Startseite
Icon Pfeil nach unten
Mindelheim
Icon Pfeil nach unten

Unteregg: Unteregger Firma "behütet" Menschen in mehr als 30 Ländern

Unteregg

Unteregger Firma "behütet" Menschen in mehr als 30 Ländern

    • |
    Firmenchef Markus Faustmann zeigt, wie aus einem Rohling in vielen Arbeitsschritten ein richtiger Hut wird.
    Firmenchef Markus Faustmann zeigt, wie aus einem Rohling in vielen Arbeitsschritten ein richtiger Hut wird. Foto: Sandra Baumberger

    Das Ganze ist reine Kopfsache – und doch ein bisschen emotional: Seit 50 Jahren entstehen bei Hut Faustmann in Unteregg Hüte und Mützen, die das mittelständische Unternehmen inzwischen in mehr als 30 Länder auf der ganzen Welt verkauft. Den Grundstein dafür legte der Großvater des heutigen Inhabers Markus Faustmann – obwohl der mit Hüten gar nicht so viel am Hut hatte. 

    Herbert Faustmann, der nach dem Krieg von Berlin ins Unterallgäu kam, nähte nämlich Mützen und brachte sie mit seinem Goggomobil an den Mann. Sein Sohn Gunther war es schließlich, der 1973 die Hut- und Mützenfabrik Faustmann gründete, in der seit 1999 sein Sohn Markus den Hut aufhat. Am Tag des MZ-Besuchs gilt das zwar nur im übertragenen Sinne, doch Hüte sind in der Firma mit ihren 46 Mitarbeitern allgegenwärtig: Sie stapeln sich in langen Regalen, hängen als hölzerne Skulpturen an der Wand und ersetzen der Lampe schon einmal den Schirm. Viele von ihnen werden nach wie vor hier in Unteregg gefertigt. 

    Besondere Hüte entstehen bei der Unteregger Firma Faustmann weiterhin in Handarbeit

    Vor Stefan Schorer steht ein ganzer Stapel sogenannter Stumpen, Rohlinge von Filzhüten, die die Firma von Zulieferern bezieht. Nach rund 60 Arbeitsschritten sehen sie aus wie grüne Seppl-Hüte, aus denen er nun "richtige" Hüte formen wird. "Man braucht beim Hut immer Dampf und Hitze", erklärt sein Chef Markus Faustmann. Und in diesem Fall zusätzlich eine Presse, die das vom Dampf weiche Material in die gewünschte Form bringt. "Die Hutpresse hier, die gibt's nur einmal auf der Welt", sagt Faustmann und bald wird klar, dass sie ist nicht das einzige ist, was in dieser Fabrik einzigartig ist. 

    Denn die Maschine taugt nicht für alle Modelle und Kundenwünsche. Die ganz besonderen Stücke macht Stefan Schorer komplett von Hand: Taucht den Rohling in einen Eimer Wasser, legt ihn tropfnass in einen Dampfkessel und spannt ihn dann mit geübten Handgriffen über die Holzform, auf der der Hut die nächsten zwei Tage wieder trocknen wird. Daneben steht Firmengründer Gunther Faustmann und beschneidet mit einer gebogenen Schere die Krempe eines bereits trockenen Möchtegern-Huts, der jetzt schon gut als solcher zu erkennen ist. Für diesen Arbeitsschritt gibt es zwar ebenfalls eine Maschine, aber die funktioniert nur, wenn die Krempe ringsum gleich breit ist. Ist sie bei diesem Modell aber nicht. 

    Firmengründer Gunther Faustmann beschneidet die Krempe eines Hutes mit einer gebogenen Schere.
    Firmengründer Gunther Faustmann beschneidet die Krempe eines Hutes mit einer gebogenen Schere. Foto: Sandra Baumberger

    Kaum ist die Krempe von überschüssigem Material befreit, geht es wieder über den Dampf. Diesmal nicht, um den Hut zu formen, sondern damit sich die Haare des Filzes ein wenig aufstellen. "Sonst ist das zu glatt, das sieht nicht gut aus", erläutert der Senior-Chef. Weil das Ganze aber freilich auch nicht zu wild aussehen soll, wird der Hut anschließend getourt: Er dreht auf einem Gestell seine Runden, während Gunther Faustmann mit einer speziellen Bürste darüber geht. "Die muss man beim Bürstenmacher anfertigen lassen, so was gibt's nicht einfach so", sagt sein Sohn. Kupferborsten in der Mitte der Bürste und weichere Borsten drumherum verleihen dem Hut genau die gewünschte Oberfläche. 

    Jedes Jahr werden mehr als 400.000 Hüte und Mützen von Unteregg aus in mehr als 30 Länder verschickt

    Eine Etage höher wird ihm Irina Gontscharow innerhalb von Sekunden das Innenband einnähen und – je nach Modell – auch noch die Krempe umnähen oder mit einem Band einfassen. Letzter Schritt ist die sogenannte Garnitur, das Hutband und weitere Accessoires, die dem Hut "das gewisse Etwas geben", wie Markus Faustmann sagt. "Das ist unsere ganz große Stärke." Rund 2000 unterschiedliche Garnituren machen aus dem Grundmodell jeweils einen völlig anderen Hut. 

    Ist der schließlich fertig, landet er wieder im Keller im Versand: Mehr als 400.000 Faustmann-Produkte machen sich von hier aus jedes Jahr auf den Weg zu Händlern in der ganzen Welt. Dazu gehören wie bei Markus Faustmanns Großvater auch weiterhin Mützen. Entworfen werden sie in Unteregg, genäht werden sie in Polen. Schiebermützen und sogenannte Flat-Caps liegen derzeit im Trend, auch der Firmenchef trägt sie sehr gerne. "Ich mag's nicht, wenn mir die Sonne auf den Kopf brennt", sagt er. Daneben schützt eine Mütze auch vor Regen und Kälte: "70 Prozent der Wärme verliert der Mensch über den Kopf", so Faustmann. Hut und Mütze sind also nicht nur kleidsam, sondern auch ziemlich praktisch – und für ihn auch ein gutes Geschäft: "Wir haben momentan so viel Arbeit wie noch nie in unserer Firmengeschichte." 

    Stefan Schorer formt die Rohlinge in der Hutpresse zu richtigen Hüten.
    Stefan Schorer formt die Rohlinge in der Hutpresse zu richtigen Hüten. Foto: Sandra Baumberger

    Damit die Hüte nicht zum alten Hut werden, werden jedes Jahr neue Kollektionen entworfen. Gerade war Markus Faustmann in Italien, um sich Anregungen für die Sommerkollektion im nächsten Jahr zu holen. Dazu werden mit Sicherheit auch wieder Strohhüte gehören, die jedoch nicht im Unterallgäu gefertigt werden, sondern in China. "Das sind gute Hut- und Mützenmacher", lobt der Firmenchef – und beinahe die einzigen, die die Hüte noch von Hand flechten. "Das kann keine Maschine."

    Auch zahlreiche Prominente tragen Hüte made in Unteregg

    Wie viele Hüte und Mützen er sein Eigen nennt, kann er beim besten Willen nicht sagen. "Zu viele", sagt er und lacht. "50 sind es bestimmt." Stefan Schorer hat nicht ganz so viele, kann aber behaupten, dass jeder einzigartig ist. Schließlich hat er sie alle selbst gemacht. Wenn er sich im September den Schützenumzug beim Oktoberfest anschaut, wird er den Großteil der Hüte, die die Schützen tragen, wiedererkennen. "80 Prozent sind von uns", schätzt er. "Meine Frau mag sich das schon gar nicht mehr mit mir anschauen, weil ich dann immer sag: Den hab ich gemacht und den auch", sagt er und grinst. 

    Icon Galerie
    59 Bilder
    Ein Blick hinter die Kulissen von Hut Faustmann in Unteregg.

    Er und seine Kollegen haben schon unzählige Musik- und Schützenvereine ausgestattet, auch historische Gruppen – und den Hauptdarsteller des König-Ludwigs-Musicals, der mit einem Faustmann-Hut auf der Bühne steht. Auch zahlreiche Prominente tragen oder trugen Hüte aus Unteregg: Franz Josef Strauß zum Beispiel und Theo Waigel, Fernsehkoch Horst Lichter, Schauspieler Jan Josef Liefers oder die Musiker Johannes Oerding und Max Mutzke. "Für jeden Kopf gibt es den passenden Hut", ist Markus Faustmann überzeugt. Denn Hüte sind hier eben in jeder Hinsicht die Hauptsache.

    Info: Zum Jubiläum gibt die Firma Faustmann im Fundusstadel des Bürger- und Vereinshauses in Unteregg einen Einblick in ihre Firmengeschichte und die tägliche Arbeit. Am Sonntag, 14. Mai, sind dort von 10.30 bis 17 Uhr alte Hutpressen, Nähmaschinen und Hutformen zu sehen, Bilder aus der Fertigung und auch ein Film, der zeigt, wie der Stumpen zum Hut wird. 

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden