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Türme im Unterallgäu: Mindelheim: Zum Sterben durchs Obere Tor

Türme im Unterallgäu

Mindelheim: Zum Sterben durchs Obere Tor

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    Viel hat sich am oberen Tor nicht verändert seit 1890: der Blick aus der Stadt heraus.
    Viel hat sich am oberen Tor nicht verändert seit 1890: der Blick aus der Stadt heraus.

    Türme prägen nicht nur das Bild der Mindelheimer Altstadt, sondern sind auch in anderen Orten des Unterallgäus markante Wahrzeichen. Wir haben uns auf Spurensuche begeben. Wie sieht es in diesen Türmen aus? Wie werden sie genutzt, welche Geheimnisse können sie uns verraten? Wir beginnen unserer Serie mit dem Oberen Tor in Mindelheim.

    Am ersten Geheimnis am Oberen Tor werden die meisten Mindelheimer schon oft vorbeigegangen sein. Es liegt vielleicht 25 Meter weiter im Osten zwischen der Buchhandlung Sahl und der Siegeshalle. Dort findet sich am Boden ein Gitter. Darunter ist ein Loch ohne erkennbare Funktion. Es zeugt davon, dass die Einfahrt durch das Obere Tor eigentlich keine Straße, sondern eine Brücke ist, die unter dem Kopfsteinpflaster noch erhalten ist. Im Mittelalter gab es hier mal eine Zugbrücke. Vorangestellt war eine sogenannte Barbakane, eine halbrundes Verteidigungsvorwerk. Sie wurde 1873 abgebrochen.

    Das nächste Geheimnis mag das Tor nicht verraten. Es wird nämlich auch Häber- oder Haberntor genannt. Kulturamtsleiter Christian Schedler konnte bislang nicht herausfinden, worauf der Name zurückgeht. Sicher ist aber: Das Bauwerk erhielt um 1500 seine heutige Gestalt.

    Im Oberen Tor in Mindelheim hat ein Turmwärter gewohnt

    Der 28 Meter hohe Turm ist erstmals im Jahr 1337 erwähnt worden. Heute wird der Turm nicht genutzt. Die Deckenbalken im ersten Obergeschoss stammen aus den Jahren 1393 bis 1396. Auch das Alter der Hölzer im vierten Obergeschoss konnte ermittelt werden: 1800 und 1801. Weil immer die Gefahr bestand, Türme könnten in Flammen aufgehen, ist der Boden aus Klinker gefertigt. Auch im Oberen Tor hat zeitweise ein Turmwärter gewohnt. Während im Unteren Tor gesichert ist, dass dort ein Ofen eingebaut war, ist das für das Obere Tor unklar.

    Schmale Schießscharten, die sich nach außen hin verengen, machten es möglich, auf Angreifer mit der Armbrust oder der Feuerbüchse zu schießen, ohne selbst in Gefahr zu kommen. Einzelne wurden in späterer Zeit zugemauert, als sie nicht mehr gebraucht wurden.

    Die Arme-Sünder-Glocke wurde geläutet, wenn ein Mensch zum Tod verurteilt worden war

    Unter dem Dach, 90 Stufen über der Erde, befinden sich zwei historisch wertvolle Glocken, die noch aus dem Mittelalter stammen. Die eine, etwas kleinere, ist die „Arme-Sünder-Glocke“. Sie ist auf die Maximilianstraße ausgerichtet. Sie wurde immer dann geschlagen, wenn ein Mensch zum Tode verurteilt worden war. Diese Glocke läutete von der Urteilsverkündung am Rathaus bis zur Vollstreckung außerhalb in der Nähe der heutigen Bahnhofstraße. Das Galgengässchen erinnert heute noch an die Hinrichtungsstätte.

    Dort endete zwischen 1472 und 1512 das Leben von 14 Menschen am Galgen, durch Feuer, durch das Schwert oder das Rad. Die letzte Hinrichtung fand 1776 statt. Eine Frau war zum Tode verurteilt, mit dem Mistkarren außerhalb der Stadtmauer gefahren und dort damals enthauptet worden. Die Obrigkeit in München machte im Nachgang Verfahrensfehler geltend. Seither ist Schluss mit dieser Form der Bestrafung in Mindelheim, die für die Bürger eine Art Volksbelustigung war. Die zweite Glocke stammt von 1423. Sie hat statt eines Klöppels einen Hammer, mit dem die Uhrzeit angeschlagen wird. Uhren waren im Mittelalter Statussymbol der Städte, erläutert Kulturamtsleiter Schedler. Sie waren zunehmend wichtiger in einer Zeit, in der es immer mehr auf Pünktlichkeit ankam. Wie auch sonst sollten sich die Tag- und Nachtwache ablösen, ohne exakt gehende Uhr? Wie sollten sich die Bürger politisch engagieren ohne Uhr? Treffen wollten geplant sein. Das erwachende Selbstbewusstsein der Bürger gegen den Adel hatte viel mit den

    Es ist ein Wunder, dass Mindelheim die beiden Glocken noch hat

    Dass beide Glocken heute noch vorhanden sind, grenzt an ein Wunder. Im Zweiten Weltkrieg waren allein sechs Glocken aus Mindelheim zum Einschmelzen bestimmt gewesen. Sie lagen bereits auf einem Glockenfriedhof in Hamburg. Letztlich kam der Zusammenbruch dann schneller und die Glocken konnten wieder die Heimreise nach Schwaben antreten.

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