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Alb-Donau-Kreis: Oberstadion unter Schock: Mutter soll ihre Kinder getötet haben

Alb-Donau-Kreis

Oberstadion unter Schock: Mutter soll ihre Kinder getötet haben

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    Nach Tod zweier Kinder: Eine Gemeinde steht unter Schock
Seelsorger sollen Trauernden nach der Tötung zweier Kinder in Oberstadion Trost spenden
    Nach Tod zweier Kinder: Eine Gemeinde steht unter Schock Seelsorger sollen Trauernden nach der Tötung zweier Kinder in Oberstadion Trost spenden Foto: Reiner Schick

    Auch einen Tag nach dem Tod zweier Kinder in Oberstadion halten sich Polizei und Staatsanwaltschaft mit Informationen über die Tat und den möglichen Hintergrund weitestgehend zurück. Die Mutter steht unter dringendem Verdacht, das sechsjährige Mädchen und den dreijährigen Jungen Sonntagnacht getötet zu haben. Sie wurde noch am Montag festgenommen. Die Gemeinde steht unter Schock und stellt sich vor allem eine Frage: Warum?

    Blumen und Kerzen am Tatort des Doppelmords in Oberstadion

    Wie überall im Alb-Donau-Kreis leuchtet am Dienstag der Himmel auch über der 1500-Seelen-Gemeinde Oberstadion in kräftigem Blau, die Sonne strahlt und verheißt Frühlingsgefühle. Doch der Schein trügt. Tiefe Trauer, Entsetzen und Ratlosigkeit haben sich über den Ort gelegt. An dem Grundstück, an dem die furchtbare Tat am Montagmorgen mutmaßlich geschehen ist, zeugen Blumen und Kerzen vom Mitgefühl der Bürger für die Opfer und deren Angehörige.

    Ein Team der Notfallseelsorge Ulm hat sich am Nachmittag dazugestellt, um trauernden Passanten die Gelegenheit zum Gespräch zu geben. Und Bedarf dafür gibt es viel in diesen schrecklichen Tagen in Oberstadion. „Wir sind eine verwundete Gemeinde“, sagt Bürgermeister Kevin Wiest.

    Der frühere Polizist bei der Zollfahndung hat aus beruflicher Erfahrung für sich „einen Weg gefunden, mit solchen Ereignissen umzugehen“. Doch auch er ist fassungslos über das Geschehen und findet keine Antwort auf die Frage, die alle bedrückt: Wie und warum bringt es eine Mutter übers Herz, ihre eigenen Kinder zu töten?

    Vater findet tote Kinder: Ermittler vermuten Motiv im familiären Bereich

    Polizei und Staatsanwaltschaft können und wollen darauf Stand Dienstagnachmittag noch keine definitive Antwort geben, haben aber eine Vermutung: Das Motiv für die Tat könnte im familiären Bereich liegen. Die Polizei teilt weiter mit, dass die tatverdächtige Mutter bisher keinerlei Aussagen zur Tat gemacht habe. Am Dienstag wurde die Frau der zuständigen Haftrichterin am Amtsgericht vorgeführt. Sie erließ Haftbefehl gegen die 36-Jährige wegen des dringenden Verdachts des zweifachen Mordes. Ein Pflichtverteidiger werde ihr beistehen. Die Tatverdächtige befindet sich nun in einem Justizvollzugskrankenhaus, so die Polizei.

    Die Staatsanwaltschaft beabsichtigt, die Beschuldigte im Hinblick auf ihre Schuldfähigkeit zur Tatzeit psychiatrisch begutachten zu lassen. „Wir haben entsprechende Anhaltspunkte, die es notwendig machen, das zu überprüfen“, sagt Oberstaatsanwalt Michael Bischofberger. Es könne also auch sein, dass am Ende eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit bei der Mutter festgestellt wird. Doch jegliche Aussagen dazu seien eindeutig verfrüht. Derweil laufen die Ermittlungen der Kriminalpolizei weiter. Auch die Obduktion der Kinder, für die ein Ergebnis noch am Dienstag erwartet wird, soll wichtige Erkenntnisse geben. Denn noch ist zumindest der Öffentlichkeit nicht bekannt, wie die beiden Kinder zu Tode kamen.

    Außerdem ist weiterhin unklar, wo genau die Mutter am Montag von der Kriminalpolizei aufgegriffen wurde. Laut Oberstaatsanwalt Bischofberger sei die vorläufige Festnahme außerhalb des Anwesens geschehen, wo der Vater die Kinder tot auffand. Anwohner berichten davon, dass ein Hubschrauber mittags in Oberstadion gelandet sei, der wohl auch um die Region flog. Dass die Frau nach ihrer vorläufigen Festnahme kurz nach dem Auffinden der beiden Kinder in eine Klinik gebracht wurde, habe nichts mit dem psychischen Zustand zu tun. Das hatte „rein gesundheitliche Gründe“, so Oberstaatsanwalt Bischofberger.

    Mutter unter Verdacht: Indizien sprechen für Mord

    Bislang steht die 36-Jährige offiziell nur unter Tatverdacht, wenngleich zahlreiche Indizien dafür zu sprechen scheinen, dass sie es getan hat. Der Vater habe seine toten Kinder am Montag gegen 7.30 Uhr in der eigenen Wohnung entdeckt, hieß es in einer ersten Pressemitteilung. Nach der Mutter sei sofort gefahndet worden, man habe sie schließlich aufgegriffen und in ein Krankenhaus gebracht.

    Nichts habe nach außen darauf hingedeutet, dass die Frau zu so einer Tat fähig sein könnte, dass es überhaupt massive Probleme in der Familie gegeben haben könnte, heißt es im Ort. Von ganz normalen, freundlichen und fröhlichen Menschen wird berichtet; von einer Mutter, die ihre Kinder geliebt habe. „Die Familie ist tief verwurzelt und integriert in der Gemeinde. Kein Mensch konnte so etwas ahnen“, betont der Bürgermeister der Gemeinde Oberstadion.

    Mehr möchte er nicht erzählen über die Familie, um sie und die Angehörigen zu schützen – auch vor Gerüchten, die es zu unterbinden gelte, weil diese die Betroffenen zusätzlich belasten. Das ist auch der Grund, weshalb die Polizei seit Montagabend schweigt. Eine Sprecherin spricht von einem „Familiendrama“ und betont, dass es darum gehe, die Familie so gut es geht zu schützen, wenn es um die Veröffentlichung von Details zu dem Fall geht.

    Kevin Wiest liegt es ganz besonders am Herzen, dass die in Gang gesetzte seelsorgerische Betreuung der Bürger – insbesondere der Lehrkräfte und Mitschüler der Erstklässlerin sowie die Erziehenden und Kinder in der Kita, die der kleine Junge besucht hat – schnellstmöglich ihre Wirkung entfaltet. Bereits am Montag zur Mittagszeit hätten die Gemeinde, die Notfallseelsorgedienste von Schul- und Landratsamt, die Schul- und Kindergartenleitung in einer Konferenz erste Schritte in die Wege geleitet. So versandte Schulleiter Tobias Tress einen Rundbrief an alle Eltern mit Informationen über Gesprächsangebote in der Schule und weiteren Unterstützungsangeboten von psychologischen Beratungsstellen und der kirchlichen Seelsorgeeinheit Donau-Winkel.

    Am Dienstagvormittag kamen Schulseelsorger in die Schule. „Wir hatten heute zwei Psychologen da und haben allen Schülern angeboten, vorbeizukommen, wenn sie sprechen möchten“, sagt der Schulleiter am Dienstagmittag. Eines der toten Kinder hatte die Schule in der Gemeinde besucht, das Drama soll deshalb auch so gut wie möglich vor Ort aufgearbeitet werden. Auch ein Trauerzimmer solle nun in der Schule eingerichtet werden, so der Schulleiter.

    Familiendrama in Oberstadion: Notfallseelsorge Ulm hat viel zu tun

    Mitarbeitende der Notfallseelsorge Ulm um dessen Leiter Michael Lobenhofer kamen am Dienstag in den Kindergarten und standen auch am mutmaßlichen Tatort für Gespräche zur Verfügung. „Einige Mütter, die mit ihren Kindern vorbeigekommen sind und Blumen abgelegt haben, haben unser Angebot wahrgenommen“, berichtet Lobenhofer. Die häufigste Frage sei gewesen: Wie erkläre ich meinen Kindern, was passiert ist?

    „Ehrlich antworten“, rät Lobenhofer vor allem. „Man muss ja nicht gleich alles sagen, sondern kann nach und nach das erzählen, was man glaubt, verantworten zu können. Das hängt auch vom Typ des Kindes ab, das die Eltern am besten kennen.“ Nur einen Satz sollte man seiner Meinung nicht sagen: „Darüber reden wir nicht.“ Auch im Kindergarten hätten die meisten Erziehenden vor allem wissen wollen, wie sie mit den Kleinen über das Geschehene sprechen sollen. Und selbst einige der Kleinsten seien auf die Notfallseelsorger zugekommen. „Auch Dreijährige haben Fragen“, sagt Lobenhofer.

    „Wir möchten breit gefächerte Hilfen anbieten. Dabei arbeiten alle Hand in Hand und es ist schön zu sehen, dass es so einen Zusammenhalt gibt und niemand alleine gelassen wird“, sagt der Bürgermeister. Kevin Wiest ist überzeugt, dass diese Angebote noch recht lange aufrecht erhalten werden müssen: „Das Geschehen ist leider nichts, worüber man heute spricht und das morgen vorbei ist. Das wird uns noch länger begleiten. Es ist mit der größte anzunehmende Katastrophenfall für eine Gemeinde, wenn eine Mutter ihre Kinder tötet. Manche, die heute womöglich relativ taff darauf reagieren, brauchen vielleicht in ein paar Wochen Hilfe, weil sie nicht damit klarkommen.“

    Menschen außerhalb von Oberstadion sind schockiert

    Wie sehr die Tat auch die Menschen außerhalb von Oberstadion schockiert, wird am Beispiel Emerkingen deutlich. Bürgermeister Paul Burger hat die für vergangenen Montagabend anberaumte Gemeinderatssitzung kurzerhand abgesagt. „Was in Oberstadion passiert ist, ist eine große Tragödie. Da bleibt kein Raum für vergleichsweise belanglose Themen“, begründet er die Entscheidung. Er sei zutiefst berührt, und dasselbe spüre er bei allen Leuten, mit denen er derzeit spreche.

    Menschen, die Schwierigkeiten haben, das Geschehen zu verarbeiten, können sich auf der Gemeindeverwaltung Oberstadion unter Telefon 07357/ 921 40 melden. Dort werden gegebenenfalls auch Unterstützungsangebote vermittelt. Hilfe in solchen Fällen bietet auch die Notfallseelsorge Ulm, die über ihre Arbeit auf ihrer Homepage unter www.notfallseelsorge-ulm.de berichtet. Dort findet sich auch die Telefonnummer.

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