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Unterallgäu: Die Lage in den Unterallgäuer Kreisseniorenheimen spitzt sich zu

Unterallgäu

Die Lage in den Unterallgäuer Kreisseniorenheimen spitzt sich zu

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    Die drei kreiseigenen Seniorenheime in Babenhausen, Bad Wörishofen und Türkheim werden dieses Jahr voraussichtlich mit einem Defizit abschließen. Für die Bewohnerinnen und Bewohner bedeutet das erneut steigende Pflegesätze.
    Die drei kreiseigenen Seniorenheime in Babenhausen, Bad Wörishofen und Türkheim werden dieses Jahr voraussichtlich mit einem Defizit abschließen. Für die Bewohnerinnen und Bewohner bedeutet das erneut steigende Pflegesätze. Foto: Martina Diemand (Archivbild)

    Als "nicht schön, aber ehrlich und realistisch" hat der stellvertretende Landrat Stephan Winter in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Personal und Soziales den Vortrag von Ara Gharakhanian bezeichnet. Der Gesamtleiter der drei kreiseigenen Seniorenheime hatte darin die Wirtschaftspläne für dieses Jahr vorgestellt - und die sehen wie auch schon im Vorjahr alles andere als rosig aus. 

    Er rechnet damit, dass die Seniorenheime das Jahr mit einem Defizit abschließen werden, das sich insgesamt auf mehr als 280.000 Euro belaufen könnte. Dabei fehlt es keineswegs an der Nachfrage. "Wir könnten jedes unserer Heime zu mehr als 100 Prozent belegen", sagt der Gesamtleiter im Gespräch mit dieser Redaktion. Das zeige die Zahl der täglichen Anfragen. Woran es aber fehlt, sind Pflegekräfte. 13 Vollstellen sind aktuell nicht besetzt: Im Haus Am Anger in Bad Wörishofen fehlen drei Fach- und zwei Hilfskräfte, in Türkheim vier Fach- und vier Hilfskräfte. Berücksichtigt man, dass der Großteil der Pflegekräfte in Teilzeit arbeitet, fehlen mindestens 26 Kräfte.

    Die Pflegesätze in den Unterallgäuer Kreisseniorenheimen werden ab November voraussichtlich um bis zu acht Prozent steigen

    Zum Personalmangel gesellen sich die steigenden Preise: Lebensmittel kosten seit dem vergangenen Jahr rund 13 Prozent mehr als zuvor, die Energiekosten stiegen teils um 55 Prozent und beim Gas sogar um bis zu 140 Prozent. Auch externe Dienstleistungen wie die Gebäudereinigung oder auch die IT sind laut dem Gesamtleiter deutlich teurer geworden. Was all das bedeutet, liegt auf der Hand: Auf die Bewohnerinnen und Bewohner werden einmal mehr höhere Pflegesätze zukommen. Zum 1. November könnten sie um acht Prozent steigen. "Diese Zahl ist sicher nicht zu hoch gegriffen", sagte Gharakhanian. Sie liege eher im mittleren oder sogar unteren Bereich. Je nachdem wie sich die Kosten weiterentwickeln, sei auch eine Erhöhung im zweistelligen Prozentbereich denkbar.

    Könnten die Häuser wieder voll besetzt werden, wäre das eine große finanzielle Entlastung. "Wir versuchen alles, um Personal zu gewinnen", beteuerte Gharakhanian in der Sitzung. Doch um die inzwischen wenigen Kräfte buhlen auch andere Häuser - und andere Branchen. Immer mehr Pflegekräfte quittierten den Schichtdienst, arbeiteten im ambulanten Pflegebereich oder orientierten sich beruflich komplett neu, so der Gesamtleiter. "Da, wo es nichts mehr gibt und auch kein Interesse mehr da ist, kann man keine neuen Kräfte akquirieren", lautet sein Fazit. Während es früher durchschnittlich bis zu 190 Tage dauerte, bis eine freie Stelle wieder besetzt werden konnte, liege diese sogenannte Vakanzzeit inzwischen bei rund einem Jahr.

    Hilfskräfte könnten die Personalnot in den Seniorenheimen ein wenig lindern, sind aber ebenfalls schwer zu finden

    Zudem habe die Umstellung zur generalistischen Pflegeausbildung vor drei Jahren die Ausbildungssituation weiter verschärft: Seit 2020 werden Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflegekräfte gemeinsam zu Pflegefachkräften ausgebildet und lernen in der dreijährigen Ausbildung alle drei Bereiche kennen. Für die Heime bedeutet das laut Gharakhanian, dass ihnen nur noch ein Jahr Zeit bleibt, um die angehenden Pflegekräfte von der Altenpflege zu überzeugen. Die Azubis in den Kreisseniorenheimen, die im September fertig werden, seien deshalb schon jetzt angesprochen worden, ob sie nicht bleiben wollen. Noch aber sei unklar, wie viele das Angebot annehmen.

    Aktuell liegt Gharakhanian die Bewerbung einer ausländischen Fachkraft vor, die er gerne einstellen würde. Weil sie aber seit zwei Jahren darauf warten muss, dass die Regierung von Schwaben ihren Abschluss anerkennt, wird er sie - zumindest vorerst - nur als Hilfskraft beschäftigen können. Wie er auf Nachfrage von Kreisrätin Agnes Schragl ausführte, sind aber auch diese sehr gesucht. Um die Fachkräfte zu entlasten, könnte sich Gharakhanian vorstellen, die Fachkraftquote bei gleicher Versorgungsqualität zumindest befristet abzusenken. Dann könnte beispielsweise hauswirtschaftliches Personal nicht-pflegerische Aufgaben übernehmen. Dazu seien die Kostenträger, also die Pflegekassen und der Bezirk Schwaben, aber nicht bereit. 

    Im Kreisseniorenheim in Babenhausen konnten im Januar alle 62 Plätze belegt werden

    Kreisrätin Christine Vogginger (CSU) schlug vor, sich beim Gesundheitsministerium nach einem Pilotprojekt zum Einsatz eines Pflegeroboters zu erkundigen. Dieser könne zwar nicht den persönlichen Kontakt zwischen den Bewohnern und der Pflegekraft ersetzen, diese aber möglicherweise bei körperlicher Arbeit entlasten.

    Doris Hofer (Grüne) riet dazu, statt in die Gebäude verstärkt ins Personalmanagement und Recruiting zu investieren. Dazu ist Gharakhanian gerne bereit. "Aber das löst nicht das generelle Problem der Abwanderung und dass der Beruf der Pflege unattraktiv geworden ist", gab er zu bedenken. Zentraler Punkt sei, die verbliebenen Pflegekräfte zu entlasten. Christian Fröhlich (ödp/BfU), selbst Krankenpfleger, sieht die Politik in der Pflicht: "Es muss sich grundsätzlich was ändern", sagte er. "Wir sparen uns bei der Pflege kaputt."

    Im Seniorenheim St. Andreas in Babenhausen wurden erfreulicherweise bereits neue Pflegekräfte gefunden. Im Januar konnten deshalb alle 62 Plätze belegt werden. Gleichwohl rechnet der Gesamtleiter zum Jahresende mit einem Defizit von fast 110.000 Euro. Das liegt auch daran, dass den Heimen coronabedingte Mehraufwendungen, zu denen sie nach wie vor verpflichtet sind, nicht mehr erstattet werden. In Babenhausen macht das 98.000 Euro aus, im Haus Am Anger in Bad Wörishofen 74.000 Euro und im Haus St. Martin in Türkheim sogar 204.000 Euro. Außerdem wurde zum 1. Mai in Babenhausen ein externes Mietverhältnis gekündigt, wodurch weitere 23.000 Euro fehlen. Wie der Platz künftig genutzt wird, ist laut Gharakhanian noch offen. Eine zusätzliche Wohngruppe schließt er jedoch aus. Man wolle in Babenhausen nicht in die gleiche Lage kommen wie in Bad Wörishofen.

    Sollte das Defizit des Kreisseniorenheims in Bad Wörishofen noch höher ausfallen als prognostiziert, müsste es der Landkreis ausgleichen

    Das dortige Seniorenheim wurde erst vor Kurzem von 48 auf 69 Plätze erweitert. Von den 21 neuen Plätzen konnten aufgrund des Pflegekräftemangels zuletzt aber nur sechs belegt werden - viel zu wenig, um die Investitionskosten zu refinanzieren. Zwar rechnet Gharakhanian auch hier damit, die Belegung von knapp 77 Prozent im vergangenen Jahr auf rund 85 Prozent in diesem steigern zu können. Mit fast 195.000 Euro fällt das veranschlagte Defizit hier aber am deutlichsten aus. Könnte das Haus voll belegt werden, würde das die Ertragssituation um rund 962.000 Euro verbessern. Geld, das das Haus gut gebrauchen könnte. 

    Denn wie den anderen beiden fehlt es auch ihm an liquiden Mitteln, um die betrieblichen Aufwendungen und Investitionen zu finanzieren. Sollte die wirtschaftliche Entwicklung noch schlechter verlaufen als prognostiziert, könnte es sogar so weit kommen, dass der Landkreis das dann noch höhere Defizit ausgleichen muss. 

    Am besten steht das Haus St. Martin in Türkheim da: Es könnte in diesem Jahr ein Plus von rund 24.500 Euro erwirtschaften. Anlass zur Sorge sieht Gharakhanian aber auch hier: Denn bereits seit 2019 konnten nicht mehr alle 133 Pflegeplätze belegt werden, im Januar waren zehn Plätze frei. Für heuer rechnet er mit einer Auslastung von 92 Prozent. Wären es 100 Prozent, würde das Mehreinnahmen von rund 940.000 Euro bedeuten. Weil dieses Geld aber fehlt, steht die eigentlich geplante Generalsanierung des Ostflügels, die rund 18 Millionen Euro kosten könnte, auf der Kippe. Derzeit sei unklar, ob die Sanierung wirtschaftlich umsetzbar ist, sagte der Gesamtleiter. Sollte sie abgeblasen werden, müssten bislang aufgeschobene Investitionen nachgeholt werden. 

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