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Blaustein: Herrlingen ist mehr als nur Erwin Rommel

Blaustein

Herrlingen ist mehr als nur Erwin Rommel

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    Zufrieden mit der neuen Ausstellung: (von links) Gestalter Gerhard Braun, Ortsvorsteherin Rita Sommer, Stadträtin Cornelia Kaufmann und Martin Kindl, Leiter der Arbeitsgruppe Museum.
    Zufrieden mit der neuen Ausstellung: (von links) Gestalter Gerhard Braun, Ortsvorsteherin Rita Sommer, Stadträtin Cornelia Kaufmann und Martin Kindl, Leiter der Arbeitsgruppe Museum. Foto: Marcus Golling

    Cornelia Kaufmann erinnert sich nicht gerne an die Zeiten, als der 14. Oktober in Herrlingen fast ein Feiertag war. Allerdings einer, bei dem nicht alle mitfeiern wollten. „Ausnahmezustand“ habe damals im Dorf geherrscht, sagt die Freie-Wähler-Stadträtin. Der 14. Oktober ist der Todestag von Generalfeldmarschall Erwin Rommel, dem „Wüstenfuchs“, der 1944 in Herrlingen starb. Er war von Hitler zum Selbstmord gezwungen worden. Rommel ist eine historische Figur voller Widersprüche, zuerst von den Nationalsozialisten als Held gefeiert, nach dem Krieg als Unterstützer des Widerstands.

    Ein Rommel-Museum in der Villa Lindenhof lockte vor allem Amerikaner an

    Einer der wichtigsten Plätze seiner Verehrung war die unweit vom letzten Wohnhaus des Militärstrategen gelegene Villa Lindenhof in Herrlingen, wo bis 2018 im Rommel-Archiv Erinnerungsstücke von den Totenmaske bis zur Uniform aufbewahrt wurden. Busladungen von Touristen, vor allem Amerikaner, strömten in den Jugendstilbau, um sich mit einer Mischung aus Ehrfurcht und sanftem Nazi-Grusel auf die Spuren des „Wüstenfuchses“ zu begeben. Doch diese Weihestätte existiert nicht mehr. Die Stadt Blaustein, der die Villa seit den 50er-Jahren gehört, will das von Richard Riemerschmid entworfene Jugendstil-Kleinod zu einem Kulturzentrum machen. Bis dahin ist es in der klammen Kommune noch ein weiter Weg. Bereits fertig ist aber das neue Museum im Erdgeschoss: „Lebenslinien – Historische Persönlichkeiten in Herrlingen“.

    Ein jüdisches Altersheim diente als eine Art "Vor-Konzentrationslager"

    Rommel, der erst 1943 mit seiner Familie in den Ort zog, gehört immer noch zu der Ausstellung, doch er hat auf der ehemaligen Kegelbahn Gesellschaft anderer temporärer Herrlinger bekommen. Da sind Fabrikant Max Robert Wieland, der Erbauer der Villa, und sein Architekt Riemerschmid, der für den Unternehmer auch die Wieland-Villa in der Ulmer Olgastraße baute. Da wird unter anderem die Reformpädagogin Anna Essinger (1879-1960) gewürdigt, die unweit der Villa ein Landschulheim betrieb, bevor sie – mitsamt der Kinder – vor den Nazis nach England floh. Es geht aber auch um eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte Herrlingens, das jüdische Altersheim, das, wie es Stadtarchivar Manfred Kindl sagt, nichts anderes als ein „Vor-Konzentrationslager“ war, eine Sammelstelle für alte Juden, deren Reise danach oft weiter führte nach Theresienstadt und Auschwitz.

    Herrlingen wurde von der Sommerfrische zum Ort der Erinnerung

    Kindl hat zusammen mit Ehrenamtlichen die Schau zusammengestellt, in Sachen Präsentation hat der Ulmer Gestalter Gerhard Braun mitgewirkt, dessen Büro Braun Engels unter anderem auch schon bei der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin mitgearbeitet hat. Im Vorraum, dem ehemaligen Billardzimmer, können Besucher an einem topografischen Modell die Lage der Häuser der Persönlichkeiten sehen und sich mit kurzen Filmen auf die eigentliche Ausstellung vorbereiten können. Diese wird dann wie an einem Zeitstrahl entlang erzählt, angefangen von der „Sommerfrische“ für Wieland & Co. bis zu den „Erinnerungsorten“, die Herrlingen heute vereint. „Es ist spannend, wie sich hier Welt- und nationale Geschichte im Kleinen widerspiegeln“, sagt Gerhard Braun.

    Die Ausstellung fasst kompakt zusammen, welche Persönlichkeiten in Herrlingen gelebt oder – wie im Fall der Gruppe 47 – zumindest zu Besuch kamen. Die wichtigsten Informationen sind auf Glasstelen gedruckt, wer mehr wissen will, kann zusätzliche Informationen nachblättern oder eine der Medienstationen benutzen. Was es auf den rund 100 Quadratmetern „Lebenslinien“ kaum zu sehen gibt, sind dreidimensionale Objekte – sie waren für die meisten Personen laut Stadtarchivar Kindl nicht vorhanden. Da fällt der mächtige Sekretär Anna Essingers sofort ins Auge. Ihn holten die Ehrenamtlichen eigens aus England ab. Und auch die Totenmaske Rommels ist wieder zu sehen.

    Das Museum „Lebenslinien – Historische Persönlichkeiten“ kann morgen, Sonntag, 17. November, bei einem Tag der offenen Tür von 14 Uhr bis 17 Uhr erstmals besichtigt werden. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe Museum beantworten Fragen, für Bewirtung in den Räumen ist gesorgt. Weitere Öffnungstage 2019 sind Sonntag, 8. Dezember, und Sonntag, 22. Dezember, jeweils von 14 bis 17 Uhr. Führungen sind auf Anfrage bei der Stadtverwaltung Blaustein, Manfred Kindl, Telefon 07304/802140, möglich. Im kommenden Jahr soll es regelmäßige Öffnungszeiten geben.

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