Die Zahlen, die jedes Jahr rund um den internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen veröffentlicht werden, schockieren immer wieder: Rein rechnerisch wird in Deutschland alle drei Minuten eine Frau oder ein Mädchen Opfer häuslicher Gewalt, Tendenz leider steigend. Auch im Allgäu gibt es jährlich zwischen 700 und 1000 Anzeigen wegen häuslicher Gewalt, im Unterallgäu waren es in diesem Jahr bislang mehr als 130. Schätzungen zufolge gibt es aber noch sehr viel mehr Fälle, die in keiner Statistik auftauchen, weil die Betroffenen sich aus Scham oder Angst nicht trauen, Hilfe zu suchen. Wo es die gibt, erklärt Elisabeth Egg vom Frauenhaus Memmingen. Und auch, was man tun kann, wenn man den Verdacht hat, dass eine Frau oder Kinder häuslicher Gewalt ausgesetzt sind.
Wenn es um häusliche Gewalt geht, denken viele ans Frauenhaus. Es bietet Betroffenen Zuflucht, die es zuhause nicht mehr aushalten und ist oft der letzte Ausweg. Außerdem bekommen die Frauen hier vielfältige Unterstützung, etwa rund um die Arbeits- und Wohnungssuche, die Durchsetzung rechtlicher und finanzieller Ansprüche, in Sorgerechts- und Umgangsregelungsverfahren und auch bei der Suche nach einer Kinderbetreuung.
Das Memminger Frauenhaus bietet auch eine ambulante Beratung an
„Aber nur wenige wissen, dass wir auch eine ambulante Betreuung und Beratung anbieten“, sagt Elisabeth Egg. Betroffene können mit ihr und ihren Kolleginnen telefonisch unter 08331/4644 oder über die Homepage www.frauenhaus-memmingen.de einen Termin vereinbaren und gemeinsam überlegen, welche Schritte nötig sind, um sich wieder ein selbstbestimmtes Leben aufzubauen und der Gewalt zu entkommen.
Diese Gewalt kann viele Gesichter haben. Anfangs handelt es sich oft um psychische Gewalt, bestätigt ein Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West auf Nachfrage. Die Täter – rund 80 Prozent sind tatsächlich Männer – reden ihre Opfer klein, beleidigen sie, schüchtern sie ein, kontrollieren sie, kappen oft schleichend alle sozialen Kontakte außerhalb der Beziehung und machen sie von sich abhängig. Früher oder später ist das Selbstbewusstsein der Opfer dahin – und damit die Gefahr gering, dass sie sich trauen, zur Polizei zu gehen. Damit beginnt dann häufig die körperliche Gewalt.
Im Memminger Frauenhaus gibt es sieben Plätze für Frauen und ihre Kinder
Gefeit ist davor niemand. Häusliche Gewalt gibt es in allen Alters- und Bevölkerungsgruppen, das sieht Elisabeth Egg quasi Tag für Tag. „Es kommen 18-Jährige, die von ihrem Vater oder Bruder eingesperrt und misshandelt wurden, aber auch Rentnerinnen“, sagt sie. Im Frauenhaus in Memmingen, das auch Betroffene aus dem Landkreis aufnimmt, gibt es sieben Plätze und außerdem ein Apartment, in dem auch Frauen mit Söhnen unterkommen, die bereits älter als 14 Jahre sind. Das ist nicht selbstverständlich. Denn weil ein 14-Jähriger schon sehr männlich wirken kann, könnte er anderen Bewohnerinnen, die Schlimmes hinter sich haben, Angst machen.
In diesem Jahr haben bislang 24 Frauen in dem anonymen Haus in Memmingen Zuflucht gesucht. „Leer sind wir nie“, sagt Elisabeth Egg. Das liegt auch an der Wohnungsnot, die es den Bewohnerinnen erschwert, eine eigene Wohnung zu finden, aber eben auch an der Vielzahl der Fälle. Wer Hilfe braucht, findet sie rund um die Uhr über das bundesweite Hilfetelefon 08000/116016, wo auch Dolmetscher zur Verfügung stehen.
Wer Schreie hört oder Hinweise auf eine körperliche Auseinandersetzung hat, sollte die Polizei rufen
Wer den Verdacht hat, dass eine Frau zu Hause Gewalt erfährt, kann ihr ebenfalls diese Telefonnummer in den Briefkasten werfen. Sollte sie in einem Mehrfamilienhaus leben, kann es hilfreich sein, die Nummer in jeden Briefkasten zu verteilen, damit das Hilfsangebot nicht auffällt. Wer Schreie hört oder Hinweise darauf hat, dass jemand in seiner Wohnung misshandelt wird, sollte umgehend die Polizei informieren, rät Elisabeth Egg. Ein erster Schritt könne es auch sein, sich bei einem zufälligen Treffen zu erkundigen, ob es der Frau gut geht oder man ihr irgendwie helfen kann. „Es kann schon helfen, wenn sie merkt, dass ihre Situation wahrgenommen wird“, ist Eggs Erfahrung.
Sich mit dem Verdacht an die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses zu wenden, ist dagegen insofern nicht hilfreich, als sie nicht aktiv auf die möglichen Betroffenen zugehen dürfen. „Die Initiative muss von den Frauen selbst ausgehen, diese Hürde müssen sie selbst nehmen“, erklärt Egg. Den weiteren Weg, mit dem für sie in der Regel ein deutlich besseres Leben beginnt, nämlich eines ohne Gewalt, müssen sie anschließend aber nicht alleine gehen.
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