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Unterallgäu: So wurden die Opferstock-Knacker aus Mindelheim und Augsburg überführt

Unterallgäu

So wurden die Opferstock-Knacker aus Mindelheim und Augsburg überführt

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    Die Opferstöcke von abgelegenen Kapellen waren eine beliebte Beute der Diebesbande. Rund 60 Fälle haben die mutmaßlichen Täter nach ihrer Festnahme gestanden.
    Die Opferstöcke von abgelegenen Kapellen waren eine beliebte Beute der Diebesbande. Rund 60 Fälle haben die mutmaßlichen Täter nach ihrer Festnahme gestanden.

    Lange war es ein Rätsel für die Polizeidienststellen im Allgäu, am Ende entpuppten sich die Taten als eine durchaus kuriose Einbruchsserie. Eine dreiköpfige Diebesbande war den Ermittlungen zufolge in 60 Kapellen und Grotten eingebrochen und hatte Opferstöcke geknackt – auch im Unterallgäu. Das Seltsame: Die Beutesumme belief sich nur auf einen hohen dreistelligen Wert. Allein für die weiten Autofahrten waren die Spritkosten sicher enorm. Der entscheidende Hinweis, durch dessen Hilfe wie berichtet die Polizei Mindelheim und Füssen die Täter dingfest machen konnte, kam aus Oberbayern.

    Der Zeuge: ein Landwirt aus Bernbeuren am Auerberg. Am 20.Januar will der 45-Jährige, der nicht namentlich genannt werden möchte, gegen 21.30 Uhr die Türen der hofeigenen Kapelle dichtmachen. In dem Kirchlein sieht er zwei Personen. Kurz wundert sich der Landwirt. Die Ausgangssperre gilt noch, eigentlich ist um diese Uhrzeit niemand mehr draußen unterwegs. Er betritt die Kapelle und grüßt die beiden dunkel gekleideten Männer: „Servus.“ Antwort erhält er keine.

    Stattdessen gehen die Männer mit hochgezogener Kapuze an ihm vorbei und verlassen das Gotteshaus. Es ist kalt, aber einer der beiden trägt eine kurze Hose. Etwas verdutzt bleibt der 45-Jährige zurück und wirft einen prüfenden Blick auf Figuren und Gegenstände. Ihm fällt zunächst nichts Verdächtiges auf. Weil ihm die Situation seltsam vorkommt, geht er nach draußen. Die beiden Männer steigen in einen Wagen, am Steuer sitzt eine junge Frau. „Wären sie nicht weggefahren, hätte ich sie vermutlich gar nicht bemerkt.“

    Der Landwirt bemerkt den aufgebrochenen Opferstock und ruft die Polizei

    Der Landwirt notiert sich das Augsburger Kennzeichen des silberfarbenen Wagens. Als der Bernbeurer später bemerkt, dass sein Opferstock aufgebrochen wurde, informiert er die für sein Gebiet zuständige Polizei in Schongau. Die Beamten rücken an, der Fall kommt ins Rollen, später arbeiten wie berichtet die Polizeistellen in Schongau, Füssen und Mindelheim eng zusammen.

    Um Opferstöcke aufzubrechen, war den 23, 22 und 20 Jahre alten mutmaßlichen Tätern offenbar kein Weg zu weit. Sie fuhren von ihren Wohnorten Mindelheim und Augsburg unter anderem ins West- und Ostallgäu. Sie brachen etwa in Apfeltrach bei Mindelheim und Bad Wörishofen ein und fuhren zu abgelegenen Kapellen ins Unterallgäu, außerdem über die Landesgrenze nach Musau (Reutte) und ins angrenzende Oberbayern nach Ingenried und Bernbeuren. Überall fanden sie Kapellen und Grotten – doch nicht überall gelang es ihnen, die Opferstöcke aufzubrechen. Auch im Fall der Kapelle in Bernbeuren, wo der 45-Jährige sie gesehen hatte, erbeuteten die mutmaßlichen Täter nichts. An einigen Tatorten hinterließen sie Zigaretten – ein Glück für die Spurensuche der Polizei.

    Viele Zeugen beobachteten zudem die drei jungen Leute, die kurzen Hosen, das fremde Kennzeichen. Warum die Einbrecher so weite Strecken fuhren, lässt sich nur vermuten. Die Füssener Polizisten sehen „Geldnot, Freizeitspaß und eine Beschäftigung aus Langeweile“ als mögliches Motiv. Kopfschütteln löst der Fall auch bei der Polizei Schwaben Süd/West aus. „Bei abgelegenen Kapellen ist zumindest das Entdeckungsrisiko gering“, sagt Pressesprecher Dominic Geißler.

    Im Zuständigkeitsgebiet der Füssener Polizei brachen die Täter vier Mal ein. Zeugen beschrieben zwei Männer, einer groß und schlank, einer klein und dick. Die Frau trage grüne Schuhe. Eine Suche nach dem Kennzeichen geht da aber noch ins Leere: Einen silberfarbenen Seat gibt es 600 Mal in Augsburg.

    Die Verdächtigen - einer davon aus Mindelheim - wurden rasch festgenommen

    Erst als der Hinweis des Zeugen von der Polizei Schongau nach Füssen gelangte, führte die Spur nach Mindelheim. Es handelte sich um einen Leihwagen, der Mieter war schnell ausfindig gemacht. Bis zur Festnahme vergingen nur wenige Tage. Eine Wohnungsdurchsuchung des Leihwagenbesitzers wurde genehmigt. Die Verdächtigen wurden festgenommen. Alle drei sind geständig.

    Marco Gmehlin, Ermittler der Polizei Füssen, der in dem Fall koordiniert, forderte bei seinen Kollegen einen geografisch aufbereiteten Lagebericht an. „Uns war klar: Die sind einfach von Mindelheim aus eine große Runde gefahren.“ Aber nicht wahllos. Bei der Wohnungsdurchsuchung und im Handy der Täter fanden Polizisten aus Mindelheim Foto-Material, das für eine Planung der Taten spricht. Mit einem Schlag waren viele einzelne Einbrüche geklärt.

    Die mutmaßlichen Täter sind auf freiem Fuß. „Sie haben einen festen Wohnsitz in der Gegend, sind geständig. Das ist ein übliches Vorgehen“, erklärt der Füssener Polizei-Chef Edmund Martin. Er kann sich vorstellen, dass es weitere Opfer gibt. Betroffene können sich bei der Polizei melden. Bis zur Gerichtsverhandlung werden wohl noch einige Monate vergehen. „Ich könnte mir vorstellen, dass sie schon auf die zwei Jahre Strafe zugehen“, sagt Gmehlin.

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