Unterallgäu

Trübe Aussichten für die Unterallgäuer Wirtschaft

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    Der Mangel an Fachkräften ist auch für Unternehmen im Landkreis Unterallgäu ein großes Problem.
    Der Mangel an Fachkräften ist auch für Unternehmen im Landkreis Unterallgäu ein großes Problem. Foto: kne fpt cul

    Erst Corona, dann der Ukrainekrieg und in der Folge Energiekrise und Lieferengpässe: Die Unternehmen in der Region stellt das vor gewaltige Herausforderungen. Das wirft die Frage auf, wie es um die wirtschaftliche Situation im Unterallgäu bestellt ist. Michael Stoiber, der Leiter des Sachgebiets Regionalentwicklung, Wirtschaftsförderung und Tourismus am Landratsamt, hat sie in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Tourismus beantwortet.

    Als nach wie vor große Pluspunkte sieht Stoiber demnach die stabile mittelständische Wirtschaftsstruktur und den ausgewogenen Branchenmix, die den Wohlstand in der Region sicherten und für einen stabilen Arbeitsmarkt sorgten. Anders als beispielsweise in Ingolstadt mit Audi gebe es im Unterallgäu nicht den einen großen Arbeitgeber, dessen wirtschaftliche Situation sich auf den ganzen Landkreis auswirke.

    Den Aspekten für eine gute wirtschaftliche Lage des Unterallgäus stehen Gefährdungen gegenüber

    Auch die verkehrsgünstige Lage im Wirtschaftsraum Allgäu sichere eine stabile Wirtschaftsentwicklung, so Stoiber. Er verwies zudem auf das qualitativ hochwertige und authentische Angebot im Gesundheitstourismus mit Kneipp als Alleinstellungsmerkmal. Zusätzlich sieht er in der zunehmenden Nachfrage nach entschleunigtem Natururlaub großes Potenzial für den Landkreis.

    Diesen positiven Aspekten stehen aber auch Gefährdungen gegenüber: So sei die energieintensive Wirtschaftsstruktur mit einem sehr starken produzierenden Gewerbe anfällig bei hohen Energiekosten und Problemen bei der Energieversorgung. Der Mangel an Arbeitskräften und Erweiterungsflächen für Betriebe könnten außerdem die Entwicklungsmöglichkeiten wachstumsstarker Unternehmen hemmen, so Stoiber. Die Stärke des Unterallgäus als Produktionsstandort wirke sich zudem negativ auf dessen Wahrnehmung als Tourismusregion aus. Hinzu kämen spezifische Probleme der Gastbranche, die für eine signifikante qualitative Verschlechterung sowie den Rückgang von Angeboten sorgten.

    Die meisten der befragten Unternehmen im Unterallgäu haben die Corona-Pandemie ganz gut überstanden

    Zuvor war Stoiber auf die Corona-Wirtschaftshilfen eingegangen: Demnach sind fast 65 Millionen Euro ins Unterallgäu geflossen, fast die Hälfte davon ins Gastgewerbe. Der Handel wurde mit mehr als 8,2 Millionen Euro unterstützt, der Bereich Kunst, Unterhaltung und Erholung mit rund 5,7 Millionen Euro. Insgesamt haben im Unterallgäu 3262 Unternehmerinnen und Unternehmer unterschiedlicher Branchen die staatliche Unterstützung bekommen. In einer Unternehmerbefragung von 2021 gab die Hälfte der Befragten an, mit der Abwicklung der Wirtschaftshilfen zufrieden zu sein, knapp ein Viertel war sogar sehr zufrieden.

    Die gleiche Befragung habe auch gezeigt, dass die meisten Unternehmen die Corona-Pandemie ganz gut überstanden haben, so Stoiber. „Es gab natürlich Betriebsaufgaben in bestimmten Branchen“, räumte er ein. Es sei aber nicht zu einem größeren Maß an Betriebsaufgaben und Insolvenzen gekommen und auch die Arbeitslosigkeit sei nicht gestiegen. Auch dank der staatlichen Hilfen sei es den Unternehmen gelungen, negative Auswirkungen der Corona-Pandemie abzufedern.

    Im Unterallgäu fehlt es nicht nur an Fach-, sondern allgemein an Arbeitskräften

    Erfreuliches konnte er auch aus dem Bereich Tourismus berichten: Nach dem coronabedingten Einbruch 2020 ist die Zahl der Gästeübernachtungen und -ankünfte wieder gestiegen. In einem Ranking der bayerischen Landkreise kommt das Unterallgäu auf Platz 19 und liegt damit beispielsweise vor Augsburg, Dillingen, Günzburg, Neu-Ulm und Landsberg. Bis August 2022 haben fast 104.000 Gäste im Unterallgäu übernachtet, bis August 2019 waren es mehr als 114.000.

    Als nach wie vor großes Thema auch im Unterallgäu bezeichnete Stoiber den allgemein beklagten Fachkräftemangel. Richtiger sei es aber, von einem Arbeitskräftemangel zu sprechen. Denn es fehlten nicht nur Fach-, sondern auch Hilfskräfte. Das zeigt auch die Unternehmerbefragung vom Vorjahr: Neben gelernten Arbeitskräften vor allem im gewerblich technischen Bereich und Auszubildenden waren damals auch Stellen für ungelernte Arbeitskräfte frei. Derzeit sind im Unterallgäu mehr als 1900 Stellen unbesetzt. Als Grund für die Probleme bei der Stellenbesetzung sehen die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer vor allem, dass es einfach zu wenig Bewerberinnen und Bewerber gibt und diese teils nicht über die erforderliche Qualifikation verfügen. Auch zu hohe Gehaltsvorstellungen verhindern offenbar, dass Stellen besetzt werden.

    Der Prognos-Zukunfsatlas sieht sehr hohe Zukunftschancen für das Unterallgäu

    Um die Unternehmerinnen und Unternehmer gezielt unterstützen zu können, läuft deshalb gerade die Arbeitskräftestudie Allgäu, so Stoiber. Außerdem findet am Donnerstag, 15. Dezember, ab 13 Uhr in der Memminger Stadthalle ein Fachkräfteforum für Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen statt. Veranstalter sind die Agentur für Arbeit Kempten-Memmingen, die IHK Schwaben, die Kreishandwerkerschaft Memmingen-Mindelheim, die Stadt Memmingen und der Landkreis Unterallgäu. Darin sollen den Teilnehmenden nicht nur Wege zum wettbewerbsfähigen Arbeitgeberprofil aufgezeigt werden, sondern auch Fördermöglichkeiten für die Weiterbildung ihrer Beschäftigten. Ein weiteres Thema wird sein, wie sie über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ausländische Fachkräfte gewinnen können.

    Unter der Überschrift „Unterallgäu – stark und reich an Chancen“ verwies Stoiber auf den Prognos-Zukunftsatlas, in dem das Unterallgäu den ersten Platz in Schwaben einnimmt und bundesweit Rang 37 von 400 Landkreisen und kreisfreien Städten. Der Zukunftsatlas gibt an, für wie groß die Zukunftschancen eines Landkreises anhand von 29 Indikatoren eingeschätzt werden. Für das Unterallgäu sieht die Studie demnach „sehr hohe Zukunftschancen“, außerdem attestiert sie dem Landkreis „sehr hohe Stärke“.

    Ein Viertel der Befragten sieht das eigene Geschäftsmodell bedroht

    Die Geschäftsleute vor Ort sind allerdings etwas weniger optimistisch: Zwar bewerteten in einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer Schwaben (IHK) 52 Prozent der Unternehmerinnen und Unternehmer ihre Geschäftslage im April noch als gut, nur 41 Prozent gingen zu diesem Zeitpunkt aber davon aus, dass das auch so bleiben wird. 39 Prozent rechneten damit, dass sich ihre Geschäftslage verschlechtern wird, 20 Prozent erwarteten stattdessen sogar eine Verbesserung.

    Die große Mehrheit, nämlich 83 Prozent, gab an, die Zahl der Beschäftigten beibehalten oder sogar erhöhen zu wollen. Als größte Risiken sahen 80 Prozent der Befragten die steigenden Energie- und Rohstoffpreise und 60 Prozent den Fachkräftemangel. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine Umfrage der IHK Schwaben im September: Darin gaben 98 Prozent der befragten Unternehmerinnen und Unternehmer an, von den höheren Energiekosten stark oder sehr stark betroffen zu sein. 44 Prozent berichteten außerdem von Ausfällen in den Lieferketten und ein Viertel der Befragten sah das eigene Geschäftsmodell bedroht. Die Hälfte von ihnen schieben aufgrund der trüben Aussichten geplante Investitionen auf, zehn Prozent denken darüber nach, ihre Produktion in eine andere Region zu verlagern. „Das ist natürlich der Worst-Case“, so Stoiber.

    „Die Unternehmer geraten von einer Sorge in die nächste“, fasste Landrat Alex Eder abschließend zusammen. Sie hätten viele Aufgaben vor der Brust, meisterten diese aber hervorragend.

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