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Unterallgäu: Der Advent zwischen Brauchtum und Kommerz

Unterallgäu

Der Advent zwischen Brauchtum und Kommerz

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    Das Schlagen des Weihnachtsbaumes ist seit vielen Jahren ein beliebtes Adventsritual. Das zeigt auch diese Karte aus dem Jahr 1930.
    Das Schlagen des Weihnachtsbaumes ist seit vielen Jahren ein beliebtes Adventsritual. Das zeigt auch diese Karte aus dem Jahr 1930. Foto: Archiv Hölzle

    Voller Bräuche, Aktionen und Festtage sind die Wochen vor Weihnachten. Sie bescheren uns auch die kürzesten Tage und die längsten Nächte des Jahres. Kaum wird aber heutzutage eine Zeit so vermarktet wie der Advent. Kaufrausch statt „Rorate“ oder Stress anstatt stiller Vorfreude? – Das fragen sich viele Menschen mit Blick auf die Veränderungen.

    Der Besuch der „Engelämter“ in der Kirche war früher im Advent Pflicht

    Bereits seit Monaten versucht uns die Werbung auf Weihnachten und vor allem auf das Geschenke-Kaufen vorzubereiten. Je näher Weihnachten rückt, desto umtriebiger scheint es zu werden. Die Nähe zum Fest drückt sich mehr und mehr in vielen Lichtern aus. Es sind die Weihnachtsbeleuchtungen in den Gemeinden und auch die vielen bunt beleuchteten Fassaden, Türme, Fenster und Bäume allerorten. War ursprünglich der Advent still und eher dunkel, so ist er nun ziemlich laut, hell und geschäftig geworden. Früher waren die Dezemberwochen vor allem kirchlich und auf die christliche Weihnachtsbotschaft hin ausgerichtet. Zum vierwöchigen Advent gehörte als Pflichtprogramm der Besuch der Rorate-Messen oder der „Engelämter“, die in aller Früh abgehalten wurden. Auch die Kinder hatten daran teilzunehmen. Heute ist der Advent dagegen neben seinen besinnlichen Stunden eher eine Zeit voller Aktionen und Termine.

    Auch die neuere Zeit hat noch vieles dem alten Brauchtum hinzugefügt. Der heute so selbstverständliche Adventskranz hat in Bayern erst vor knapp 100 Jahren Einzug gehalten. Auch das schöne Adventssingen ist erst in den letzten Jahrzehnten zu einem verbreiteten Brauch geworden. Ähnlich ist es mit den Adventskalendern. Der Advent ist mittlerweile auch voller Adventsbasare, Konzerte, Christkindlmärkte und fröhlicher Weihnachtsfeiern. Kein Wunder, dass viele Menschen vom „Adventsstress“ sprechen.

    Gemeinsames Singen gehört für viele in der Advents- und Weihnachtszeit einfach dazu. Diese Karte ist von 1946.
    Gemeinsames Singen gehört für viele in der Advents- und Weihnachtszeit einfach dazu. Diese Karte ist von 1946. Foto: Archiv Hölzle

    Traditionell ist der erste Höhepunkt im Advent der Nikolaustag am 6. Dezember. Der „Heilige“ besucht zusammen mit seinem Knecht Ruprecht die Kinder, vor allem am Vorabend. Auch diesem christlichen Brauch droht Gefahr. Der Nikolaus wird zur Werbefigur in vielen Variationen – vom historischen Heiligen über den rotbäckigen „Weihnachtsmann“ bis hin zum amerikanischen Santa-Claus. Jedenfalls hat die Nikolaus-Inflation wohl vielen Kindern das Geheimnisvolle und Mystische am Nikolaus-Brauchtum genommen. Der Nikolaustag war im Übrigen früher ein Halbfeiertag, an dem die Kinder und Dienstboten mit Nützlichem beschenkt wurden – zumal die Weihnachtsbescherung bei uns erst vor gut 100 Jahren üblich wurde.

    Am Klopferstag zogen einst arme Kinder von Haus zu Haus

    Nach Maria Empfängnis am 8. Dezember gab es einst auf dem Land den Klopferstag. Dabei zogen die meist ärmlichen Kinder in den Dörfern von Haus zu Haus. Sie trugen fromme Sprüche vor und erbaten sich damit kleine Gaben, wie Lebkuchen, Äpfel oder „Laibla“. Ein Spruch hieß zum Beispiel: „Ich sage an, ich klopfe an, dass Christ der Herr bald kommen kann. Dieser Brauch ist ziemlich verschwunden.

    Wenn die Zeit näher an Weihnachten heran rückt, dann beginnt traditionell in vielen Häusern der Krippenbau. Es ist also höchste Zeit, sich dafür Moos im Wald zu holen und auch bald einen Christbaum zu besorgen. Dies gehört in vielen Familien nach wie vor zum Zauber der Vorbereitung, ebenso wie das „Laibla-Backen“. Es waren in der ländlichen Welt auch die Tage, an denen man bei den Bauern ein Schwein schlachtete, um für die Festtage und die folgenden Winterwochen gerüstet zu sein. Auf den Bauernhöfen herrschte Ruhe, nur die Stallarbeit wurde verrichtet.

    Am Heiligen Abend konzentrierte sich alles auf den Besuch der Christmette und auf die christliche Botschaft. Die traditionelle Bescherung ist Teil des gelebten Brauchtums. Sie war ursprünglich sehr bescheiden und brachte der Kinderschar in der Familie meist Nützliches von all dem, was die Kinder ohnehin brauchten. Dieses Fest woanders als daheim in der Familie zu verbringen, war früher undenkbar. Relativ alt ist der verbreitete Brauch, sich per Weihnachtskarte oder auch persönlich „frohe Weihnachten“ zu wünschen.

    In der Weihnachtszeit wurde auch an die Tiere auf dem Bauernhof gedacht

    An noch etwas Befreiendes soll erinnert werden. Nach der einst strengen Fastenzeit im Advent bescherte Weihnachten eine neue Befreiung des Körpers und die Freude am Genießen. So gehörte trotz ärmlicher Zeiten dann auch ein festliches Essen und Trinken zum Fest. Dabei vergaß man bei den Bauern auch die Tiere nicht. So fütterte man dem Vieh am Heiligen Abend Brot und geweihte Kräuter. Es war auch ein alter Glaube, dass sich in der Christnacht eine ungeahnte Welt öffne – dass nämlich die Tiere untereinander sprechen und auch inmitten der Kälte Bäume und Blumen blühen. Wichtiger Bestandteil des Weihnachtsbrauchtums ist besonders das Schenken, das unabhängig von Armut oder Überfluss sein sollte. Bei allem Kommerz hat das Beschenken, das jemandem eine Freude machen, seinen eigentlichen Sinn auch heute noch nicht verloren.

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