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Burlafingen: Walther Collection zeigt das alte und das junge China

Burlafingen

Walther Collection zeigt das alte und das junge China

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    Das junge, wilde China zeigen die Arbeiten von Lin Zhipeng im Weißen Kubus (Bild oben, mit Ausstellungsleiterin Daniela Baumann).
    Das junge, wilde China zeigen die Arbeiten von Lin Zhipeng im Weißen Kubus (Bild oben, mit Ausstellungsleiterin Daniela Baumann). Foto: Alexander Kaya

    Die Walther Collection ist mit China noch nicht fertig. Das liegt daran, dass der Bestand von fernöstlicher Fotografie aus der Sammlung einige bislang noch nicht gezeigte Schätze beinhaltet. Es liegt aber auch daran, dass Sammler Artur Walther und seine Mitarbeiter dieses Jahr gleich fünf Buchprojekte stemmen. Die ursprünglich für 2019 in Burlafingen geplante Schau mit vernakularer, also ohne künstlerische Absicht entstandener Fotografie eröffnet nun erst 2020, stattdessen hat das Walther-Collection-Team die letztjährige China-Ausstellung „Life and Dreams“ um einige Positionen erweitert – die neue Perspektiven auf die Geschichte des Landes ermöglichen.

    Ganz neu gestaltet wurde für „Now and Then: Life and Dreams Revisited“ die Präsentation im Grünen Haus: Dort sind nun auf zwei Stockwerken Drucke einer Serie eines unbekannten Fotografen zu sehen, die Walther erst vor Kurzem erworben hat. Die Bilder zeigen Szenen aus dem China der ausgehenden Kaiserzeit, entstanden um 1910. Laut Ausstellungsleiterin handelt es sich bei dem unbekannten Urheber vermutlich um einen Fotografen aus Europa oder Amerika. Dieser reiste von Shanghai nach Norden, doch Sehenswürdigkeiten interessierten ihn weniger als Land und Leute. Die Aufnahmen – ursprünglich stereoskopische Bilder – zeigen Land und Leute, einfache Landarbeiter auf Reisfelder ebenso wie Stadtbewohner, die westlich gekleidet am Bahnhof stehen. Die Fotos machen das alte China lebendig, das durch die politischen und wirtschaftlichen Umbrüche des 20. und 21. Jahrhunderts inzwischen fast verschwunden ist. Eine bemerkenswerte Serie.

    Die Walther Collection kennt Probleme mit der chinesischen Zensur

    Der Kontrast zu den Arbeiten, die für „Now and Then“ im ersten Stock des Weißen Kubus gehängt wurden, könnte kaum größer sein. Dort hängen Bilder des 1979 geborenen Künstlers Lin Zhipeng, der zur jüngsten chinesischen Künstlergeneration gehört. Lin, der sich auch 223 nennt, ist von westlicher Modefotografie und Hollywood-Kino inspiriert, verbreitet seine Aufnahmen in einem Blog – und rückt die alternative Jugendkultur Chinas in den Fokus. Der Künstler kennt keine Tabus, seine inszenierten Fotos spielen offensiv mit Exzess, Nacktheit und Sexualität (auch mit Homosexualität), wobei die Walther Collection laut Ausstellungsleiterin Daniela Baumann eine familientaugliche Auswahl zeigt. Die chinesische Zensur sieht das allerdings anders, in seiner Heimat gelten Lins Arbeiten oft als pornografisch – weshalb er die Abzüge nicht per Post, sondern, was unüblich ist, als Dateien nach Burlafingen schickte. Die Walther Collection kennt solche Probleme: Wie Baumann berichtet, kommen nach China versandte Kataloge von „Life and Dreams“ inzwischen nicht mehr bei den Empfängern an. „Da stehen wir inzwischen auf einer Liste.“

    Warum, das erklärt die übrige Ausstellung, bei der im Vergleich zum Vorjahr nur wenige Arbeiten ausgetauscht wurden. Die Fotografien und Videos zeigen ein China-Bild, das gar nicht nach dem Geschmack des Regimes ist. Die Künstler, darunter bekannte Namen wie Ai Weiwei, behandeln Themen wie die rücksichtslose Urbanisierung, die Tibet-Politik, die Folgen der Kulturrevolution, die Armut auf dem Land oder auch Prostitution. Die Walther Collection zeigt ein China der brutalen Widersprüche – durch die Augen von Fotokünstlern internationalen Formats: Die Ausstellung hat durch die Ergänzungen noch gewonnen.

    Die Ausstellung wird am Sonntag, 5. Mai, eröffnet. An diesem Tag sind alle Häuser der Walther Collection von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Zum Programm gehören Führungen und ein Künstlergespräch mit Lin Zhipeng um 15 Uhr; mehr dazu online auf walthercollection.com. „Now and Then“ läuft bis 27. Oktober.

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