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Unterallgäu: Höhere Pflegesätze: Leiter der Kreisseniorenheime schlägt Alarm

Unterallgäu

Höhere Pflegesätze: Leiter der Kreisseniorenheime schlägt Alarm

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    Ab November müssen die Bewohnerinnen und Bewohner der drei Unterallgäuer Kreisseniorenheime erneut mehr für ihre Pflege bezahlen.
    Ab November müssen die Bewohnerinnen und Bewohner der drei Unterallgäuer Kreisseniorenheime erneut mehr für ihre Pflege bezahlen. Foto: Sina Schuldt, dpa (Symbolbild)

    Als der Gesamtleiter der Kreisseniorenheime für den ersten Tagesordnungspunkt ans Mikro tritt, bleibt er gleich stehen. Zu sehr treibt Ara Gharakhanian um, was er den Mitgliedern des Ausschusses für Personal und Soziales in den folgenden fast zwei Stunden erklären wird. Im Zentrum geht es darum, dass die Pflegesätze für die Heime in Bad Wörishofen, Türkheim und Babenhausen im November wie schon in den Vorjahren erneut deutlich steigen werden, möglicherweise im zweistelligen Prozentbereich. Weil Personal- und Sachkosten – auch durch Energiekrise und Inflation – weiter gestiegen sind, aber auch, weil die Berechnungsgrundlagen der Pflegesätze nicht mit der Realität vor Ort übereinstimmen und Kosten, die bislang die Pflegekassen übernommen haben, nun auf die Bewohnerinnen und Bewohner umgelegt werden.

    So gehen die Pflegekassen laut Gharakhanian wie seit 25 Jahren weiter davon aus, dass die Heime zu mindestens 97,26 Prozent ausgelastet sind. Tatsächlich liegt die Belegungsquote bayernweit aber nur bei rund 88 Prozent. Dabei wäre die Nachfrage durchaus da. Doch in vielen Fällen stehen Zimmer leer, weil den Heimen das Personal fehlt, das sich um die potenziellen Bewohner kümmern könnte. Allein in den Kreisseniorenheimen in Türkheim und Bad Wörishofen fehlten aktuell zehn Vollzeit-Pflegekräfte, um das Haus voll belegen zu können, so der Gesamtleiter. Da viele der Pflegekräfte in Teilzeit arbeiten, bräuchte es rund doppelt so viele neue Mitarbeitende. Die aber sind weit und breit nicht in Sicht. 

    Politik und Pflegekassen belasten die Bewohnerinnen und Bewohner, kritisiert Gharakhanian

    "Was haben Sie getan, um Personal zu gewinnen?", hakte Kreisrätin Doris Hofer (Grüne) nach. Derzeit werde darüber nachgedacht, leer stehende Zimmer als Mitarbeiterwohnungen zu nutzen, so Landrat Alex Eder. Personal mit Prämien anzulocken, ist aus seiner Sicht dagegen wenig erfolgversprechend: "Denn der Teich ist nun mal leergefischt." Gharakhanian will auf gute, familienfreundliche Arbeitsbedingungen setzen, um so zumindest die vielen langjährigen Mitarbeiter ersetzen zu können, die in den nächsten Jahren in Rente gehen oder auch krankheitsbedingt ausfallen. Bis dahin wird die Belegung aber immer noch hinter der Annahme der Pflegekassen zurückbleiben. Dadurch werden die Kosten auf wesentlich weniger Bewohnerinnen und Bewohner umgelegt als von diesen angenommen. "Die Schere in der Finanzierung geht immer weiter auseinander", befürchtet der Gesamtleiter.

    Hinzu kommen steigende Energiepreise, die Inflation und die aus seiner Sicht angemessenen Tariferhöhungen, die die Pflegeheime jedoch finanziell enorm unter Druck setzen. "Es drohen massive Erhöhungen des Eigenanteils für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen", so Gharakhanian. Er befürchtet, dass sie massenhaft in die Sozialhilfe rutschen. Politik und Pflegekassen belasten immer noch einseitig die Bewohnerinnen und Bewohner, kritisiert er und nennt zwei weitere Beispiele: Im Zuge eines neuen Personalbemessungsverfahrens kommen für Hilfskräfte in Pflege und Betreuung nicht mehr wie bisher die Pflegekassen auf, sondern die Bewohnerinnen und Bewohner. Auch 60 Prozent der Kosten für die Digitalisierung der Pflegeheime sowie die Kosten für die Akquise ausländischer Fachkräfte werden auf sie umgelegt. 

    Die Erhöhung der Pflegesätze in den Kreisseniorenheimen könnte sich im zweistelligen Prozentbereich bewegen

    "Die Politik hat es leider versäumt, eine richtige Reform der Pflegeversicherung zu beschließen. Leidtragende sind die Bewohner und die Pflegeeinrichtungen, die die von der Politik verursachten Erhöhungen umsetzen und tragen müssen", sagt Gharakhanian. Denn auch viele Heime seien kaum noch in der Lage, dem finanziellen Druck standzuhalten: Es drohten bayernweit mehr Insolvenzen, als noch im "Pflegeheim Rating Report 2022" angenommen. Bereits jetzt könne der gesetzlich vorgeschriebene Sicherstellungsauftrag in der ambulanten Pflege nicht mehr eingehalten werden, nun drohe das Gleiche in der vollstationären Pflege.

    Um die drei Kreisseniorenheime weiterhin wirtschaftlich betreiben zu können, müssten die Pflegesätze zum 1. November zwischen 13,12 und 14,93 Prozent erhöht werden, so Gharakhanian. Je nachdem, wie lange die Bewohnerinnen und Bewohner bereits im Heim leben, müssten sie dann zwischen 400 und 800 Euro im Monat mehr bezahlen. Es ist ihm anzumerken, dass er das eigentlich niemandem zumuten möchte. Doch ohne das Geld werden die Kosten nicht zu stemmen sein, ist er überzeugt. Pflegekassen und Bezirk, mit denen er die Höhe der Pflegesätze aushandelt, sehen das indes anders. Sie halten eine Erhöhung zwischen 9,21 und 10,89 Prozent für ausreichend. Damit blieben die Heime laut dem Gesamtleiter aber auf voraussichtlichen Kosten in Höhe von rund 392.000 Euro sitzen. Noch sind die Pflegesatzverhandlungen zwar nicht abgeschlossen. Fest steht aber schon jetzt, dass es für die Bewohnerinnen und Bewohner wieder einmal deutlich teurer wird. Landrat Alex Eder bezeichnete das als bitter. "Aber finanziell lässt sich's nicht anders darstellen." 

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