen. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Wände an jenen Stellen, an denen die Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut werden musste, aufreißen. Anfang Juni wurde damit begonnen, dem rissigen Fundament durch lange Gewindestangen aus Stahl wieder mehr Stabilität zu verleihen.

    Auch die Wände, die durch Kerzen- und Dieselruß verschmutzt worden sind, bekommen ihren alten Glanz zurück. Das geschieht mittels eines speziellen Reinigungsverfahrens. Auch das Dach wird neu gedeckt. Die Ziegel dafür – Mönchspfannen – hat das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege ausgewählt, weil diese den ursprünglichen Exemplaren am nächsten kommen. Die Kirche soll derweil am nächsten Freitag, 11. August, wieder komplett geöffnet werden. Bislang war dies nur am Wochenende der Fall, Samstag und Sonntag war nur die Krypta zugänglich.

    Die alte Christusfigur wird übrigens nicht einfach entsorgt: Heisler habe schon mit Helga Gutbrod, der Leiterin des Edwin-Scharff-Museums, Rücksprache gehalten, aber dort sei kein Platz, die Statue auszustellen. Sie wird allerdings im Fundus des Museums unterkommen, bis man für sie – so hofft Heisler – einen geeigneten Platz gefunden hat. „Sie ist ja schließlich ein Zeitzeuge“, betont er. Außerdem sei es schade, dass man die Figur sonst gar nicht wirklich wahrnehme. „Deswegen wäre es ganz schön, wenn man sie bald ebenerdig sehen könnte.“

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