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Kochen im Unterallgäu: Zwischen Freekeh und Knödeln: Reem Omar wagt den Neuanfang im Unterallgäu

Kochen im Unterallgäu

Zwischen Freekeh und Knödeln: Reem Omar wagt den Neuanfang im Unterallgäu

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    Reem Omar kocht ohne Rezept, einfach nach Gefühl. In eine kleine Pfanne auf dem Herd füllt sie Cashewkerne und bedeckt sie mit Olivenöl. Auf der hinteren Herdplatte köchelt bereits das Huhn in einer Brühe mit verschiedenen Gewürzen, deren Geruch sich in der kleinen Küche verbreitet. Die Gerichte aus ihrer Heimat Syrien gehen der 47-Jährigen leicht von der Hand. "Meine Kinder wollen lieber Schnitzel oder Knödel", sagt sie, "aber das muss ich noch üben."

    Seit knapp acht Jahren leben Reem Omar und ihr Mann Waheeb mit ihren Söhnen im Teenager-Alter Hamsa und Mohammad in Deutschland. "Meine Kinder sind hier aufgewachsen, sie reden Deutsch untereinander", sagt sie. Als sie ihren Sohn auf Arabisch zu etwas auffordert, versteht er sie nicht. "Red mal langsamer, Mama", sagt er. Er soll Saft und Mineralwasser holen. Die beiden Söhne waren fünf und sechs Jahre alt, als Omar mit ihnen nach Dank des Familiennachzugs konnten sie auf sicherem Weg mit dem Flugzeug nach München kommen, seit 2022 hat die Familie einen deutschen Pass.

    Syrien: Omars Mann nahm die gefährliche Flucht auf sich

    Ihr Mann Waheeb war zuvor von Syrien über die Türkei und Griechenland nach Deutschland geflohen - zu Fuß und mit einem kleinen Boot, das zwischen der

    Die beiden lernten sich in Damaskus an der Grundschule kennen, an der sie beide arbeiteten - sie als Englischlehrerin, er als Mathelehrer. Dass sie gut Englisch spricht, hat ihr in der Anfangszeit in Deutschland sehr geholfen, sagt sie. Trotzdem hat sie schnell Deutsch gelernt. Nach drei Monaten konnte sie bereits den B1-Kurs besuchen. "Ich hatte nichts zu tun am Anfang, die Zeit habe ich genutzt", sagt sie. Heute leitet sie die Nachmittagsbetreuung an der Grundschule in Ettringen. Sie würde gerne wieder als Englischlehrerin arbeiten, doch dazu fehlt ihr das deutsche Staatsexamen. Neben Beruf, Haushalt und Kindern noch einmal zu studieren, ist ihr momentan zu aufwendig, aber sie kann über ihre Arbeit verschiedene Weiterbildungen machen.

    Käse und Jogurt macht Omar selbst

    Im Topf köchelt mittlerweile das Freekeh, getrockneter Hartweizen, der an Bulgur erinnert. Nachdem Omar ihn kurz mit dem Öl, in dem die Cashewkerne erhitzt wurden, anbrät, bedeckt sie ihn mit der gewürzten Brühe, in der das Hähnchen zuvor gekocht hat. So können gleich die ganzen Aromen einziehen. Das Hühnchen schiebt sie derweil für wenige Minuten in den Ofen und lässt es goldbraun rösten. Sie schüttet Erbsen zum Freekeh und lässt das Ganze bei geschlossenem Deckel köcheln. Währenddessen bereitet sie die Beilagen zu. Für das Zaziki mischt sie selbstgemachten Jogurt mit Knoblauch und Gurke. "Ich mache Käse und Jogurt manchmal selber. Das, was ich hier kaufen kann, hat mir zu wenig Fett", sagt sie und lacht.

    "Ich habe nur nette Menschen kennengelernt."

    Das sagt Reem Omar über ihre Zeit im Unterallgäuundefined

    Ihr rosafarbenes Kopftuch nimmt sie nur vor anderen Frauen, ihrem Mann und ihren Söhnen ab. Der Glaube ist ihr sehr wichtig. Fünfmal am Tag müssen Muslime beten. Weil sie auf der Arbeit keine Zeit dafür hat, spart sie sich die Gebete auf und holt sie abends nach. Ihr Mann geht regelmäßig in die Moschee, aber für Frauen ist das keine Pflicht, sagt sie.

    Omar fühlt sich im Unterallgäu wohl

    Anfangs hatte sie Angst, dass sie in Deutschland wegen ihres Kopftuchs angefeindet würde, erzählt die 47-Jährige, während sie die Tomaten für den Salat schneidet. "Aber ich habe nur nette Menschen kennengelernt." Die ersten fünf Jahre hat die Familie in Irsingen gelebt. Mit den Nachbarn gab es Grillfeste, sie haben zusammen Silvester gefeiert und Ausflüge nach München und in die Region gemacht. Auch heute noch treffen sie sich oft. Seit einem Jahr lebt die Familie in einem kleinen Reihenhaus in Bad Wörishofen, denn die Wohnung in

    Obwohl die 47-Jährige vorher in der Millionenstadt Damaskus lebte, gefällt es ihr im beschaulichen Unterallgäu. "Für die Kinder ist es auf dem Land eigentlich schöner. Nur ohne Auto geht hier nichts", sagt sie. Ihren Führerschein hat sie erst in Deutschland gemacht, denn zuvor hat sie nie einen gebraucht, sagt sie.

    Ihre Familie lebt noch immer in Syrien

    Omars Deutsch hat einen leichten schwäbischen Dialekt. Während sie erzählt, lacht sie immer wieder. Und das, obwohl viele Themen alles andere als lustig sind. Auch wenn Omar auf sicherem Weg nach Deutschland kommen konnte, war die Entscheidung zur Flucht keine leichte. Lange war sie dagegen, Syrien zu verlassen. Doch irgendwann wurde die Lage zu unsicher. Lieber wäre sie in eins der Nachbarländer gegangen, doch das war nicht möglich. "Ich musste mein Leben mit 40 Jahren in einen einzigen Koffer packen und woanders nochmal ganz von vorne anfangen", sagt sie. 

    Ihre Schwester, ihren Bruder und ihre Mutter hat sie seit der Flucht nur noch über den Handybildschirm gesehen - wenn diese Internet oder Strom haben. Omar hat zu viel Angst, nach Syrien zu reisen, und für ihre Familie ist es unmöglich, nach Deutschland zu kommen. Ihr Leben in Syrien, ihre Freunde und Familie, fehlen ihr. Trotzdem schaut sie nach vorn: "Ich kann nicht einfach dasitzen und traurig sein, ich muss immer etwas tun."

    Rezept: So kochen Sie Freekeh mit Hühnchen

    Freekeh mit Hühnchen

    Zutaten (für fünf Personen):

    • 5 Hähnchenschenkel
    • 300 g Freekeh
    • 100 g Erbsen
    • Olivenöl oder Margarine
    • Eine mittelgroße Zwiebel
    • Cashewnüsse (zum Verzieren)
    • Jeweils ein Teelöffel der folgenden Gewürze: Salz, Pfeffer, Kardamompulver, Ingwerpulver, 7 Gewürze (Gewürzmischung), Curry, drei Lohrbeerblätter

    Zwiebel schneiden in einem Topf und zusammen mit Hähnchenkeulen mit etwas Öl anbraten und alle Gewürze dazugeben. Wasser hinzufügen, bis es untergetaucht ist und ca. 40 Minuten kochen lassen.

    In einer Pfanne die Cashewnüsse mit dem Fett goldbraun rösten.

    Das Fett, in dem die Nüsse geröstet wurden, in einen Topf geben und die Erbsen mit Freekeh für 2 Minuten darin rösten. Danach mit Hühnerbrühe übergießen, sodass das Freekeh bedeckt ist.

    Wenn es zu kochen anfängt, den Ofen herunterstellen. Bei geschlossenem Deckel köcheln lassen und ab und zu umrühren, bis es gar ist.

    Die Hähnchenkeulen auf einem Blech in den Ofen schieben, und bei und bei 200°c Oberhitze rösten, bis sie goldbraun sind.

    Das Essen auf eine Servierplatte aufgeben, die Hähnchenkeulen darauf legen und die gerösteten Nüsse darauf streuen. Guten Appetit! 

    In unserer Serie "So international kocht das Unterallgäu" besuchen wir Menschen, die nicht gebürtig aus der Region kommen. Wenn Sie auch mit uns kochen wollen, schreiben Sie uns eine Mail an redaktion@mindelheimer-zeitung.de mit dem Betreff "International kochen".

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