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Ulm: Sie haben das Wohl des Ulmer Münsters im Blick

Normalerweise werden Großprojekte immer teurer als ursprünglich geplant. Im Fall der Sanierung des Chorraums des Ulmer Münsters ist das nun anders. Münsterbaumeister Michael Hilbert kalkulierte anfangs wie berichtet mit 460000 Euro. Dass es nun wohl billiger geht, liegt auch an einer Firma aus Weißenhorn: Peri, einer der weltweit größten Hersteller und Anbieter von Schalungs- und Gerüstsystemen, bietet sein Material deutlich günstiger an. Statt um die 180000 Euro wie marktüblich für das Gerüst im Chorraum verlangt werde, berechne Peri nur 55000 Euro. Hilbert sieht das als Teil einer Partnerschaft, die Ulmer Münsterbauhütte werde komplett auf Peri-Systeme umstellen. Ein 71 Meter hohes Arbeits- und Schutzgerüst sowie eine Schwerlastplattform am Hauptturm wurden bereits realisiert.

Trotz derartiger Unterstützung ist das Ulmer Münster als Bürgerkirche – einst ausschließlich von Ulmer Bürgern und nicht einer Konfession finanziert – auf Spender angewiesen. Der Münsterbauverein um seinen Vorsitzenden Eduard Schleicher sucht deswegen Spenden-Paten für die Erhaltung des Chorraums. Wie berichtet, stürzte jüngst Putz aus 26 Metern Höhe von der Decke. Der warme und trockene Sommer mit einer sehr geringen Luftfeuchtigkeit habe den Prozess beschleunigt, sodass mehrere große Putzstücke sich aus der Decke gelöst hatten und auf den Kirchenboden gestürzt sind. Der Chorraum – 29 Meter lang und 15 Meter breit – gehört zu den sehr alten Abschnitten des Münsters. Er wurde größtenteils aus Backstein errichtet und im Jahr 1449 fertiggestellt. Nun muss der Chor voraussichtlich für ein Jahr komplett eingerüstet und gesperrt werden.

Beseitigt werden letztlich Folgeschäden einer 500-Kilo-Bombe, die 1945 das Münster traf: Beschädigte Rippenbögen wurden nicht durch Naturstein, sondern in Eisenbeton sowie Kalkzementputz erneuert, was sich als nicht sehr haltbar erwies. Bereits im vergangenen Jahr hatte der Münsterbauverein Erfolg mit Spendenpatenschaften für die Restaurierung der mittelalterlichen Glasmalereien in der Bessererkapelle. 40000 Euro kamen so zusammen. „Die Ulmer Bürgerschaft hat sich immer um das Münster gesorgt. Es ist meine Aufgabe, dass das so bleibt“, sagt Schleicher, der sich dem Dank des Dekans sicher sein kann. Mit 500000 Euro im Jahr als Förderbetrag vom Land muss der höchste Kirchturm der Welt in Stand gehalten werden. Bei „außergewöhnlichen Ereignissen“, wenn etwa Putz von der Decke fällt, können 100000 Euro zusätzlich beantragt werden. Und wenn das Geld inklusive der Zuschüsse der Stadt nicht langt und weiterer Förderer wie etwa der Deutschen Stiftung Denkmalschutz nicht ausreicht, springt der Münsterbauverein ein.

„Das ist eine tolle und unbürokratische Hilfe“, so Ernst-Wilhelm Gohl. Wenn sich eine Lücke auftue, öffne der Münsterbauverein seine Kasse. Und die scheint auch aufgrund des Vermögens ihres Vorsitzenden immer gut gefüllt: Neben Drogeriemarkt-Chef Erwin Müller gehört Eduard Schleicher vom Zementriesen Schwenk Zement zu den Lokalmatadoren unter den laut Manager Magazin 500 reichsten Deutschen.

Die frisch sanierte Bessererkapelle wird in den kommenden Monaten aufgrund der Arbeiten im Chor nur schwer bis gar nicht erreichbar sein. Denn vermutlich, so Hilbert, müsse während der elf bis zwölf Monate andauernden Sanierungsarbeiten der Durchgang zur Kapelle gesperrt werden. Parallel zur Sanierung der Decke wird der Dreisitz und das Chorgestühl, mit Hunderten aus Eichenholz geschnitzten Figuren, saniert und gesäubert. Den zwischen 1469 und 1474 geschnitzten Kostbarkeiten stehe eine aufwendige, zeitintensive Reinigung und anschließende Konservierung bevor, die den verblassten Glanz zurückholen solle. Außerdem werden die Totenschilde geputzt. Staub und Ablagerungen der vergangenen Jahrzehnte haben an den Gedenktafeln für Mitglieder aus dem Adel und dem ratsfähigen Bürgertum deutlich sichtbare Spuren hinterlassen und die ehemals farbenprächtigen Schilde mit einem grauen und unansehnlichen Schmutzfilm überzogen. Und während das Gerüst im Chor noch in Planung ist, denkt Hilbert darüber nach, ob der Mittfünfziger die anstehenden Arbeiten noch vor seiner Pensionierung schafft: Keine Frage ist dies bei der Sanierung des 161,53 Meter hohen Turms, die wohl 2025 abgeschlossen ist und insgesamt 25 Millionen Euro kostet. Fraglicher ist dies beim Nordturm. Dieses Bauwerk ist als nächstes an der Reihe nachdem das Projekt Südturm vor acht Jahren erfolgreich abgeschlossen wurde – nach zwölf Jahren Arbeit.

Hinter die Kulissen der Münsterbauhütte lässt sich am Sonntag, 9. Dezember, blicken. Die Bauhütte ist von 13 bis 18 Uhr öffentlich zugänglich. In der Werkstatt finden von 13.30 bis 17.30 Uhr Vorträge statt. Steintechniker Richard Geczi informiert über 3-D-Technik in der Münsterbauhütte, Hüttenbaumeister Andreas Böhm spricht über den Weg des Steines durch die Bauhütte und Steinrestaurator Rouven Lambert erklärt die Steinkonservierung und Erhaltung der historischen Bausubstanz am mittelalterlichen Bau-abschnitt des Münsters. Für das leibliche Wohl ist gesorgt.

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