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Burgrieden: Ausstellung in der Villa Rot: Der lange Weg zur perfekten Oberfläche

Burgrieden

Ausstellung in der Villa Rot: Der lange Weg zur perfekten Oberfläche

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    Die Gegenwart ist bei Willi Siber metallisch glänzend und edel wie ein Sportwagen: der Künstler mit drei seiner Arbeiten in der Ausstellung „Der Weg“.
    Die Gegenwart ist bei Willi Siber metallisch glänzend und edel wie ein Sportwagen: der Künstler mit drei seiner Arbeiten in der Ausstellung „Der Weg“. Foto: Marcus Golling

    Er darf das. Wenn Willi Siber über seine Arbeiten spricht, berührt er sie immer wieder, als ob er noch einmal ihre Beschaffenheit mit den Händen erfahren wolle. „Ich bin ein Oberflächenfetischist“, gesteht er freimütig – seine Kunst zeigt das ohnehin. Wobei man diese Leidenschaft keinesfalls mit Oberflächlichkeit verwechseln sollte. Der Oberschwabe Siber, der Bildhauerei und Kunstwissenschaften in Stuttgart studierte, hat in den vergangenen 40 Jahren nicht nur ein breites Werk geschaffen, sondern auch ein tiefes Verständnis der künstlerischen Ausdrucksformen erworben. Das zeigt die Ausstellung „Der Weg –

    Eine Retrospektive seines Schaffens – das fühlt sich trotz seiner inzwischen 70 Lebensjahre seltsam an. Er selbst befindet sich nach eigener Einschätzung noch inmitten seiner schöpferischen Phase, entwickelt immer neue Positionen, experimentiert mit immer neuen Materialien. „Wenn man sein Leben mit Kunst verbringt, muss es spannend bleiben“, sagt Siber, der sich über einige Kollegen seiner Generation wundert, die sich, auch aus kommerziellen Erwägungen, nur noch wiederholen. Erfolgreich ist er selbst freilich auch, wird von wichtigen Galerien vertreten, ist Stammgast auf Kunstmessen.

    Rund 100 Arbeiten aus vier Jahrzehnten

    „Der Weg“, kuratiert von Sabine Heilig, vereint rund 100 Arbeiten aus vier Jahrzehnten, die meisten davon Leihgaben aus Privatbesitz. Wobei die Schau den Karriereweg rückwärts geht: Sie beginnt, folgt man als Besucher den Wünschen der Ausstellungsmacher, in der Gegenwart und arbeitet sich Raum für Raum immer weiter in die Vergangenheit vor – und zu immer neuen (Oberflächen-)Materialien. Das Jetzt, das ist bei Siber bunt und metallisch glänzend, mit edlem Lack und perfektem Finish: stylishe High-End-Kunst, entweder in Form von geknickten Stahlrohr-Knoten (ein wiederkehrendes Element in Sibers Werk) oder als Tafelobjekte, die mit organischen Nieren- oder Bohnenformen arbeiten, mal konvex, mal konkav.

    Geht man von der modernen Kunsthalle, die 2014 durch eine Stiftung des Künstlers erbaut werden konnte, in die historischen Räume der Villa und damit in die Nuller-Jahre, erlebt man einen anderen Willi Siber: den Experimentator. Damals fand der Oberschwabe in Epoxidharz, einer formbaren Kunststoffart, ein neues Material. Siber nutzte es unter anderem, um Bildern eine zweite Ebene aufzusetzen, die, von Nägeln gehalten, wie eine Glasscheibe über dem eigentlichen Bildträger schwebt. Was leicht wirkt, war in der Herstellung sehr aufwendig und unberechenbar. „Ich habe damals die Hälfte für die Tonne produziert“, erinnert sich Siber.

    Nicht weniger aufwendig, aber in der Herstellung eher handwerklich sind die Holzarbeiten, die im Œuvre des Künstlers die 90er-Jahre vertreten. Plötzlich ist die Farbe fast gänzlich verschwunden, nun ist es eher die Struktur der Oberfläche, die zählt. Siber setzte mit der Kettensäge geschnittene Holzstäbe zu Gitterkästen zusammen, die durch die Überlagerung der Raster vor den Augen fast zu flimmern scheinen, oder er setzte einfachen Holzkörpern kleine Noppen auf, um ihre Form im Raum aufzulösen.

    Willi Sibers Weg war ein weiter Weg

    Nach so klassischen bildhauerischen Aufgaben ist man im ersten Stock der Villa überrascht über Sibers Werk aus den 80er-Jahren, als er sich noch im Umfeld der Stuttgarter Akademie bewegte und als Kunstlehrer arbeitete. Damals, so sagt Kuratorin Heilig, sei er so etwas wie ein „sanfter Wilder“ gewesen, was natürlich eine Anspielung auf die damals schwer angesagte Kunst der „Neuen Wilden“ in Deutschland war. Von Siber ist aus den 80ern in der Ausstellung vor allem Malerei zu sehen, grellbunt, figürlich, bewegt, beeinflusst von Zeitgenossen wie Georg Baselitz.

    Diese Bilder können heutige Betrachter noch erfreuen. Vor allem aber zeigen sie, dass der Weg, den Willi Siber in den vergangenen 40 Jahren gegangen ist, ein weiter war. Von der Figuration zur Abstraktion, von der Expressivität zur Sinnlichkeit, von Malerei und Bildhauerei zu einer Symbiose der beiden Ausdrucksformen. Die Ausstellung erzählt, wie Siber zu dem wurde, was er heute ist: eine der prägenden Künstlerpersönlichkeiten Baden-Württembergs.

    Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog (376 Seiten, zahlreiche Abbildungen, Texte von Marco Hompes und Sabine Heilig) erschienen. Er ist im Museum Villa Rot für 38 Euro erhältlich.

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