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Neu-Ulm/Günzburg: Atommüll-Endlager könnte in der Region Neu-Ulm/Günzburg entstehen

Neu-Ulm/Günzburg

Atommüll-Endlager könnte in der Region Neu-Ulm/Günzburg entstehen

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    Bis 2031 soll ein Ort gefunden werden, an dem der strahlende Abfall aus Atomkraftwerken möglichst sicher unterirdisch gelagert werden kann. Von 2050 an soll das Endlager genutzt werden.
    Bis 2031 soll ein Ort gefunden werden, an dem der strahlende Abfall aus Atomkraftwerken möglichst sicher unterirdisch gelagert werden kann. Von 2050 an soll das Endlager genutzt werden. Foto: Björn Vogt, dpa

    Eine bis zu 300 Meter dicke Tonschicht unter der Schwäbischen Alb und ihrem Randgebiet und das Kristallgestein im Grundgebirge der moldanubischen Zone entlang der Donau: Der Landkreis Neu-Ulm und die nahe Umgebung, auch Teile des Kreises Günzburg, kommen als Standorte für ein Endlager für hoch radioaktiven Atommüll in Frage. Im Zwischenbericht Teilgebiete taucht der Landkreis gleich zwei Mal auf. Der Zwischenbericht, den die Bundesgesellschaft für Endlagerung am Montag veröffentlicht hat, ist ein Schritt auf der Suche nach einem Atommüll-Endlager in Deutschland.

    Die Ulmer Ärzteinitiative begleitet Entscheidungen rund um die Atomenergie seit Jahren kritisch, sie ist eine Regionalgruppe der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW). Eine andere Lösung als einen Endlager-Standort in Deutschland gebe es nicht, heißt es seitens der Gruppe: „Wir und unsere Nachkommen haben diese Altlasten des Atomzeitalters zu tragen.“

    Atomkraft-Gegner: Atommüll muss sicher untergebracht werden

    Thomas Wolf von der Mahnwache Gundremmingen hat kein hundertprozentiges Vertrauen in die Suche, aber es müsse nun einmal ein geeigneter Ort gefunden werden, „und wenn er bei uns in der Nähe ist, muss das Endlager hierher“. Das wichtigste sei, den Atommüll sicher unterzubringen. Er sei zumindest der Überzeugung, dass dies nun verantwortungsvoll und wissenschaftlich untersucht werde, „eine Wende um 180 Grad im Vergleich zu Gorleben“. Da habe man gedacht, man wähle das „Zonenrandgebiet“ aus und dann sei Ruhe, doch wirkliche Untersuchungen habe es nicht gegeben. Jetzt werde detailliert geprüft, welche Region geeignet ist. Das sei richtig, wenngleich jede Vor- und Nachteile habe.

    Problematisch aber findet er, dass die Bürger nun unter Zugzwang gesetzt würden. Erste Ergebnisse seien vorgestellt worden, bis zur ersten Fachkonferenz könne man sich aber gar nicht einarbeiten oder externen Sachverstand holen – der dann ja auch finanziert werden müsse. Die Mahnwache werde sich hier nicht einbringen, er als Anhänger der Anti-Atomkraft-Bewegung versuche aber, am Ball zu bleiben. Nichtsdestotrotz lobt Wolf die Formate der Bürgerbeteiligung an sich.

    Atommüll-Endlager: Standort in Bayern kommt für CSU-Politiker Georg Nüßlein nicht in Frage

    Der Vorsitzende der Bürgerinitiative „Forum – Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik“, Raimund Kamm, will sich gegenüber unserer Günzburger Redaktion nicht äußern. Denn er sei bei unserer Berichterstattung über die Pro-Atomkraft-Demo des Vereins Nuklearia in Gundremmingen in ein falsches Licht gerückt und die Hintergründe der Veranstalter seien nicht recherchiert worden, außerdem sei die Berichterstattung zum Atomkraftwerk einseitig. Er bekomme genug andere Anfragen.

    Stefan Studt (r.), BGE-Vorsitzender, und Steffen Kanitz, Mitglied der Geschäftsführung der BGE, zeigen eine Landkarte mit Teilgebieten für die Endlagersuche.
    Stefan Studt (r.), BGE-Vorsitzender, und Steffen Kanitz, Mitglied der Geschäftsführung der BGE, zeigen eine Landkarte mit Teilgebieten für die Endlagersuche. Foto: Kay Nietfeld/dpa

    Entscheidungsträger aus der Politik bezeichnen das bisherige Suchverfahren als transparent. So müsse es bleiben. „Dass weite Teile Süddeutschlands und auch in unserer Region Donau-Iller auf der Karte der geologisch grundsätzlich geeigneten Standorte stehen, war zu erwarten“, sagt CSU-Bundestagsabgeordneter Georg Nüßlein. Rückschlüsse über einen tatsächlich möglichen Standort seien aber noch nicht zu treffen, weil beispielsweise auch Flächen unter großen Seen, Städten und den Meeren erfasst seien. Nüßlein glaubt, dass die geologischen Bedingungen in Bayern nicht geeignet sind für ein Endlager – entsprechend hatte sich auch Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) geäußert.

    SPD-Bundestagsabgeordneter Karl-Heinz Brunner: Wissenschaftler müssen Entscheidung treffen

    Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl-Heinz Brunner kritisiert diese Haltung: „Der vom Bayerischen Ministerpräsidenten verfolgte Kurs, Bayern generell auszuschließen, widerspricht dem vereinbarten Prinzip und folgt vielmehr dem St.-Floriansprinzip. Wichtig ist, dass wir einen für Deutschland auf eine Million Jahre sicheren Standort finden“, meint er. Niemand wünsche sich einen Endlagerstandort in der direkten Umgebung – „das gilt auch für unsere Region“. Eine gesellschaftlich akzeptierte Entscheidung gebe es nur, wenn sie von Wissenschaftlern getroffen werde.

    Die Landtagsabgeordnete Beate Merk argumentiert ähnlich wie Nüßlein: „Wir haben zwar Tongesteine, jedoch wurde in der Vergangenheit mehrfach betont, dass die Schichten deutlich dünner sind als in anderen Gebieten mit Tonvorkommen“, so die CSU-Frau. Sie hätte sich gewünscht, dass die Region in der ersten Stufe ausgeschlossen wird. Die sicherste Lösung müsse her: „Insofern bedauere ich, dass wir uns dem weiteren Verfahren stellen müssen, obwohl wir schon jetzt nicht alle Kriterien erfüllen.“

    Landräte sehen ihre Regionen als nicht gut genug geeignet an

    Neu-Ulms Landrat Thorsten Freudenberger (CSU) betont, das vom Bundestag mit breiter Mehrheit festgelegte Verfahren sollte akzeptiert werden. „Natürlich wäre auch ich froh gewesen, wenn unsere Region nicht berücksichtigt worden wäre“, sagt er und ergänzt: „Nach den mir vorliegenden Erkenntnissen ist unsere Region Donau-Iller tatsächlich nicht besonders gut geeignet.“

    Günzburgs Landrat Hans Reichhart (CSU) ist bei dem Thema „entspannt“, wie Sprecherin Jenny Schack sagt. Es sei schließlich nur ein Zwischenbericht, der Auftakt zur eigentlichen Untersuchung. Er gehe davon aus, dass das Endlager nicht im Landkreis gefunden wird, denn es gebe besser geeignete Standorte. Abgesehen davon werde man darauf drängen, dass das Atommüll-Zwischenlager am Kernkraftwerk Gundremmingen nicht länger als 2046 betrieben wird, wenn die Genehmigung dafür ausläuft. Da müsse der Bund seiner Pflicht in jedem Fall nachkommen.

    Insgesamt 90 Regionen unterschiedlicher Größe sind in dem 444 Seiten dicken Bericht aufgeführt. Auf der Übersichtskarte, die geologisch geeignete Gegenden zeigt, ist etwas mehr als die Hälfte Deutschlands markiert: Die Karte zeigt Regionen mit Ton-, Salz- und Kristallinschichten im Boden sowie ohne Vulkane und Bergwerke. Regionen, die für einen Standort prinzipiell in Frage kommen. In weiteren Verfahrensschritten werden nach und nach Teilgebiete ausgeschlossen. Im Jahr 2031 soll die Entscheidung gefallen sein, im Jahr 2050 soll das Endlager in Betrieb gehen.

    Atommüll-Endlager: Tonschicht und Kristallinschicht unter der Schwäbischen Alb und entlang der Donau sind geeignet

    Die Tonschicht im Boden der Schwäbischen Alb sowie ihrer Randgebiete ist bis zu 300 Meter dick, die Basis dieser Schicht liegt zwischen 400 und 1500 Metern unter der Oberfläche. Der Zwischenbericht kommt zum Ergebnis, dass die Region eine „günstige geologische Gesamtsituation für die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle“ bietet. In einzelnen Punkten sehen die Experten aber Schwierigkeiten: Die „gebirgsmechanischen Eigenschaften“ werden mit „nicht günstig“ bewertet. Bei den Kriterien, die für Tonschichten als besonders ausschlaggebend gelten, werden die Voraussetzungen dagegen als „günstig“ oder „bedingt günstig“ eingestuft. Besonders im Norden des Teilgebiets sehen die Experten Risiken durch zerklüftetes Gestein. Im Süden ist das dem Bericht zufolge dagegen nicht zu erwarten. Außerdem ist das Gebiet dort ausreichend groß, die Tonschicht liegt besonders tief unter der Erde und sie ist besonders dick. Das Teilgebiet beginnt bei Aalen im Norden, bei Bad Schussenried im Süden und bei Bad Urach im Westen. Die Ostgrenze verläuft knapp westlich von Nördlingen, Dilllingen, Burgau, Ichenhausen, Roggenburg, Illertissen und Altenstadt.

    Neben den Tonschichten ist auch kristallines Gestein im Boden aus Sicht der Fachleute geeignet, um Atommüll für eine Million Jahre sicher zu verwahren. Das entsprechende Teilgebiet, das auch durch den Kreis Neu-Ulm verläuft, ist unwesentlich größer als die hier gelegene Tonschicht-Region: Es verläuft einmal quer durch Baden-Württemberg und Bayern und umfasst dabei auch den Nordteil des Landkreises Neu-Ulm bis Vöhringnen und Weißenhorn, den Nordteil des Landkreises Günzburg bis Ichenhausen und Jettingen-Scheppach sowie nahezu den gesamten Alb-Donau-Kreis – nur der Streifen entlang der Iller ab Illerrieden nach Süden gehört nicht zum Teilgebiet.

    Je nach Region ist die Kristallinschicht unter der Erde zwischen 200 und 1200 Metern dick und ihre Oberfläche liegt 300 bis 1300 Meter unter der Erde. Auch hier kommt der Zwischenbericht zum Ergebnis, dass im Teilgebiet eine „günstige geologische Gesamtsituation für die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle“ zu erwarten ist. Die für Kristallingestein besonders bedeutenden Kriterien werden als „günstig“ oder „bedingt günstig“ eingeschätzt“. Nur das „Rückhaltevermögen“ wird als „nicht günstig“ beurteilt. Die Experten weisen zwar daraufhin, dass das Gestein an manchen Orten zerklüftet sei. Das Gebiet, das von Baden bis in die Oberpfalz reicht, sei aber ausreichend groß, um einen sicheren Bereich für ein Endlager finden zu können.

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