Kein Monat im Jahreslauf bringt uns die Vergänglichkeit so nahe, wie der November. Der sogenannte „Totenmonat“ rückt Sterben und Tod in den Mittelpunkt und regt zum Nachdenken darüber an. Die Endlichkeit erleben wir in der im Herbst absterbenden Natur und sie umfängt uns auch immerfort im Leben. So ist es auch kein Wunder, dass sich in unserer Kultur rund um den Tod viele Rituale und Bräuche entwickelt haben. Heute ist der Zeitgeist allerdings eher anders. Gedanken an den Tod und das Sterben werden oftmals verdrängt oder tabuisiert. Krankheit, Altern, Siechtum und Tod – all dies sind Tatsachen, die nicht immer in unsere lebensfrohe und eher oberflächliche Zeit passen wollen.
Unsere gläubigen Vorfahren haben dagegen gleichsam mit dem Tod vor Augen gelebt und deshalb immer wieder um eine gute Sterbestunde gebetet. Natürlich fürchteten sich die Menschen einst ebenfalls vor dem Tod, vor allem aber vor einem unerwarteten Weggang aus dieser Welt. Deshalb betete man immer wieder: „Vor einem plötzlichen und unvorhergesehenen Tod bewahre mich, o Herr!“
Man achtete besonders auf Anzeichen des Todes
Da man stets mit dem Tod rechnete, hat man auch immer auf Anzeichen geachtet, die vielleicht als Hinweis auf die Nähe des Todes gedeutet werden konnten. Dass sich dabei in den Volksglauben auch allerlei Unchristliches eingeschlichen hat, zeigen einige verbreitete Ängste. So galt es als Zeichen dafür, dass jemand aus der Gemeinde oder Familie bald sterben werde, wenn Krähen in Scharen übers Haus geflogen sind, ein Bild oder das Kreuz von der Wand gefallen ist, wenn die Wanduhr stehen geblieben ist. Aber auch, wenn während der Wandlung bei der Heiligen Messe die Kirchturmuhr eine volle Stunde geschlagen hat oder der Hund eine Nacht durchheulte.
Wie die Menschen früher grundsätzlich daheim zur Welt kamen, so starben sie – als es nur vereinzelt Spitale gab – auch meist zu Hause. Der Tod war ein wichtiger Teil des Zusammenlebens. Die Sterbenden wurden in ihrem Bett vom Pfarrer „versehen“; bei der „letzten Ölung“ waren die Familienangehörigen anwesend. Ging es sichtlich auf das Ende zu, so kamen auch die Nachbarn dazu, um den Sterbenden „in die Ewigkeit hinüberzubeten“. Wie auch heute noch, wurde nach dem Ableben unverzüglich das „Scheidungsläuten“ veranlasst. In früheren Zeiten ohne Telefon wurde dann auch jemand zum „Einsagen“ beauftragt. Diese Person hatte die Todesnachricht in bestimmten Häusern zu überbringen und eine Einladung zur Beerdigung auszusprechen. In den Dörfern tat dies meist eine ärmere Frau, die für ihren Dienst von den Angesprochenen mit Naturalien, wie Mehl, Eier oder Brot beschenkt wurde. Als es vormals kein Leichenhaus im Ort gab, verblieb der Tote im Sterbehaus, wo Nachbarn abwechselnd Totenwache hielten. Die Nachbarn beteten auch an den Abenden vor dem Beerdigungstag im Haus des Verstorbenen gemeinsam den Totenrosenkranz. Nachbarn fungierten auch als Sargträger und sorgten für die Aushebung des Grabes. Diesen „Ehrendienst“ gibt es in manchen Gemeinden auch heute noch. Eine Verbrennung war von der Kirche lange Zeit verboten.
Mit den Leichenhäusern änderte sich das Totenbrauchtum in den Familien
Vieles von dem alten Totenbrauchtum in den Familien hat sich mit der Errichtung von Leichenhäusern zu Beginn des 20. Jahrhunderts geändert. Seitdem werden darin die Toten bis zur Beerdigung aufgebahrt. Dem kirchlichen Begräbnis geht traditionell ein Seelengottesdienst voraus. Dabei war es früher meist Usus, dass die Besucher des Requiems während der Messe in einer langen Schlange zu dem vor dem „Speisgatter“ aufgestellten Opferstock gingen, um dort ein Geldstück einzuwerfen. Dafür erhielten sie ein „Sterbbildle“. Bei diesem Opfergang konnten die Angehörigen des Toten unauffällig beobachten, wer am Requiem teilgenommen hat. Von alters her gehört – zumindest auf dem Land – zu einer „richtigen Leich“ auch ein „Leichentrunk“ oder „Leichenschmaus“, bei dem sich die Trauer-Familie samt Verwandten und Nachbarn zusammensetzen. Der ursprüngliche Sinn des Leichentrunkes war es, von auswärts angereiste Verwandte vor Antritt des Heimweges gastlich zu bewirten.
Nach dem Tod eines Angehörigen gingen unsere Vorfahren längere Zeit „schwarz“, also in Trauerkleidung. Dafür gab es genaue Regeln. So trugen zum Beispiel die Kinder beim Tod der Eltern ein Jahr und vier Monate lang dunkle Kleidung, ebenso die Eltern beim Tod erwachsener Kinder oder eines Ehepartners. Wer in Trauer war, mied pietätvoll jede lärmende oder lustige Geselligkeit.
Als „Begegnungsstätten“ sind die Friedhöfe mit ihren Gräbern wichtige Orte, an denen quasi eine enge Verbindung zu den Verstorbenen besteht. Vor allem an Allerheiligen und Allerseelen besuchen viele Menschen ihre toten Angehörigen oder Freunde, um ihrer zu gedenken und für sie zu beten. Aber auch hier gibt es inzwischen einen Wandel angesichts sich ändernder Beerdigungskultur bis hin zu anonymen Gräbern.
Es sind allerdings nicht nur die Friedhöfe, die an Tod und Sterben erinnern. Es gibt auch quer durchs Land viele kleine christliche „Gedenkstätten“, die sich auf tödliche Unglücke und Sterbefälle beziehen. Es sind Wegkreuze, Bildsäulen, Sühnekreuze, Unfallkreuze oder auch kleine Kapellen. All diese – oft historischen – Zeichen stehen für die große Gemeinschaft der Lebenden und Verstorbenen. Sie wollen zu einem Gebet und zum Nachdenken anregen. Häufig mahnt dabei auch der lateinische Spruch: „Memento mori“ – also: Gedenke, dass du sterblich bist!
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