Seit mehr als vier Jahrzehnten gelte in der Gemeinde Türkheim der Hebesatz von 280 für die Gewerbesteuer, stellte Kämmerer Claus-Dieter Hiemer fest. Seit 1981 wurde dieser Hebesatz nicht mehr verändert, und damit liege Türkheim weit unter dem Durchschnitt vergleichbarer Kommunen. Dies bringe im Finanzausgleich der Gemeinde jedoch erhebliche Nachteile, so Hiemer: Bisher habe man dies verkraften können, aber in den nächsten Jahren werde die Kommune kaum noch finanziellen Spielraum haben. Daneben seien die Personalkosten kräftig gestiegen. Das letzte Wort hat dann noch einmal der Gemeinderat, wenn am 23. November die Steuererhöhung endgültig beschlossen werden soll.
Kürzlich verkündete Türkheims Kämmerer die Rekordeinnahme von 6,5 Millionen Euro Gewerbesteuer
Kämmerer Claus-Dieter Hiemer war es selbst nicht ganz wohl. Denn er musste den Gemeinderat davon überzeugen, dass eine Erhöhung des Gewerbesteuersatzes vom gültigen Hebesatz von 280 auf 310 erhöht werden sollte. Dabei hatte er erst kürzlich bei der Bürgerversammlung von einer Rekordeinnahme bei der Gewerbesteuer von 6,5 Millionen berichtet. Der Kämmerer hatte für seine Forderung viele Argumente zusammengetragen. Denn Türkheim liegt unter dem Landesdurchschnitt von 320 Punkten. Und damit, so Hiemer, gehe dem Markt viel Geld an Zuschüssen verloren. Die Argumentation des Kämmerers überzeugte dann die Räte, in der nächsten Sitzung geht die Erhöhung wohl über die Bühne.
Interessant sei auch der Vergleich: Bayernweit liege der Durchschnitt bei 326, im Unterallgäu bei 307. Den höchsten Steuerhebesatz gelte es in München mit 490 zu berappen. Im Unterallgäu würden die Hebesätze zwischen 230 und 350 liegen. Bad Wörishofen verlange 240, Mindelheim 315 und das benachbarte Buchloe 330.
Welche Auswirkungen hat der unterdurchschnittliche Hebesatz für den Markt? Hiemer erklärte, der Finanzausgleich basiere auf den Faktoren Steuerkraft und Steuereinnahmen. Dabei müsse festgestellt werden, dass die Gemeinde die Steuereinnahmemöglichkeiten nicht ausnutze. Beim Finanzausgleich werde Türkheim aber behandelt, als würde man einen Hebesatz von 310 anwenden. Die ergebe Nachteile bei der Kreisumlage, der Gewerbesteuerumlage und den Schlüsselzuweisungen.
In Zahlen: Eine Erhöhung der Gewerbesteuer um zehn Punkte würden dem Markt 210.000 Euro Mehreinnahmen bringen, wobei diese Summe zu 100 Prozent am Ort bleibe. Würde sich der Rat also auf die Erhöhung von 310 einigen, würde dies Mehreinnahmen in Höhe von 630.000 Euro bringen.
Von der Gewerbesteuer seien in Regel Einzelunternehmen und Personengesellschaften nicht betroffen. Diese machten 48 Prozent der Unternehmen aus. Herangezogen würden Kapitalgesellschaften. Derzeit gebe es in Türkheim 240 Gewerbesteuerzahler. Allerdings würden 20 Unternehmen insgesamt 60 Prozent des Gewerbesteueraufkommens bezahlen.
Türkheims Kämmerer rechnet mit sinkenden Einnahmen bei der Gewerbesteuer
Mit Blick auf die weitere Entwicklung geht Hiemer davon aus, dass die vorausgesagten 6,5 Millionen Euro Gewerbesteuer in diesem Jahr nicht gehalten werden könnten. Die Einnahmen würden sich bei fünf Millionen Euro einpendeln. Aufgrund der Steigerungen bei den Ausgaben werde man in zwei Jahren keine Mittel mehr vom Verwaltungshaushalt in den Vermögenshaushalt überführen können. Auf der anderen Seite seien bei einer Erhöhung ab 2026 wieder Schlüsselzuweisungen in Höhe von einer halben Million Euro zu erwarten. Derzeit bekommt Türkheim vom Freistaat keinen Cent.
Abschließend warb Hemer nochmals für die Erhöhung: „Die Unternehmensgewinne haben sich in den vergangenen Jahren sehr positiv entwickelt. Aber wir haben zu wenig davon. Außerdem besteuern wir nur Gewinne. Wer keine Gewinne macht, der bezahlt keine Gewerbesteuer.“
Die Rückmeldungen aus dem Türkheimer Gemeinderat verliefen alle positiv. Jens Gaiser (CSU) bezeichnete die Erhöhung als sinnvoll. Er verwies auf die steigenden Pflichtaufgaben. Die Erhöhung dürfe jedoch kein Freibrief sein, man werde weiterhin mit dem Geld sorgfältig umgehen.
Walter Fritsch (SPD) verwies darauf, dass die Erhöhung erst im kommenden Jahr kommen wird. Die Zahlen würden belegen, dass eine Erhöhung auf 310 Punkte angesagt sei. Dritte Bürgermeisterin Gudrun Kissinger-Schneider (Grüne) erinnerte daran, dass sie eine Erhöhung seit Jahren angemahnt habe. Auf die Kommune würden schwierige Zeiten zukommen, alleine die gesetzlich geforderte Ganztagesbetreuung der Schüler werde noch einige Kosten verursachen.
Josef Vogel (Freie Wähler) lobte die übersichtliche Darstellung des Kämmerers. Man werde wohl diesen Schritt gehen müssen. Der Kämmerer freute sich über die breite Zustimmung. Und verwies darauf, dass Türkheim bei der Gewerbesteuer immer noch sehr günstig liege. Bei der nächsten Ratssitzung wird dann wohl der Grundsatzbeschluss über die Erhöhung der Gewerbesteuer ab dem Jahr 2024 fallen.