Startseite
Icon Pfeil nach unten
Neu-Ulm
Icon Pfeil nach unten

Afrika von innen

Neu-Ulm

Afrika von innen

    • |
    Zwischen Sakralität und Profanität bewegt sich die Fotokunst von Rotimi Fani-Kayode. Das Fotostudio wird bei ihm zur Bühne, auf der auch Fragen nach der sexuellen Identität verhandelt werden. Fotos: Walther Collection/Brücken
    Zwischen Sakralität und Profanität bewegt sich die Fotokunst von Rotimi Fani-Kayode. Das Fotostudio wird bei ihm zur Bühne, auf der auch Fragen nach der sexuellen Identität verhandelt werden. Fotos: Walther Collection/Brücken

    Die Arbeiten stammen alle aus der Sammlung des New Yorkers Artur Walther, der aus Burlafingen stammt und in seinem Heimatort ein ganzes Ausstellungsareal mit einem Neubau angelegt hat, in dem zukünftig jedes Jahr eine neue Ausstellung zu sehen sein wird. Der Schwerpunkt von Walthers Sammlertätigkeit liegt auf afrikanischer und asiatischer Fotografie, die erste Ausstellung, kuratiert von Okwui Enwezor, blickt auf den (vermeintlich) schwarzen Kontinent.

    Die Ouvertüre zu der auf alle drei Gebäude des Ausstellungsareals verteilten Ausstellung bildet das sogenannte "Grüne Haus", in dem der Schwerpunkt auf Porträtfotografie liegt. August Sanders Arbeit "Antlitz der Zeit" aus dem Jahr 1929 trifft auf Aufnahmen von Seydou Keïta, der vom Ende der 1940er bis Mitte der 1950er Bewohner von Bamako im heutigen Mali porträtierte. Während bei Sander die Menschen der Weimarer Zeit noch im 19. Jahrhundert verwurzelt wirken, nutzen die Menschen auf den Studioaufnahmen Keïtas das Medium Fotografie zur Darstellung von Individualität und Status. In den Fotos Keïtas wird auch der Übergang von Kolonialismus in die Ära des Postkolonialismus spürbar, die Afrika bis heute prägt - und die von der Suche nach Identität bestimmt ist. Nicht umsonst das Thema der Ausstellung.

    Einen Gegenpol dazu bilden die hyperartifiziellen Studioaufnahmen des nigerianisch-britischen Künstlers Rotimi Fani-Kayode, der 1989 an AIDS starb, im ersten Stock des "Weißen Kubus". Die Szenen erinnern an religiöse Zeremonien - mit dem männlichen Körper im Zentrum. Die Aufnahmen sind theatralische Inszenierungen von Queerness, sie markieren im Kontext der Ausstellung aber auch den zweiten Eckpfeiler: Das Fotostudio wird zur Bühne, zum Ort, an dem Sehnsüchte befriedigt werden können, die in der Öffentlichkeit tabu sind - so entstehen ganz andere "Momente des Selbst".

    Beide Fäden nimmt die Ausstellung im Untergeschoss des Kubus auf, wo Arbeiten von 25 Künstlern aus allen Teilen Afrikas zu sehen sind. Bei dieser Vielzahl der Positionen und Herkunftsländer sind die Verbindungen freilich lockerer als bei der didaktisch zwingenden Ouvertüre - Widersprüche sind ein Teil des Konzepts. Lolo Velekos Aufnahmen von Afrikanern in quietschbunter urbaner Street Fashion bilden ebenso die Realität des Kontinents ab wie Guy Tillims Porträts von Menschen am unteren Ende der sozialen Skala.

    Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte

    Auf die Spur der großen Gestalten afrikanischer Geschichte und Kultur - von Haile Selassie bis Malcolm X - begibt sich Samuel Fosso mit seiner Serie von Selbstporträts unter dem Titel "African Spirits" aus dem Jahr 2008. Die Aufnahmen sind ebenso eine Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte wie die großformatigen verschwommenen Fotos historischer südafrikanischer Uniformen von Hentie van der Merwe. Von Romuald Hazoumè aus Benin stammt "Market Forces: Better to Sell Meat than Men!" betitelte Aufnahmen eines Viehmarktes.

    Fragen ethnischer Identität werden zum Beispiel in dem Diptychon "Static Drift" der Deutschafrikanerin Ingrid Mwangi verhandelt, während Zanele Muholi nach sexueller Identität fragt. Afrikanische Wurzeln hatte auch Michael Jackson, dem Candice Breitz' 16-Kanal-Video-Installation "King" bereits 2005 ein ungewöhnliches Denkmal setzte. 16 völlig unterschiedliche Menschen singen die Songs des "Thriller"-Albums und performen dazu alleine vor der Kamera. Ein sehr positives Panorama der Verschiedenheit, zusammengehalten von der Musik.

    Letzte Station der Ausstellung ist das "Schwarze Haus", wo der Fokus auf Serialität liegt. Hochöfen, Kieswerke und Gasbehälter, fotografiert von Bernd und Hilla Becher, treffen hier auf die Arbeiten von J.D. 'Okhai Ojeikere, der die Frisuren nigerianischer Frauen ablichtete - sie wirken wie bizarre Kunstwerke. Einen berührenden Schlusspunkt setzt die Arbeit "The Black Photo Album" des Südafrikaners Santo Mofokeng, der Aufnahmen aus den kolonialen Jahren 1890 bis 1950 zu einer Diaserie kombinierte. Aus Texten erfährt der Besucher, wer auf den Bildern zu sehen ist. Soziale Herkunft, ethnische Identität, Selbstdarstellung - hier laufen die Fäden der Ausstellung wieder zusammen. "Seite 23

    Walther Collection: ab kommende Woche Besichtigung Donnerstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr nach vorheriger Anmeldung möglich. Kontakt: E-Mail info@walthercollection.com, Telefon (0731) 176 91 43.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden