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Berufswelt: Quote: Von Schmarrn bis überfällig

Berufswelt

Quote: Von Schmarrn bis überfällig

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    Eine der ganz wenigen weiblichen Führungskräfte in der Brauindustrie: Ulrike Freund, seit 20 Jahren Chefin von Gold Ochsen und so verantwortlich für etwa 200 Arbeitsplätze der Ulmer Traditionsbrauerei.
    Eine der ganz wenigen weiblichen Führungskräfte in der Brauindustrie: Ulrike Freund, seit 20 Jahren Chefin von Gold Ochsen und so verantwortlich für etwa 200 Arbeitsplätze der Ulmer Traditionsbrauerei. Foto: Foto: Andreas Brücken

    Landkreis/Ulm Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach sich gestern gegen eine gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote in der deutschen Wirtschaft aus. Damit hat sie in der Region sowohl prominente Befürworter als auch Kritiker. Ulrike Freund, seit 1991 Chefin der Brauerei Gold Ochsen, Ulms ältestem Unternehmen, ist ebenso eine entschiedene Gegnerin der „Quote“. Allein den Begriff empfinde sie als diskriminierend. Nach ihrer Überzeugung werde die demografische Entwicklung die restlichen Hürden für Frauen von alleine beseitigen. „Bei so wenig Berufsanfängern wird niemand auf Frauen in Führungspositionen verzichten können.“ Vor der Entscheidung „Kinder oder Karriere“ stand die kinderlose Ulrike Freund nie wirklich. Als Spross der Eigentümerfamilie Leibinger habe es sich „so ergeben“, die größte Brauerei zwischen Stuttgart und München zu führen. „Und das macht mir wirklichen großen Spaß.“

    Ähnlich geht es auch anderen Frauen, die in Familienunternehmen Führungspositionen ausfüllen. So etwa Gabriele Weikmann-Kristen, der Geschäftsführerin von Weikmann, einer Firma für Maschinenbau-Formdrehteile aus Illertissen-Au. Als ihr Vater starb, konnte sie gar nicht anders als Chefin werden. Auf Kinder wollte sie deshalb aber nicht verzichten, sodass sie einige Jahre der Teilzeit-Boss von Weikmann war. Denn ihre drei Kinder wollte sie nicht zu oft in fremde Betreuung geben. Was eine gesetzliche Quotenreglung angeht, ist sie „hin- und hergerissen“ mit der Tendenz zur Ablehnung: „Zwang bringt selten was.“

    Als „Schmarrn“ bezeichnet Thilo Butzbach, Vizepräsident der IHK Schwaben und Unternehmer aus Illertissen, eine Frauenquote. „Was soll ich denn machen, wenn ich keine geeigneten Frauen finde?“ Nach seiner Erfahrung würde auch der Großteil der unternehmerisch tätigen Frauen eine solche Quote ablehnen.

    In etwa einem Drittel der Firmen im Landkreis sind Führungspositionen auch mit Frauen besetzt. Dies ist das Ergebnis einer im Herbst vergangenen Jahres von Monika Stadler, der Wirtschaftsbeauftragten des Landkreises, initiierten Umfrage, an der 87 Betriebe aller Branchen teilnahmen. Jene zwei Drittel der Firmen ohne Frauen in der Chefetage hätten einen Mangel an geeigneten Bewerberinnen sowie die Unvereinbarkeit von Führungsposition und Teilzeit als Haupt-Hemmnisse angegeben.

    Renate Kögel hat im Laufe der Jahre als Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises alle Argumente der Arbeitgeber kennen gelernt, die berufliche Hürden für Frauen begründen. Geändert an der Lage der Frauen im Beruf habe sich Sonntagsreden zum Trotz nichts.

    51 Prozent der Deutschen sind Frauen, aber in den Aufsichtsräten der 200 größten Unternehmen sitzen nach ihren Informationen nicht einmal zehn Prozent Frauen. Dies sei Ausdruck mangelnder Gleichberechtigung. Festgefahrene Strukturen müssten geändert werden. „Männer stellen lieber Männer ein“, heißt vereinfacht die These der „homosozialen Reproduktion“. In reine Männerdomänen einzubrechen sei dadurch nach wie vor die große Ausnahme. Mit freiwilliger Selbstverpflichtung lasse sich dieser Kreis offenbar nicht durchbrechen.

    Ein Geschäftsmodell aus diesem gesellschaftlichen Defizit hat die Neu-Ulmerin Ann-Kathrin Kühr entwickelt. Die Kreisvorsitzende des BPW (Business and Professional Women), einem Netzwerk für Unternehmerinnen, bietet „Frauen in Führungspositionen und denen, die es werden wollen“, Unterstützung in allen Fragen der Karriereplanung und Persönlichkeitsentwicklung an. Die Region könne es sich auf Dauer gar nicht leisten, auf weibliche Kompetenz in Leitungspositionen zu verzichten.

    Unternehmen selbst profitieren nachweislich von der Vielfalt in ihrer Belegschaft. Aber erst richtig, wenn eine bestimmte „kritische Masse“ überschritten sei. Kühr zitiert eine Studie von McKinsey, die besagt, dass Unternehmen, deren Frauenanteil in der Führung größer als 30 Prozent ist, laut einer Studie im Wettbewerb die besseren Aussichten haben.

    Das größte Hindernis auf der Karriereleiter seien in Deutschland immer noch Kinder. Wahre Wahlfreiheit hätten Frauen in Deutschland nicht wirklich. Nur flexiblere Arbeitszeitmodelle, flexible Kinderhorte und etwa auch eine breitere Akzeptanz von Männern, die eine berufliche Auszeit zur Kinderbetreuung nehmen, könnten Frauen auch eine Karriere mit Kindern ermöglichen. Alle würden davon profitieren.

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